Theodor Fontane
Irrungen, Wirrungen
Lektüreschlüssel XL
für Schülerinnen und Schüler
Von Volker Ladenthin und Mario Leis
Reclam
Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe:
Theodor Fontane: Irrungen, Wirrungen. Roman . Hrsg. von Wolf Dieter Hellberg. Stuttgart: Reclam, 2013 [u. ö.] (Reclam XL. Text und Kontext, Nr. 19038).
Diese Ausgabe des Werktextes ist seiten- und zeilengleich mit der in Reclams Universal-Bibliothek Nr. 19601.
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Lektüreschlüssel XL | Nr. 15508
2019 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2019
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961502-8
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015508-0
www.reclam.de
Im Mittelpunkt des Romans steht ein Liebespaar: die Kleinbürgerin Magdalene (Lene) Nimptsch und der adelige Offizier Botho von Rienäcker. Ihre Liaison ist skandalträchtig, weil sie alles andere als standesgemäß ist. Das Liebespaar genießt ein paar Monate seine erotischen Abenteuer und sein Glück, aber dann trennt sich Botho von Lene, weil seine Familie finanziell bankrott ist und nur die Heirat mit seiner vermögenden Kusine Käthe von Sellenthin Rettung verspricht.
Botho könnte zwar auch eine Mesalliance, eine sogenannte Missheirat, mit Lene eingehen, aber er ist zu feige und fügt sich in die Gesellschaftsordnung ein, um seine Familie zu retten. Er Liebesverzicht verzichtet auf die Liebe seines Lebens: »Ob ich nun frei bin? … Will ich’s denn? Ich will es nicht.« (S. 158) Nicht die freie Entscheidung – die möglich war – und Zuneigung bestimmen sein Handeln, sondern Konventionen und ökonomische Zweckmäßigkeit: Botho will gar nicht frei sein, sondern sozial reüssieren. Sein Leben scheitert nicht an der Gesellschaft, sondern an seinem Unwillen, die durchaus mögliche, aber unbequeme Freiheit zu wählen. Schließlich heiratet er seine Kusine, die »[w]undervolle Flachsblondine mit Vergissmeinicht-Augen« (S. 52 f.). Sie ist die lebendig gewordene Kopie der gesellschaftlichen Konventionen, die sie perfekt mit ihrer oberflächlichen Art und ihren Redensarten verkörpert.
Die Heldin des Romans ist Lene. Sie bleibt realistisch, sie erwartet keine langfristige Beziehung oder gar Heirat, die ihr, so erklärt sie selbst, standesgemäß nicht zustehe. Aber sie liebt innig: »Wenn ich einen liebe, dann lieb ich ihn. Und das ist mir genug.« (S. 20) Als Botho sich von ihr trennt, bleibt sie tapfer und Lene ist authentisch und souverän authentisch, gleichwohl ist dieser Verlust traumatisch für sie, aber ihr gelingt es, sich wieder neu in die Gesellschaft einzugliedern: »Wenn man schön geträumt hat, so muss man Gott dafür danken und darf nicht klagen, dass der Traum aufhört und die Wirklichkeit wieder anfängt.« (S. 105) Sie heiratet schließlich Gideon Franke, einen braven und etwas kauzigen Mann, der aber untadelig ist und seine Prinzipien selbstbewusst vertritt.
Als Käthe die Heiratsannonce vorliest, die Lenes und Frankes Verehelichung kundtut, spöttelt sie über den befremdlichen Vornamen »Gideon«. Ihr geschockter Ehemann Botho erklärt daraufhin – im letzten Satz des Romans – seine zweideutige Bankrotterklärung: »Gideon ist besser als Botho.« (S. 180)
Der Roman lässt sich in zwei Teile gliedern: Der erste Teil umfasst die Kapitel 1–16 und beschreibt Anfang, Verlauf und Auflösung der Liaison zwischen Botho von Rienäcker und Magdalene Nimptsch. Der zweite Teil umfasst die Kapitel 17–26 und erzählt von der Verlobung, Heirat und Ehe Bothos und Käthes.
Erster Teil
1. Kapitel: Frau Nimptsch, Frau Dörr, Botho und Lene
Der Roman beginnt mit der Vorstellung des künftigen Der Schauplatz Schauplatzes, Berlin, genauer: Wilmersdorf, in der Nähe des Zoologischen Gartens, wo sich eine Gärtnerei und nebenan ein recht ärmliches Anwesen befindet. Die Handlung trägt sich »Mitte der 70er Jahre« (S. 5) des 19. Jahrhunderts zu; die Erzählung setzt »die Woche nach Pfingsten« (S. 5) ein.
Abb. 1: Schauplätze des Romans
Der nächste Abschnitt stellt die Die Hauptfiguren Hauptfiguren vor, die alte, etwas kränkliche Frau Nimptsch sowie die Nachbarin, die Frau des Gärtners Dörr, eine »robuste […] vor allem auch eine sehr stattlich aussehende Frau«, die nicht nur den »Eindruck des Gütigen und Zuverlässigen«, sondern auch »einer besonderen Beschränktheit machte« (S. 6). Frau Nimptsch und ihre Nachbarin Dörr reden über die Hauptfiguren des Romans: Frau Nimptschs »Pflegetochter« Lene und ihren Freund Botho. Viele kleine Hinweise deuten darauf hin, dass sowohl Frau Dörr wie auch Frau Nimptsch die Liaison zwischen Lene und dem Baron für problematisch halten. Offensichtlich geht es darum, ob sich aus der Liebschaft eine Heirat ergeben könnte. Frau Dörr, die vor vielen Jahren eine sexuelle Beziehung mit einem Grafen hatte, fragt unverblümt: »Und wie steht es denn?« (S. 7)
2. Kapitel: Lenes Wohnumfeld
Das nächste Kapitel stellt hauptsächlich die Wohnsituation, die »Welt von Baulichkeiten« (S. 9) von Frau Nimptsch und den Dörrs vor, und damit den Der psychosoziale Hintergrund psychosozialen Hintergrund Lenes: Sie wohnen in einer »höchst primitive[n] Herrichtung« (S. 9). Im Winter muss das Ehepaar Dörr sogar in zwei Treibhäusern neben der Gärtnerei leben, weil es dort wärmer ist.
Herr »Trivialerscheinung«: Herr Dörr Dörr ist »eine vollkommene Trivialerscheinung« (S. 11) mit diversen Macken. Mit im Haushalt lebt sein aus erster Ehe stammender, »etwas geistesschwache[r] Sohn« (S. 9).
3. Kapitel: Botho und Lene, ein Liebespaar
Der Autor stellt die Lebensumstände und Charaktereigenschaften des Ehepaars Dörr vor: Einfache, aber rechtschaffene Besitzer einer kleinen Gärtnerei – wobei Herr Dörr als jemand erscheint, der ein klein wenig zu Boshaftigkeiten und kleinen Schummeleien neigt, um mehr Geld zu verdienen.
Später plaudern Lene und Frau Dörr ein wenig, wobei sie schnell auf Lenes Liebschaft zu Botho zu sprechen kommen. Botho und Lene, die Vorgeschichte Lene erzählt, wie es am »zweiten Ostertag« (S. 17) zu ihrer ersten Begegnung kam: Sie war mit ihrer Freundin Lina Gansauge und ihrem Bruder Rudolf auf dem See bei Stralau, als sie durch ungeschicktes Rudern in eine bedrohliche Lage gerieten. Zwei beherzte junge Männer, die von einem anderen Ruderboot aus schon dezent Kontakt mit der Dreiergruppe aufgenommen hatten, retteten sie. Am Abend brachten die beiden adeligen Retter die beiden Mädchen mitsamt Bruder nach Hause. »Und seitdem ist er oft gekommen« (S. 19).
Frau Dörr erspürt, dass sich hier schnell Schwierigkeiten und Enttäuschungen ergeben könnten und empfiehlt Realismus und Duldsamkeit: »Un natürlich, was denn kommt, das muss man aushalten un darf sich nicht wundern.« (S. 19) Tatsächlich bleibt Lene Lene weiß um ihr befristetes Liebesglück realistisch, sie erwarte keine langfristige Beziehung oder gar Heirat, die ihr ohnehin nicht zustehe. Aber: »Wenn ich einen liebe, dann lieb ich ihn. Und das ist mir genug.« (S. 20)
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