Kreon, Herrscher in Theben
Kreon ist nicht die titelgebende Figur der Tragödie und auch nicht die thematisch wichtigste, wohl aber die Hauptrolle, von der die meisten Aktionen ausgehen. Das ist schon daran zu erkennen, dass er den höchsten Redeanteil aller Figuren und die größte Bühnenpräsenz hat.
Kreon hatte nach der Verbannung des Ödipus schon einmal die Herrschaft in Kreon und das thebanische HerrscherhausTheben inne, überließ sie dann den herangewachsenen Söhnen des Ödipus, Polyneikes und Eteokles, und ist nun wieder Herrscher, nachdem sich die Brüder am Tag zuvor im Kampf gegenseitig getötet haben. Kreon verfügt also über Regierungserfahrung. Beim Ältestenrat ist er anerkannt. Auch Teiresias, der blinde Seher, steht als Ratgeber wieder, wie früheren Herrschern auch schon, zur Verfügung.
Als Sohn des Menoikeus und als Bruder der Iokaste, die zuerst mit König Laios, dann mit König Ödipus verheiratet war, hat Kreon immer zum Herrscherhaus von Theben gehört. Die Kinder des Ödipus sind seine Nichten und Neffen. Er selbst ist mit Eurydike verheiratet. Von seinen Kindern werden Megareus und Haimon namentlich erwähnt. Seinen Sohn Megareus opferte Kreon der Stadt, um einen Orakelspruch zu erfüllen, der ihm glückliches Gelingen in Aussicht stellt. Haimon, den jüngeren Sohn, verliert er als Folge seiner unerbittlichen Verfügungen über die Nichtbestattung des Polyneikes und die Verurteilung der Antigone.
Kreon geht darin auf, Kreon als HerrscherHerrscher zu sein. Er ist zweifellos rechtmäßiger König, ist pflichtbewusst und hat früher schon, wie vom Ältestenrat und auch Teiresias anerkannt wird, die Stadt gut geführt. Die Stadt, die Polis, ist zentraler Punkt seines Denkens und Handelns. Von ihr oder über sie sagt er, »dass / nur sie es ist, die uns beschützt, und dass wir nur, / wenn sie nicht wankt auf unsrer Fahrt, uns Freunde schaffen« (V. 188 ff.). Fraglich ist nur, wie diese rechte Bahn aussieht und wie sie zu finden ist.
Kreon ist fest davon überzeugt, dass er mit seinen Geboten und Verfügungen den rechten Weg kennt und dass er absoluten Gehorsam erwarten kann. Er versteigt sich zu der Äußerung: »Gilt denn der Staat nicht als des Herrschers Eigentum?« (V. 738). Nicht nur Haimon widerspricht ihm in diesem Punkt. »Ein-Mann-Herrschaft«Längst hat Antigone seine Art zu herrschen als tyrannís (»Ein-Mann-Herrschaft«, V. 506) gekennzeichnet. Später wird ihn auch Teiresias einen týrannos (übersetzt mit »Herrscher«, V. 1056) nennen. Er selbst bestätigt indirekt das Urteil, indem er jeden Widerspruch unterdrückt und sofort ein Komplott vermutet, wo jemand eine Meinung äußert, die seiner Auffassung entgegengesetzt ist. Ein Urteil zu revidieren kommt ihm nicht so leicht in den Sinn. Er reagiert vielmehr zornig und mit Drohungen und Verfluchungen, wenn man ihn korrigieren will.
Erst als er das Ergebnis seines Eigensinns vor Augen hat, als er Haimons Leiche zum Palast trägt und man ihm dort die Leiche Eurydikes zeigt, Kreons Wehklageklagt er:
»Weh mir! Nie kann auf einen anderen Sterblichen
abgewälzt werden von mir diese Schuld!
[…]
bringt schleunigst mich fort, schafft mich aus dem Weg,
mich, der nicht mehr ist als ein Niemand!«
(V. 1317–25)
Der selbstherrliche Tyrann ist gestürzt – ob durch eigene Schuld oder durch das Schicksal, bleibt dahingestellt.
Antigone, Tochter des Ödipus und der Iokaste
Antigone, die titelgebende Figur der Tragödie, ist Bürgerin Thebens, die weder die Regierungsbefugnis Kreons noch die Gesetze der Stadt anzweifelt. Antigone und das thebanische HerrscherhausSie ist verlobt mit Haimon, dem jüngeren Sohn Kreons und Eurydikes, lebt also in gesicherten Verhältnissen – bis zu dem Augenblick, in dem sie sich ganz in den Dienst des toten Bruders Polyneikes stellt, der von Kreon als schimpflicher Verräter und überwundener Feind angesehen und entsprechend behandelt wird, in dem sie aber allein den unglücklichen Bruder sieht, der nicht einmal im Hades seinen Frieden findet, wenn er nicht den überlieferten Riten entsprechend beerdigt wird.
Nichts und niemand kann Antigone daran hindern, ihrem toten Bruder trotz Kreons Verbot die letzte Ehre zu erweisen. Trotzig wird sie die Handlung allein vollziehen, wenn ihre Schwester Ismene ihr nicht aus eigener Überzeugung hilft. Sie erklärt: »[…] ihn / begrab ich. Schön ist mir nach solcher Tat der Tod. / Lieb werd ich bei ihm liegen dann, dem Lieben, / nach frommer Freveltat« (V. 71–74). Antigone und die höheren GesetzeFür sie gibt es höhere Gesetze als die Anordnungen Kreons; der Tod schreckt sie nicht; nicht einmal ihren Verlobten berücksichtigt sie in ihren Erwägungen, wenn es um den toten Bruder geht.
Zweimal beerdigt sie Polyneikes – einmal heimlich und nur symbolisch, indem sie Staub über die Leiche streut, und ein zweites Mal ausgiebig mit den üblichen Zeremonien. Antigones »schroffe Art«Sie gesteht stolz die Tat – »des schroffen Vaters schroffe Art / im Kind« (V. 471 f.), meint einer der Ältesten –, und sie erklärt Kreon gegenüber: »So ist für mich, dass dies Geschick ich leide, / ein Nichts an Schmerz« (V. 465 f.).
Auf Anordnung Kreons in ein Grabgewölbe gesperrt, erhängt sich Antigone, stirbt so, wie ihre Mutter einst starb, jedoch im Bewusstsein, recht getan zu haben.
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