Die individuellen Voraussetzungen sind natürlich nicht unerheblich, wie du bereits in Kap. 3.3gelernt hast. So verhält es sich auch mit der Dauer, wie lange man braucht, um einen Spagat zu lernen. Die realistische Perspektive, um ansatzweise näherzukommen und dabei nicht seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen, beträgt ein Jahr.
Diese Einschätzung wird für manche viel zu weit gefasst sein und für manchen anderen viel zu ambitioniert sein. Dennoch ist es ein guter Mittelwert, um Verbesserungen wahrzunehmen.
3.4.1MEHR SPAGAT = BESSERE KNIEBEUGE
Wenn du dir die typischen Fehlerbilder des Spagats und der Kniebeuge aufmerksam durchgelesen hast, wird dir aufgefallen sein, dass diese sich sehr ähneln. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, je besser meine Kniebeuge wurde, desto besser mein Spagat und vice versa. Beide Bewegungen unterstützen sich gegenseitig.
Wenn du also gezielt an deinen Schwächen arbeitest, wirst du irgendwann ein exponentielles Wachstum an Beweglichkeitszuwachs erleben. Vorausgesetzt, alle anderen Kontextfaktoren, wie Regeneration, Stressmanagement und progressive Reizsetzung, sind gegeben.
Wie ich im CxM 1.0 in einem Diagramm bildlich dargestellt habe, verhält es sich mit dem Thema Mobilityfortschritt meist konträr zum Krafttraining. Wenn im Krafttraining anfänglich schon Erfolge gefeiert werden können, passiert beim Mobilitytraining lange nichts. Wenn man aber dranbleibt und konsequent seine Übungen durchzieht und seine Baustellen bearbeitet, wird es dir auch so mit deinem Spagat gehen. Wie du Mobility nun effektiv und effizient in dein Training integrierst, erfährst du in Kap. 4.
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4Mobility-Trainingsplanung
4.1DIE GOLDENEN REGELN DES MOBILITYTRAININGS
Bevor wir ans Eingemachte gehen und über die Trainingsplanung per se sprechen, müssen wir Rahmenbedingungen festlegen, die es immer einzuhalten gilt. Quasi die goldenen Regeln des Mobilitytrainings.
4.1.1KEINE SCHMERZEN PROVOZIEREN!
Es gibt ein paar Gurus in den sozialen Medien, die propagieren, dass man bis zu einer Schmerzgrenze von 8/10 gehen dürfe, ab 9 sei aber schädlich. Der Österreicher würde das einen „Schmarrn” nennen.
Wie soll ein Patient mit schlechtem Körpergefühl den Unterschied zwischen einer 8 und einer 9 wahrnehmen?
Das fördert nur Unsicherheit. Außerdem ist es absolut kontraproduktiv, das Schmerzgedächtnis immer wieder mit der Information des Schmerzes zu füttern.
Wie bereits erwähnt, ist Schmerz ein sehr komplexer Vorgang, den wir aktuell nur ansatzweise erklären können. Dennoch gehen Modelle wie das Schmerz-Neuromatrix-Modell unter anderem darauf ein, dass die sensorische Information des Schmerzes ebenso bedeutsam ist wie die damit verbundene Emotion. Du kannst dich einmal selbst fragen, welche Gefühle du mit körperlichen Schmerzen assoziierst.
Sorgst du also dafür, dass du immer wieder diese Emotionen hervorrufst, indem du den Schmerz provozierst, wirst du auf mehreren Ebenen dafür sorgen, dass dein Schmerzmuster fortbestehen bleibt. Dein Körper und dein Nervensystem lernen ständig. Also bringen wir ihm lieber so oft wie möglich schmerzfreie Bewegungen bei. Regel Nummer eins lautet also: Provoziere keinen Schmerz!
„Where focus goes energy flows!”
Wer ein Ziel hat, hat eine Richtung. Wer eine Richtung hat, findet einen Weg. Wer einen Weg hat, hat eine Mission. Wenn du weißt, warum du dich jeden Tag bewegst, wird es dir leichter fallen, zu trainieren. Elon Musk sagte einmal: „Wenn du Motivation brauchst, mache es nicht!”So banal diese Lebensweisheit auch klingt, so wahr ist sie auch.
An manchen Tagen habe ich keine Lust, mich zu bewegen, weil ich so ausgelaugt von der ganzen Arbeit bin, dass ich mich nicht mehr auf den Weg ins Gym machen will. Doch ich weiß genau, selbst wenn es nur eine 30-minütige Mobilitysession war, geht es mir danach besser. Ich brauche nicht jeden Tag Motivation, um meine Bewegung durchzuziehen, weil ich weiß warum und wofür ich es mache.
Mein Ziel ist es, einen athletischen, ästhetischen, starken, beweglichen und schmerzfreien Körper zu haben, mit dem ich alles machen kann. Sei es, neue Sportarten auszuprobieren, jeden Tag mental fit und voller Energie zu sein oder um im Urlaub lange Wanderungen zu machen und besondere Orte zu sehen, an denen ich ein cooles Handstand-Touri-Bildmachen kann.
„Wer sein ‚Warum?‘ kennt, kann jedes ‚Wie?‘ ertragen!”
Im letzten Buch habe ich immer wieder erwähnt, dass Mobility wie Krafttraining ist, nur in die andere Richtung. Damit meine ich, dass dieselben Prinzipien gelten, um beweglicher zu werden, wie beim Stärkerwerden. Du brauchst die regelmäßige Wiederholung eines progressiv-überschwelligen Reizes. Intensität ist entscheidend.
Bewege dich abwechslungsreich, arbeite an deinen Schwächen und mache sie zu Stärken. Mehr zum Thema Trainingsplanung im Calisthenics kannst du in Moniques Abschnitt nachlesen. Nachfolgend stelle ich dir die sinnvollste Einteilung deines Mobilitytrainings vor.
4.1.4ES SOLLTE SPASS MACHEN
Um an den Punkt zu kommen, dass Training, Mobility und körperliche Entfaltung zum Selbstläufer werden, wirst du nicht drum herumkommen, auch mal fünf gerade sein zu lassen. Etwas, das mir persönlich sehr schwerfällt.
Ein Trick, der mich aus meinem Antriebsmodus herausholt, ist, mich einfach mal wieder aus Spaß und Freude zu bewegen. Den Fußball einzupacken und kicken zu gehen. Mich auf eine Wiese zu legen und mich frei zu bewegen, statt rigide meinen Mobilityplan abzuarbeiten. Improvisation halt.
Nimm dir immer wieder Zeit für dich und lasse der Bewegung freien Lauf. Die Einheiten, nach denen ich mich am beweglichsten gefühlt habe, waren die, die ohne Plan einfach so entstanden sind. Dadurch wirst du lernen, die Bewegungsintelligenz, die du durch Mobilitytraining aufbaust, zu nutzen und umzusetzen.
4.2DAS MOVING MONKEY®-MOBILITY-SYSTEM
Ich habe in den letzten Jahren sehr viel zum Thema Beweglichkeit gelesen und experimentiert. Sei es durch Seminare, Bücher, Videos, Studien oder Blogartikel. Dabei habe ich vor allem immer nach einem System gesucht, das mir klar aufzeigt, wie ich Mobility sinnvoll in mein Training integrieren kann.
Da ich nichts finden konnte, habe ich mich dazu entschlossen, über viele Coachings, Seminare und eigenes Training ein eigenes System zu entwickeln, um Klarheit für dich zu schaffen.
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