Es macht mir keinen Spaß, nein, wirklich nicht. Nicht währenddessen, im Detail. Aber en gros es ist so wahnsinnig toll, diesem unglaublichen Kosmos ein paar weitere Facetten hinzufügen zu dürfen, als Teil dieses Teams, dieses Clubs, dieses Projekts immer wieder gewagte Aktionen mitzugestalten, dass ich dafür noch ganz andere Qualen auf mich nehmen würde.
Sagen Sie’s bloß nicht dem Chefredakteur.
PERRY RHODAN und ich
von Michael Marcus Thurner
1980 also.
Ich war schwer pubertär und begann nach etwa drei Jahren Leserschaft ganz allmählich, PERRY RHODAN zu begreifen. Das war wahrlich keine leichte Aufgabe. Ich hatte die diversen Auflagen kreuz und quer gelesen, in Romanschwemmen paketweise Romane gekauft (um zwei Schilling bzw. 30 Pfennig pro Stück) und versucht, gedanklich eine Ordnung in das Durcheinander zu bekommen, das aus Meister der Inseln, OLD MAN, Posbis, Blues, Götzen, Aphilie und vielen anderen Handlungssträngen bestand.
Doch nun begann ich dieses damals schon riesige Kunst-Universum von PERRY RHODAN zu verstehen, und ich hatte auch massenhaft Zeit dafür. Schließlich war die Schule fürchterlich öde geworden – wer interessiert sich im Alter von 17 Jahren schon für Buchhaltung –, Mädchen waren zwar rasend interessant, aber meistens sehr seltsam, und sie machten bloß Probleme. Ich musste also brachliegende Hirnbereiche mit diesen ganzen wichtigen Dingen wie zum Beispiel dem inneren Aufbau des Generationsraumschiffs SOL vollstopfen.
Ich fertigte Zeichnungen im A2-Format mit versteckten Kämmerchen an, mit geheimen Gängen und seltsamen Figuren, die sich durch das Schiff bewegten, mit prachtvollen Grünanlagen und Luxusappartements für Protagonisten wie Perry Rhodan himself, der mindestens 500 Quadratmeter Wohnfläche für sich beanspruchen konnte. Auch eine exakt vermessene Marathonstrecke existierte, die alle drei Schiffsteile mehrmals querte. Die Mannschaftsmitglieder der SOL hatten in meiner Vorstellung viel Zeit totzuschlagen …
Unangenehm in Erinnerung geblieben ist mir der damalige Phasenvertrieb, der bewirkte, dass die Romane der Erst- und Viertauflage, die ich mir jeden Freitag in der Trafik (am Kiosk) holte, in Wien etwa drei Monate später auslagen als im weiten Teilen Deutschlands. Brachte mir meine Mutter mal von einer Auslandsreise (und eine Fahrt nach Deutschland dazumal war eine Auslandsreise, mit mitunter sehr lästigen Zoll- und Grenzkontrollen) den neuesten Roman mit, hatte ich ein Heft in meiner Hand, das mir verriet, was in 13 Wochen in der Handlung passieren würde. Das Zeug war mit Informationen kontaminiert, die ich noch nicht haben wollte, und ich verfluchte ganz gehörig die Schuldigen an dieser seltsamen Zeitverschiebung.
1980 war aber auch das Jahr von Mythor. In den PERRY RHODAN-Heften wurde er heftig beworben. Natürlich wollte auch ich den jungen Barbaren mit der rätselhaften Geschichte quer durch das Reich Gorgan begleiten. Heft Nummer 1 kam im Frühjahr heraus, just an jenem Tag, da ich mit meiner Schulklasse zum Skikurs nach St. Christoph am Arlberg aufbrechen sollte. Verzweifelt klapperte ich die Trafiken am Wiener Westbahnhof ab, die 2,05 Meter langen Ski Atomic ARC immer mitschleppend, auch die Skischuhe und überhaupt die gesamte Ausrüstung, also mit gefühlten 50 Kilogramm Gepäck. Ich hab das Heft schließlich gefunden, zerknittert und am Titelbild eingerissen, aber das war mir wurscht. Meine Begeisterung am Lesen kannte dazumal keine Grenzen, und die Zugfahrt, eigentlich immer ein besonderes Highlight bei derartigen gemeinsam verbrachten Schulwochen, verbrachte ich tief versunken im Roman »Der Sohn des Kometen« von Hugh Walker vulgo Hubert Straßl.
Im Laufe der Jahre musste ich lernen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, den einen oder anderen PERRY RHODAN-Roman wegzulassen und ein klein bissel mehr zu lernen. Denn Buchhaltung war zu meiner Überraschung dann doch ein wichtiger Gegenstand an meiner Handelsakademie. Auch Mädchen, so zeigte sich, hatten etwas Besonderes an sich, und so richtig seltsam waren sie dann doch nicht. Aber ich war nie ein besonders guter Schüler, und es sollte noch eine Weile dauern, bis ich diese Zusammenhänge allesamt begriff.
PERRY RHODAN blieb über die Jahre dennoch ein treuer Wegbegleiter. Ich fühlte, dass es Autoren gab, deren Romane mich besonders ansprachen. Dies waren in erster Linie die Werke von Willi Voltz und von Ernst Vlcek, der sein Österreichertum nicht verleugnen konnte. Ich entwickelte also anhand sogenannter Schundliteratur »Geschmack«. Ich begann zu unterscheiden und für mich selbst festzulegen, was mir gefiel und warum es mir gefiel. Dies geschah nicht bewusst, und ich legte keinerlei Kriterien fest. Aber ich fühlte, wenn ein Roman in sich stimmig und die Figuren gut gezeichnet waren.
Ich schrieb etwa 1981 meine erste Science Fiction-Kurzgeschichte. Sie sollte für etwa 15 Jahren auch meine letzte sein und wäre nie entstanden, wenn sie nicht so wunderbar in ein schulisches Aufsatzthema gepasst hätte. Es handelte sich um ein wunderbares Endzeitszenario mit den beiden letzten Menschen auf der Erde, in einer atomverseuchten Umwelt, und war schamlos aus einem »Heavy Metal«-Comic abgekupfert, wenn ich mich recht erinnere.
Ich empfand mich zu keiner Zeit meiner Jugend als angehender oder hoffnungsvoller Science Fiction-Autor. Mir war das Lesen genug. Ich hatte meine tägliche Wochenration PERRY RHODAN, las mitunter drei Auflagen parallel, und ich wühlte mich durch die Klassiker aus dem angloamerikanischen Raum, zuvorderst durch die Werke von Philip K. Dick und Robert A. Heinlein. Und dann durch die aufregenden Moewig-Ausgaben mit dem anrüchigen Titel »Playboy Science Fiction«, und dass ich durchs Lesen zum Playboy werden würde, musste jedermann klar sein, oder?
Jedenfalls erweiterte ich meinen Horizont, und PERRY RHODAN war nur noch ein Teil dessen, womit ich mich allwöchentlich beschäftigte. Doch ich blieb bei der Stange. Wollte wissen, wie es weitergehen würde mit Perry Rhodan und den anderen Protagonisten. Wollte erfahren, ob es ein Ende gab, ob das Universum ein Ende haben würde. Ich war Begleiter auf einer Reise, die ins schier Unendliche führte.
Ich begann zu arbeiten, heiratete, wechselte gefühlte 20-mal meinen Arbeitsplatz, trieb mich in der Weltgeschichte herum. Doch was auch immer geschah – am Freitag hatte das wöchentliche PERRY RHODAN-Heft lesebereit bei mir zu Hause zu liegen, um verschlungen zu werden. Dieses Ritual war für lange Zeit eine der wenigen Konstanten in meinem Leben, und erst 1996, da meine erste Tochter geboren wurde und ich eine erste richtige Kurzgeschichte schrieb, sollte sich alles ändern.
Doch das ist eine andere Geschichte. Ich wünsche jedem Leser dieses monumentalen Werks viel Spaß bei einer Reise durch jene Zeit, die für mich die Wegstrecke vom Jugendlichen zum – halbwegs – Erwachsenen darstellte.
Unsterbliche Helden – Sterbliche Leser
von Arndt Ellmer
Das Jahr 1980 begann für mich vielversprechend, und es endete mit einem Schock. Im Herbst 1979 hatte ich meine erste Storysammlung für die Reihe TERRA ASTRA geschrieben, die im Juni 1980 erschien. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, das gedruckte Heft in Händen zu halten. Mein erster Gedanke galt einem Schulkameraden von einst, dem ich die intensive Begegnung mit PERRY RHODAN zu verdanken habe.
Damals waren wir 14. Andy pilgerte jeden Freitag zum Kiosk und kaufte sich dort seine Lieblingslektüre, PERRY RHODAN in der ersten und zweiten Auflage sowie die Erstauflage der Bruderserie ATLAN, die kurz darauf auf den Markt kam.
Es bürgerte sich ein, dass wir diesen Gang am Freitagnachmittag gemeinsam unternahmen, durch den Park und über die schmale Brücke direkt in den Laden. Mein Schulkamerad las die Romane meist am Samstag und Sonntag, dann gab er sie mir, und ich verschlang sie ebenfalls. Vier Jahre ging das so, bis uns die Vorbereitungen zum Abitur eine Zwangspause auferlegten. Ich verlor PERRY RHODAN für eineinhalb Jahre aus den Augen, dann entdeckte ich ihn an meinem Studienort Freiburg wieder – in einem Ständer am Eingang des Kaufhaus Hertie.
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