Währenddessen erholt sich Lene von der eher psychosomatischen Unpässlichkeit und betrachtet die im Zimmer aufgehängten Bilder. Sie deutet sie als Anspielungen auf ihre Beziehung zu Botho: Von Bildern mit frivolen Inhalten fühlt sie sich pikiert; als sie fremdsprachige Bildunterschriften nicht lesen kann, ahnt sie die kulturelle Kluft zwischen Lene und Botho Distanz zu ihrem Liebhaber, der diese Auffassung allerdings zuvor leutselig bespöttelt hatte. Trotz dieser Irritationen scheint sie glücklich, als sie sich zur Nacht bereitet, ihr Haar löst und Botho das Zimmer betritt.
13. Kapitel: »Hankels Ablage« – Mätressen-Intermezzo
Lene und ihr Liebhaber kommen zum Frühstück aus ihrem Zimmer, und sie genießt diese Stunde, als wenn es die letzte schöne wäre. Botho äußert sich zum Wirt anspielungsreich über die letzte Nacht. Auf einem kleinen Rundgang betrachtet Lene ein alt gewordenes Ehepaar, eine in Arbeit versunkene Magd und erklärt, dass all dies für sie »Zeichen« und »Fügung« (S. 84) seien.
Botho und Lene beschließen, eine Bootspartie zu unternehmen, aber gerade als sie ablegen wollen, erscheinen die drei innigsten Freunde Bothos, Balafré, Pitt und Serge, mit ihren Liebhaberinnen – sei es zufällig oder als »eine geplante« (S. 85) Störenfriede Störung. Übermütig und frivol stellen die drei Männer ihre Freundinnen als Figuren aus Schillers Schauspiel Die Jungfrau von Orleans vor, Liebschaften, die aber alles andere als jungfräulich sind, eben Huren.
Botho spielt sofort das Spiel seiner Freunde mit und nennt seine Geliebte »Agnes Sorel« (S. 85), eine berühmte Mätresse, was Lene aber nicht merkt, da sie die Anspielung nicht versteht.
Die drei Lene und die drei Mätressen Frauen nehmen Lene als ihresgleichen in ihre oberflächliche Gemeinschaft auf und sondern sich von den Männern ab, um ein opulentes Mittagessen mit dem Wirt zu besprechen und einen kleinen Spaziergang durch die Natur zu unternehmen. Die Ältere der Neuankömmlinge erklärt mit »kleinen Anzüglichkeiten« (S. 87), dass man sich nur für eine bestimmte Dauer mit den Männern eingelassen habe. Serge versuche zwar, seine Freundin aus dem angestammten Milieu herauszuholen und etwas aus ihr zu machen, sie selbst aber bestehe auf »Ordnung und Anständigkeit« (S. 91) der tradierten Gesellschaftsverfassung. Sie erwarte dabei zwar durchaus eine angemessene finanzielle Anerkennung, aber keinesfalls eine langfristige Bindung: »je bälder man wieder ’raus ist, desto besser.« (S. 91) Da bemerkt sie schlagartig, dass Lene das nicht so sieht, sondern mit dem Herz dabei ist. Die beiden anderen Mädchen lästern über Lene, weil diese ihr kokettes Spiel ablehnt.
14. Kapitel: »Hankels Ablage« – Ende der vermeintlichen Idylle
Durch das Intermezzo ist die zärtliche Stimmung zwischen Botho und Lene gestört und will sich auch auf der Rückfahrt der beiden nach Berlin nicht wieder einstellen. Die Wende in der Beziehung ist eingetreten. Lene will vom Bahnhof allein nach Hause gehen, aber trotzdem begleitet Botho sie, was aber nur zu einer »schreckliche[n] Zwangsunterhaltung« (S. 94) führt.
Am nächsten Morgen erhält Botho einen Brief von seiner Brief von Bothos Mutter Mutter, die ihm darlegt, dass der wirtschaftliche Ruin bald zu befürchten sei. Der Onkel Kurt Anton Osten mache eine weitere Unterstützung davon abhängig, ob Botho in die Verheiratung mit Käthe von Sellenthin einwillige. Zudem habe die Mutter Käthes angedeutet, dass sie nicht gewillt sei, noch länger auf eine Entscheidung Bothos zu warten: Er müsse sich jetzt entscheiden.
Auf einem Ausritt reflektiert Botho in einem Monolog noch einmal seine Situation und wägt die verschiedenen Argumente ab, um sich zwischen wirtschaftlicher Klugheit und seiner Liebe zu Lene zu entscheiden. Am Ende wählt er die »Ordnung« (S. 102), d. h. die standesgemäße und finanziell ergiebige Ehe mit Käthe.
15. Kapitel: Botho trennt sich von Lene
Erst am nächsten Morgen schreibt er Lene eine kurze Nachricht, in der er erklärt, dass es die Umstände seien, die ihn zu der Trennung zwingen. Am Abend treffen sich Botho und Lene, und er versucht eine Art Entschuldung für sein Verhalten zu erreichen, die ihm Lene auch gibt: Von aller Schuld »sprech ich dich frei« (S. 105). Sie hingegen verweist darauf, dass sie das Ende »von Anfang an« habe »kommen sehn« (S. 105).
Während Botho sich als Botho als Opfer?Opfer der Verhältnisse darzustellen versucht, stellt Lene souverän fest: »Alles war mein freier Entschluss.« (S. 105) Schließlich verabschiedet Botho sich von Frau Nimptsch; ihr gegenüber stellt er sich auch als Opfer dar. Sie indes schickt sich wortlos in das, was sie immer gewusst hatte: »Dass es so gut sei.« (S. 106) Am Gartenzaun versucht Botho, den endgültigen Abschied von Lene noch ein wenig hinauszuzögern, aber sie wehrt dies »heftig mit der Hand« (S. 107) ab.
16. Kapitel: Käthe und Botho heiraten
In der Kreuzzeitung wird die Vermählung Botho Freiherr von Rienäckers mit Käthe, geborene von Sellenthin, angezeigt. Lene bekommt die Anzeige in einem Briefumschlag anonym zugeschickt, vermutlich von einer »neidische[n] Kollegin« (S. 108).
Bothos und Käthes Hochzeitsreise Hochzeitsreise führt nach Dresden. Er scheint vordergründig mit seiner Gattin zufrieden zu sein, denn so »leuchtend und hellblond« (S. 108) sie ist, so erscheint auch ihr Wesen. Aber dennoch muss Botho erkennen, dass das Gemüt seiner Frau »lediglich am Kleinen und Komischen« hängt (S. 108). Auf der Heimfahrt stellt er sie auf die Probe, er fragt sie, was ihr in Dresden am besten gefallen habe. Käthe durchschaut durchaus seine prüfende Absicht, kokettiert ein wenig mit der Antwort, um dann eine überfüllte Konditorei, ein Lustspieltheater und zwei fragwürdige Gemälde zu nennen – eine Antwort, deren Naivität um so mehr wiegt, als Dresden zu jener Zeit eine an bedeutsamen Kunstwerken übervolle Barockstadt war, die in Europa ihresgleichen suchte.
Die Jungverheirateten ziehen in eine Das Ehepaar in der neuen Stadtwohnung Stadtwohnung in der Landgrafenstraße ein. Bei dem Versuch, sich zu orientieren, fragt Käthe Botho nach dem angrenzenden Dörfchen Wilmersdorf und versteht nicht, warum er bei der Beantwortung dieser scheinbar harmlosen Frage ins Stottern gerät. Ihre Wohnung ist »keine tausend Schritt« (S. 111) von dem Haus der Nimptschs entfernt – wo Lene noch immer wohnt. Und sie pflegt, um ihre Besorgungen zu machen, durch die Landgrafenstraße zu gehen, ahnungslos, dass dort Botho mit seiner Frau lebt.
Lene kommt von einer Besorgung zurück und Lene sieht zufällig Käthe und Botho sieht Botho und Käthe auf sich zukommen, die in ein lautes und offensichtlich heiteres Gespräch vertieft sind. Schnell wendet sie sich ab und betrachtet belanglose Auslagen eines Geschäftes. Botho und Käthe gehen an ihr vorbei. Dabei bekommt sie mit, dass die beiden in der Tat scherzen. Lene muss den Eindruck gewinnen, dass sich Botho in seine von der Gesellschaft zugedachte Rolle gefügt hat – und dass die beiden offensichtlich eine glückliche, ja heitere Ehe führen. Sie ist völlig niedergeschlagen, sie muss sich in einem fremden Vorgarten beruhigen, geht nach Hause »ohne Bewusstsein dessen, was um sie her vorging« (S. 114).
Lene schleppt sich mit letzter Kraft nach Hause, wo Frau Nimptsch sofort die »Veränderung in Lenens Gesicht« (S. 114) bemerkt, als diese sich »wie halbtot« (S. 114) hinsetzt. Frau Nimptsch ruft in ihrer Hilflosigkeit die robuste Frau Dörr zu Hilfe, die Lene mit allerhand Hausmitteln zu helfen sucht. Freilich wird beiden Frauen schnell klar, dass hier psychische und nicht organische Ursachen für den Schwächeanfall anzunehmen sind: »Von die Männer kommt es.« Deshalb sei sie »dod und lebendig.« (S. 115)
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