Das Gericht hat den Mieter vor Erlass einer Räumungsverfügung anzuhören. 83) Die Entscheidung über den Antrag ergeht im Falle einer mündlichen Verhandlung durch Endurteil, andernfalls durch Beschluss. 84) Gegen den Beschluss, durch den eine Räumungsverfügung angeordnet worden ist, kann der Mieter gem. der §§936, 924 Abs. 1 ZPO Widerspruch einlegen. Über den Widerspruch wird durch Urteil entschieden. 85) Wird der Antrag des Vermieters ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, kann er hiergegen sofortige Beschwerde einlegen. 86) Ergeht die Entscheidung des Gerichts durch Endurteil, kann die beschwerte Partei hiergegen das Rechtsmittel der Berufung einlegen. 87)
Erweist sich die Räumungsverfügung nach § 940a Abs. 3 ZPO als von Anfang an ungerechtfertigt, hat der Vermieter den Schaden zu ersetzen, der dem Mieter durch die Vollziehung der Räumungsverfügung entstanden ist. 88)
Daneben ermöglicht die neue Regelung des § 940a Abs. 2 ZPO die vereinfachte Durchsetzung von Räumungsansprüchen gegen unbekannte Dritte.
Die Zwangsräumung kann grundsätzlich nur gegen solche Personen betrieben werden, die im Vollstreckungstitel oder in der Vollstreckungsklausel genannt sind. 89) Eine Räumungsvollstreckung erfolgt durch Einweisung des Gläubigers in den Besitz. 90) Die Besitzeinweisung des Gläubigers setzt voraus, dass ein Vollstreckungstitel gegen alle Personen vorliegt, die an der Wohnung Mitbesitz begründet haben. Nach der geltenden Rechtspraxis hat nicht nur der Mieter, sondern jeder erwachsene Mitbewohner, z. B. der nichteheliche Lebensgefährte oder ein Untermieter, Mitbesitz an der Wohnung. Liegt gegen einen der Mitbewohner kein Räumungstitel vor, dann ist nach der bisherigen Rechtslage die Zwangsräumung gegen diese Person nicht zulässig. Teilweise wird ein Räumungstitel gegen Dritte sogar dann für erforderlich gehalten, wenn ihnen der Besitz nur eingeräumt worden ist, um die Zwangsräumung zu vereiteln. 91) Der Vermieter wird i. d. R. seinen Räumungsanspruch gegen den Dritten ohne Schwierigkeit durchsetzen können, da dieser gegenüber dem Vermieter kein Recht zum Besitz hat. Allerdings ist ein Verfahren gegen den Dritten wiederum sehr zeitaufwändig. Mit der Neuregelung hat der Gesetzgeber nunmehr für den Vermieter die Möglichkeit geschaffen, die Wohnung in diesen Fällen schnell und kostengünstig im Wege der einstweiligen Verfügung räumen zu lassen. 92)
§ 940a Abs. 2 ZPO setzt zunächst voraus, dass gegen den Mieter ein Räumungstitel vorliegt. Als Räumungstitel kommt ein Urteil, aber auch eine Räumungsverfügung gem. § 940a Abs. 3 ZPO in Betracht. Des Weiteren muss der Dritte zumindest Mitbesitz an der Wohnung begründet haben. Die Vorschrift setzt schließlich voraus, dass der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat. Nach den Gesetzesmaterialien umfasst der Anwendungsbereich der Vorschrift aber auch den Fall, dass der Vermieter zwar Kenntnis hinsichtlich des Mitbesitzes hat, aber über die Identität des Dritten im Unklaren ist, weil dieser sich weigert seine Personendaten preiszugeben. 93) Der Vermieter hat seine Unkenntnis gem. § 294 ZPO glaubhaft zu machen 94) ; eine eidesstattliche Versicherung ist insoweit ausreichend. Als Verfügungsanspruch 95) kommt wie im Fall der Räumungsverfügung nach § 940a Abs. 3 ZPO nur der Anspruch des Vermieters auf Räumung der Wohnung in Betracht. Der Erlass der einstweiligen Verfügung setzt zudem eine gewisse Eilbedürftigkeit (Verfügungsgrund) voraus. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse begrenzt.
Das Gericht hat den Dritten vor Erlass einer Räumungsverfügung anzuhören. 96)
Gegen den Beschluss, durch den eine Räumungsverfügung angeordnet worden ist, kann der Dritte wie im Fall der Räumungsverfügung nach § 940a Abs. 3 ZPO gem. der §§ 936, 924 Abs. 1 ZPO Widerspruch einlegen. Ergeht die Entscheidung des Gerichts durch Endurteil, kann der Dritte hiergegen das Rechtsmittel der Berufung einlegen. 97)
Erweist sich die Räumungsverfügung nach § 940a Abs. 3 ZPO als von Anfang an ungerechtfertigt, hat der Vermieter den Schaden zu ersetzen, der dem Dritten durch die Vollziehung der Räumungsverfügung entstanden ist. 98)
Der Vermieter wird oftmals nach Beendigung des Räumungsverfahrens gezwungen sein, den Gerichtsvollzieher mit der zwangsweisen Räumung der Wohnung zu beauftragen. Im Zusammenhang mit der Besitzverschaffung entstehen z. T. erhebliche Kosten. Der Gerichtsvollzieher wird die beweglichen Sachen des Mieters (Möbel, Teppiche, Bilder, Geschirr etc.) häufig durch eine Spedition abtransportieren und einlagern müssen. Hinsichtlich der zu erwartenden Vollstreckungskosten hat der Vermieter i. d. R. einen Kostenvorschuss in Höhe von mehreren Tausend Euro zu zahlen. Mit der neuen Regelung des § 885a ZPO will der Gesetzgeber insbesondere dem privatem Vermieter eine Möglichkeit eröffnen, die hohen Speditions- und Lagerkosten zu vermeiden und damit den Kostenvorschuss auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. 99)
Die Vorschrift des § 885a ZPO knüpft an die von der Rechtspraxis entwickelte sog. „Berliner Räumung“ an. Hierbei beschränkt der Gläubiger seinen Vollstreckungsauftrag auf die bloße Besitzverschaffung an den Wohnräumen und macht an allen in der Wohnung befindlichen beweglichen Gegenständen des Mieters sein Vermieterpfandrecht gem. § 562 BGB geltend. 100) Dieser Konstruktion begegneten allerdings auch zahlreiche Bedenken, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, dass sich in der Wohnung auch unpfändbare Gegenstände befinden. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber diese Bedenken ausräumen und zugleich „die mit der Berliner Räumung verbundenen positiven Effekte rechtssicher im Gesetz verankern.“ 101) Die Räumung nach § 885a ZPO setzt daher abweichend von der Konstruktion der "Berliner Räumung" nicht voraus, dass der Gläubiger sein Vermieterpfandrecht ausübt.
Der Vermieter kann nunmehr seinen Vollstreckungsauftrag auf die bloße Besitzverschaffung an den Räumen beschränken. 102) Der Gerichtsvollzieher hat in diesem Fall den Mieter aus dem Besitz zu setzen und den Vermieter in den Besitz einzuweisen. 103) Dabei hat er gem. § 885a Abs. 2 ZPO in dem Vollstreckungsprotokoll 104) die frei ersichtlichen beweglichen Sachen zu dokumentieren, die er bei der Vornahme der Handlung vorfindet. Aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift geht bereits hervor, dass der Gerichtsvollzieher nicht zur Erstellung einer vollständigen Inventarliste verpflichtet ist. Darüber hinaus ist es dem Gerichtsvollzieher im Rahmen der Sichtung und Dokumentation verwehrt, verschlossene Behältnisse zu öffnen oder die Wohnung des Schuldners gezielt nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Der Gerichtsvollzieher ist zur Anfertigung von Lichtbildern berechtigt. 105) Die Protokollierung sowie die Anfertigung von Lichtbildern soll im Streitfall über Bestand und Zustand der vom Mieter eingebrachten Sachen die Beweisführung erleichtern. 106)
Im Gegensatz zur Konstruktion der „Berliner Räumung“ enthält § 885a ZPO nunmehr eine Regelung, wie der Vermieter mit den beweglichen Sachen des Mieters nach der Räumung zu verfahren hat. Nach der Regelung des § 885a Abs. 3 ZPO sind die Sachen, die Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, dem Zugriff des Gläubigers entzogen. Diese Gegenstände sind vom Gerichtsvollzieher in Besitz zu nehmen und zu verwerten. Die übrigen Gegenstände kann der Vermieter aus der Wohnung entfernen und an einem anderen Ort verwahren. Der Vermieter ist allerdings auch berechtigt, die sonstigen Sachen des Mieters zunächst in der Wohnung zu belassen. 107) Der Vermieter ist befugt, bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, jederzeit zu vernichten. Ein solches Interesse kann grundsätzlich bei gewöhnlichem Abfall und Unrat angenommen werden. 108) Der Vermieter hat unpfändbare Sachen (§ 811 ZPO) und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne weiteres herauszugeben. 109)
Читать дальше