Vereinfache die Übung also so lange, bis du sie beherrschst. So wie beim Muscle-up, Pull-up oder beim Spagat! Das ist die Grundlage für Bewegungslernen. Instabile Knie sind meist ein Zeichen dafür, dass der gewählte Schwierigkeitsgrad einer Übung zu hoch ist!
Die Idee der meisten Trainierenden oder Trainer, dann noch einen erschwerenden Parameter hinzuzufügen, ist absurd.
2.3DIE ANATOMIE DER KNIEBEUGE
Kommen wir zum Eingemachten. Wie sieht eine Kniebeuge aus und was muss ich trainieren, damit ich besser werde?
2.3.1DIE PERFEKTE KNIEBEUGE
Es gibt keine perfekte Kniebeuge! Jede Kniebeuge ist individuell und ist abhängig von mehreren Faktoren, genannt Anthropometrie:
1.Oberkörper- zu Unterkörperverhältnis;
2.Oberschenkel- zu Unterschenkellänge;
3.Stellung deiner Beckenschaufel sowie von der
4.Stellung deines Oberschenkelhalses (CCD-Winkel) in Relation zur Hüftpfanne.
Hinzu kommen trainierbare Faktoren wie Kraft und Mobilität. Du siehst, dass ziemlich viele Dinge davon abhängig sind, ob jemand eine tiefe Kniebeuge („ass to grass”) mit maximal aufrechter Wirbelsäule ausführen kann. Selbiges gilt übrigens auch für den Spagat. Aber dazu später mehr.
Interessanterweise ist die Beckenstellung und -form abhängig von der Nationalität. Wie bereits angesprochen, sitzen Asiaten und Osteuropäer gerne und häufig in der Hocke. Tatsächlich haben viele Menschen aus diesen Regionen ein Becken, was die Kniebeuge eher einfacher macht. Westeuropäer haben es da schon schwerer.
An dieser Stelle soll noch einmal das Beispiel der Kleinkinder erwähnt werden. Diese können so einfach in die Hocke gehen, weil ihre Proportionen stimmiger sind, das Bindegewebe, die Gelenke und Knochen noch viel weicher und elastischer. Sie als Vorzeigeobjekt für Erwachsene für eine optimale Kniebeuge zu nehmen, ist demnach nicht möglich. Was wir uns von Kindern allerdings abschauen sollten, ist ihr Spieltrieb, ihr Bewegungsdrang, ihre Lebensfreude und ihre Energie.
2.3.2KEINE AUSREDEN ERLAUBT
Wenn du jetzt denkst: „Siehst du, Leon, daran liegt es, dass ich keine Kniebeuge kann!” Sei bitte ehrlich zu dir selbst und frage dich, wie viel du für deine Hüftmobilität bisher getan hast. Wenn du acht Stunden sitzt, hast du auch etwas für deine Hüfte getan. Nur wird dich das deinem Ziel der Kniebeuge nicht näherbringen.
Wenngleich nicht jeder für eine tiefe Hocke geeignet ist, lohnt es sich dennoch, an seiner Hüftmobilität zu arbeiten. Außerdem kannst du nicht wissen, ob deine Hüftstellung für solche Bewegungen gemacht ist. Niemand von uns hat Röntgenaugen. Demnach arbeite an den richtigen Stellen und du wirst merken, dass du dich verbessern wirst.
„Doing the right thing is always the right thing!”
2.3.3DIE KNIEBEUGENFORMEL
Um zu wissen, was du tun kannst, um eine tiefe Hocke zu lernen, möchte ich dir sowohl die Basics erklären als auch die typischen Fehlerbilder auseinandernehmen und daran aufzeigen, was ich aus der Arbeit mit hunderten Klienten gelernt habe, um jemandem die Kniebeuge näherzubringen. Starten wir mit der Basis. Denn, wie ich gerne zu sagen pflege:
Die Basis ist das Fundament jeglicher Grundlagen!
Wie ist mein Stand? Wie breit soll ich stehen? Wohin zeigen meine Füße?
Ich habe vor ein paar Jahren von meinem Gewichthebementor Björn Schinke (@strongmoveclub) einen kleinen Hack gelernt. Björn habe ich es zu verdanken, dass ich heute Gewichtheben kann und das vor allem dank seiner exzellenten Art zu coachen und mir Bewegungsbilder mitzugeben, die ich direkt umsetzen konnte und die bis heute geblieben sind. So auch der „Lucky Luke“:
•Du bist Lucky Luke, der schneller als sein Schatten schießt.
•Stelle dich mit deinen Füßen etwa eine Fußbreite voneinander entfernt auf.
•Stelle dir vor, dass du zwei Pistolen rechts und links im Holster hängen hast.
•Du zählst bis 3 (besser ist, dass ein Freund für dich zählt) und
•auf 3 greifst du beide Pistolen und schießt, während du deine Füße zur Seite setzt.
Der letzte Teil ist natürlich der entscheidende. Mache den Lucky-Luke-Drill 2-3-mal und schaue danach immer wieder auf deine Füße. Wenn du immer wieder eine ähnliche Position gefunden hast, hast du deine Standbreite gefunden. Einfacher geht es nicht! Danke noch einmal an Björn für diese Eselsbrücke!
Wie setze ich mich in eine Kniebeuge?
Hierbei gibt es wieder viele Wege, die nach Rom führen (oder besser die nach ROM führen).
Zurück zum Thema! Wenn du im Alltag in die Hocke gehst, wird der Bewegungsweg ein anderer sein, als beim Kniebeugen mit Gewicht.
Wenn du im Alltag eine Kniebeuge oder Hocke einnimmst, kannst du alle möglichen Variationen einnehmen, ohne auf bestimmte Dinge zu achten. Mehr dazu findest du in Kap. 2.6.
Solltest du deine Hocke allerdings mit einem Gewicht schwerer machen wollen, wie dies auch manche Übungen im Mobilityübungsabschnitt voraussetzen, achte auf folgende Punkte:
Außenrotation – drehe deine Knie nach außen, sodass diese über deinen zweiten und dritten Zeh zeigen (du solltest merken, wie sich dein Po anspannt).
Lange Wirbelsäule – behalte diese die ganze Zeit bei.
Atmung – atme in den Bauch ein und behalte die Rumpfspannung bei (besonders wichtig bei Kniebeugen mit Gewicht).
„Unlock your hips“ – schiebe deine Hüfte raus, als würdest du dich auf einen Stuhl setzen wollen (denke an die lange Wirbelsäule, nicht dein Becken kippen!
Beugung – statt dich aber nach hinten zu setzen, beugst du deine Knie und schiebst diese nach vorn.
Umkehrpunkt – wenn du dich, so weit es geht, nach unten gesetzt hast, behalte die Stabilität in der Körpermitte und strecke deine Knie durch, um aufzustehen.
Hierbei sollte die Hüfte nicht zuerst nach oben kommen (Stripper Squat), sondern dein Oberkörper inklusive Hüfte in einer Parallelverschiebung.
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