Eine Sicherungsanordnung ist nur wegen solcher Geldforderungen zulässig, die „nach Rechtshängigkeit der Klage fällig geworden sind.“ 56) Die Regelung setzt also ein anhängiges Hauptsacheverfahren voraus. 57) Mietrückstände, die bis zur Zustellung der Klage aufgelaufen sind, werden vom Anwendungsbereich der Vorschrift ebenso wenig erfasst, wie Forderungen, die erst künftig fällig werden. Der Vermieter muss also jedes Mal, wenn eine Forderung im Laufe des Verfahrens fällig geworden ist, erneut einen Antrag 58) auf Erlass einer Sicherungsanordnung stellen.
Die Sicherungsanordnung soll den Vermieter im laufenden Verfahren vor weiteren Zahlungsausfällen schützen; auf Seiten des Mieters führt sie naturgemäß zu einer Einschränkung seiner Rechte. § 283a Abs. 1 Nr. 1 ZPO setzt daher zum Schutz des Mieters voraus, dass die anhängige Klage eine „hohe Aussicht auf Erfolg“ hat. Die erforderliche Erfolgsaussicht liegt vor, wenn dem Zahlungsanspruch des Vermieters nach dem bisherigen Sach- und Streitstand mit hoher Wahrscheinlichkeit keine berechtigten Einwendungen oder Einreden des Mieters entgegenstehen. 59) Aus einem Umkehrschluss zu § 283a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ZPO ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei der Prüfung der Erfolgsaussicht die bloße Glaubhaftmachung des Anspruchs durch den Vermieter nicht ausreichen lässt. Das Gericht muss also ggf. über die streitigen entscheidungserheblichen Tatsachen Beweis erheben. Die Beweisführung ist dabei auf die Mittel des Strengbeweises beschränkt. 60) Die Erhebung der Beweise hat demnach in einem formellen Verfahren vor dem Prozessgericht zu erfolgen 61) ; zulässig sind ausschließlich die in den §§ 371 ff. ZPO genannten Beweismittel (Augenschein, Zeugen, Sachverständiger, Urkunde, Parteivernehmung). Aus dem Wortlaut der Vorschrift geht allerdings hervor, dass das Gericht den Tatsachenvortrag der Parteien nicht gänzlich bis zur Entscheidungsreife aufklären muss. Ebenso verlangt die Vorschrift nicht die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen. Das Gericht stellt im Rahmen des § 283a Abs. 1 ZPO vielmehr eine Prognose über den Verfahrensausgang. 62)
Zudem ist erforderlich, dass die Sicherungsanordnung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt ist. 63) Der Kläger muss im Rahmen der Interessenabwägung konkret darlegen, welche besonderen Nachteile er über den Ausfall der Mietforderung hinaus zu erwarten hat. 64) Zu denken ist hier insbesondere an eigene Zahlungsverpflichtungen des Vermieters aus einem Darlehensvertrag, z. B. wenn die Wohnung als Teil der privaten Altersvorsorge mit Fremdkapital finanziert worden ist. Kommt der Mieter in diesem Fall auf Dauer seiner Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietverhältnis nicht nach, so wird der Vermieter oftmals nicht mehr zur Tilgung der Darlehensraten in der Lage sein. In Betracht kommt natürlich auch die Konstellation, dass der Vermieter auf die Mieteinnahmen bereits zur Sicherung seiner Altersversorgung angewiesen ist. 65) Die Dauer des Gerichtsverfahrens sowie die drohende Zahlungsunfähigkeit des Mieters stellen demgegenüber keine besonderen Nachteile i. S. d. Vorschrift dar. 66) Zu berücksichtigen ist allerdings die Höhe der Zahlungsrückstände. Auf Seiten des Mieters ist insbesondere fehlendes Verschulden zu berücksichtigen. Anders als bei der Prüfung der Erfolgsaussicht, lässt der Gesetzgeber für die Darlegung der besonderen Interessen gem. § 283a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ZPO als Beweismaß die Glaubhaftmachung ausreichen. Der Vermieter ist bei der Beweisführung somit nicht auf die Beweismittel des Strengbeweises beschränkt; ausreichend ist bspw. die Beweisführung durch Glaubhaftmachung mittels einer eidesstattlichen Versicherung.
Für die Entscheidung über den Antrag des Vermieters auf Erlass einer Sicherungsanordnung ist das Prozessgericht zuständig bei dem die Hauptsache anhängig ist. Dies wird i. d. R. das erstinstanzliche Gericht sein. Der Antrag ist auch in der Berufungsinstanz zulässig. 67) Liegen die Voraussetzungen des § 283a Abs. 1 ZPO vor, ordnet das Prozessgericht an, dass der Beklagte Sicherheit zu leisten hat. Die Vorschrift enthält zur Art und Höhe der Sicherheitsleistung keine näheren Angaben. Die Gesetzesmaterialien verweisen diesbezüglich auf § 108 ZPO. Demnach kann das Gericht nach freiem Ermessen bestimmen, in welcher Art und Höhe die Sicherheit zu leisten ist. Trifft das Gericht keine ausdrückliche Bestimmung und haben die Parteien auch keine entsprechende Vereinbarung getroffen, ist die Sicherheit durch eine selbstschuldnerische 68) , unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bankbürgschaft oder durch Hinterlegung von Geld oder von zur Hinterlegung geeigneten Wertpapieren 69) zu leisten. Darüber hinaus dürfte in Anlehnung an § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB auch die Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle als Sicherheitsleistung i. S. d. § 283a Abs. 1 ZPO ausreichen. 70)
Gegen die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts ist gem. § 283a Abs. 1 Satz 3 ZPO die sofortige Beschwerde 71) statthaft.
Der Beklagte hat die Sicherheitsleistung binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist nachzuweisen. 72) Soweit der Kläger in dem Rechtsstreit obsiegt, ist in einem Endurteil oder einer anderweitigen, den Rechtstreit beendenden Regelung auszusprechen, dass er berechtigt ist, sich aus der Sicherheit zu befriedigen. 73) Aus dem Wortlaut der Vorschrift („soweit“) geht hervor, dass der Kläger sich auch bei teilweisem Obsiegen aus der Sicherheitsleistung in entsprechender Höhe befriedigen kann. Neben einem Urteil kommt daher insbesondere der gerichtliche Vergleich 74) , der in materiell-rechtlicher Hinsicht ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzt 75) , als eine den Rechtstreit beendende Regelung i. S. d. § 283a Abs. 3 ZPO in Betracht. Unterliegt der Vermieter teilweise, z. B. weil er im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs z. T. auf die geltend gemachte Forderung verzichtet hat, kann er sich in Höhe des Verzichts nicht aus der Sicherheitsleistung befriedigen. Vielmehr kann der Beklagte diesen Teil der Sicherheitsleistung, nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung, unter den Voraussetzungen des § 109 ZPO zurückerlangen. 76) Darüber hinaus hat der Vermieter diesbezüglich den Schaden zu ersetzen, der dem Beklagten durch die Sicherheitsleistung entstanden ist. 77) Der Beklagte kann den Schadensersatzanspruch entsprechend § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO sogleich mit einer Widerklage in dem anhängigen Gerichtsverfahren geltend machen. 78)
Leistet der Beklagte entgegen der gerichtlichen Anordnung keine Sicherheit, kann der Vermieter gem. § 940a Abs. 3 ZPO einen Antrag auf Erlass einer Räumungsverfügung stellen.
Die Sicherungsanordnung dient dem Schutz des Vermieters und kann nur unter den hohen Anforderungen des § 283a Abs. 1 ZPO erlassen werden. Ein Mieter, der die gerichtliche Anordnung übergeht, setzt sich dem „erhöhtem Verdacht der Verzögerungsabsicht“ aus. 79) Allein die Nichtbefolgung der gerichtlichen Anordnung begründet die Besorgnis, dass der Mieter allgemein zahlungsunwillig ist. Vor diesem Hintergrund kann es dem Vermieter nicht zugemutet werden, eine Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache abzuwarten.
Die Räumungsverfügung ist ihrer Rechtsnatur nach eine einstweilige Verfügung i. S. d. § 935 ZPO und setzt zunächst das Bestehen eines Verfügungsanspruchs und das Vorliegen eines Verfügungsgrundes voraus. 80) Als Verfügungsanspruch kommt nur der Anspruch des Vermieters auf Räumung der Wohnung in Betracht. 81) Der Verfügungsgrund liegt im Verstoß gegen die Sicherungsanordnung. 82)
Der Erlass einer Räumungsverfügung setzt nach § 940a Abs. 3 ZPO zudem voraus, dass der Vermieter bereits eine Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben und der Mieter einer Sicherungsanordnung gem. § 283a Abs. 1 ZPO nicht Folge geleistet hat. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist dabei auf Wohnraummietverhältnisse begrenzt.
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