»Wir können es uns nicht leisten zuzusehen, wie diese Organisation mehr dieser Technologien erbeutet, ausbaut und sie für ihre zwielichtigen Zwecke einsetzt oder an Schurkenstaaten verkauft.«
Reid beugte sich vor. »Acheron ist also der Gegner, den wir ausknipsen sollen?«
Die Präsidentin schüttelte den Kopf. »Nein, ich möchte, dass Sie die Hinterlassenschaften und das Vermächtnis G-Dawns aufspüren und für uns bergen, damit die nicht in die falschen Hände geraten können. Egal, ob in Acherons oder die anderer Organisationen und Mächte. Ladys und Gentlemen, ich habe noch dringende Staatstermine. Daher bitte ich Sie, mich jetzt zu entschuldigen. Alex wird alle weiteren Details mit Ihnen besprechen.«
Gainsborough erhob sich. Sofort schnellten auch alle anderen anstandshalber in die Höhe und warteten, bis die Präsidentin den Raum verlassen hatte. Danach nahmen sie einer nach dem anderen wieder Platz. Auch Patterson setzte sich nun, auf den Stuhl, auf dem das US-Staatsoberhaupt zuvor gesessen hatte.
»Ich will nichts beschönigen«, sagte er. »Wir haben nicht viel Zeit, denn Acheron ist uns schon in vielen Dingen zuvorgekommen. Deswegen kann ich Ihnen nicht sehr viel Bedenkzeit einräumen. Sie bekommen ein in meinen Augen fürstliches Honorar. Dank unserer Investoren spielt Geld nur eine unterordnete Rolle und der Tech-Konzern, den wir bereits von G-Dawn infiltrieren konnten, wirft die Gewinne direkt in unsere Tasche. Also …?«
Er ließ seinen Blick aufmerksam in die Runde schweifen, verharrte bei jedem kurz und wanderte dann weiter. Cycle war verwirrt. Er meinte, sie sollten sich jetzt entscheiden?
Die Blonde neben Hutchinson schien den gleichen Gedanken zu haben und sprach ihn laut aus.
»Ja, so sieht es aus.« Patterson grinste.
»Nicht Ihr Ernst, oder?«, fragte Hutchinson.
»Ich habe mich bereits entschieden«, sagte Irina. »Bin dabei.«
»Ich auch.« Bozena nickte. »Aber das wissen Sie ja bereits.«
»Mr Keller?« Der Stabschef blickte Cycle an. Als er nicht reagierte, ergänzte er: »Da Sie bereits mit Miss Bocanová und Mrs Stylez zusammengearbeitet haben, gehe ich davon aus, dass Sie sich uns auch anschließen werden.«
Cycle sagte noch immer nichts und bekam einen Stoß von Irina in die Seite.
»Ich …«
Noch ein Knuff von Bozena in die andere Seite.
»… bin dabei.«
»Fein.« Pattersons Blick wanderte zu den anderen drei Anwesenden, während Cycle verständnislos zuerst Irina und dann Bozena ansah. Wofür genau hatte er sich gerade freiwillig gemeldet?
»Lassen Sie uns erst einen Blick auf die Konditionen werfen«, sagte Reid.
»Er hat recht«, stimmte Hutchinson zu. »Die Katze im Sack zu kaufen, war noch nie mein Ding.«
Der Stabschef zog ein Smartphone aus seiner Jacke und tippte etwas hinein. Er runzelte die Stirn, schürzte die Lippen, pfiff vor sich hin und schnitt dann eine Grimasse, die alles besagen konnte in dem Zusammenhang, aber wahrscheinlich bedeutete, dass die Anwesenden zufrieden sein konnten. »Sagen wir so, wir verfünffachen den Sold, den Sie bei Ihren bisherigen Einheiten erhalten haben, inklusive aller Orts-, Gefahren- und Sonderzulagen. Für die anderen Herrschaften, die bereits im privaten Sektor gearbeitet haben, bedeutet es immerhin noch eine dreifache Erhöhung der bisherigen Bezüge.«
Cycle wurde heiß und kalt. Er rechnete im Kopf und befand, dass es sich durchaus lohnte, zugestimmt zu haben. Wenn er auch kaum Möglichkeiten hatte, so viel Geld überhaupt ausgeben zu können, wenn man ihn mit Missionen auf Trab hielt.
Hutchinson pfiff durch die Zähne. Reid ließ sich nichts anmerken. Helms bekreuzigte sich seltsamerweise vor der Brust, was Cycle irritierte.
Das Smartphone in Pattersons Hand vibrierte. Er zog die Brauen hoch und stand auf. »Da muss ich rangehen«, sagte er und wandte sich zur Tür. »Wenn Sie zusagen, können Sie theoretisch morgen anfangen, aber die Sache ist auch mit einem Umzug verbunden. Ich weiß, dass Sie alle quer übers Land verteilt leben. Die Basis, die wir für das neue Team nutzen, befindet sich allerdings nicht auf amerikanischem Boden.«
»Sondern?«, fragte Cycle.
Patterson schritt über die Türschwelle.
»New Brunswick«, hörten sie ihn noch sagen, ehe die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. »Kanada.«
* * *
Die Adresse 3101 Chain Bridge Road NW in Washington D. C. lag in der Nähe des Batterly Kemble Parks in einer etwas vornehmeren Wohngegend. Normalerweise patrouillierten die Officers Jodie Powers und Miles Cook von der Metropolitan Police nicht in diesem Gebiet, aber sie waren auf dem Rückweg von einem anderen Einsatz weiter nördlich gerade in der Nähe gewesen und von der Einsatzzentrale hierherbeordert worden.
»Ich esse keine Donuts«, sagte Powers und verschränkte auf dem Beifahrersitz des Streifenwagens die Arme vor der Brust.
»Nun hab dich nicht so. Klischee hin oder her, dort gibt es die besten Donuts, die man für Geld kaufen kann.«
»Ich mag keine Donuts«, beharrte die Polizistin.
Cook verdrehte die Augen. »Wie kann man nur so stur sein? Alle essen Donuts, nicht nur Cops.«
Powers machte ein Geräusch, das sich wie die entweichende Luft eines Reifens anhörte. »Ich gehe auch nirgendwohin, wo man mich zwingt, Donuts zu essen.«
»Sturkopf.« Cook hielt den Wagen am Straßenrand, als sie die von der Zentrale angegebene Adresse erreicht hatten. »Dann gehen wir eben zu Rick’s Oceanbar und es gibt fangfrischen Hummer.«
Er sah den angewiderten Blick seiner Kollegin und wusste, dass er einen empfindlichen Nerv getroffen hatte.
»Vielleicht esse ich doch Donuts.«
Cook verkniff sich ein Grinsen, triumphierte jedoch innerlich. Er wies mit einem ausgestreckten Arm zu dem Anwesen. »Hier hat jemand richtig Asche. Schau dir diesen Palast an.«
»Ich möchte hier nicht wohnen«, sagte Powers. »Überleg mal, wie lange du mit Putzen beschäftigt bist.«
Cook lachte. »Wer sich so eine Hütte leisten kann, hat sicherlich auch eine Heerschar an Bediensteten, die die Arbeit für ihn erledigen. Okay, schauen wir mal. Wir sollen nach dem Rechten sehen. Hier wohnt eine … Moment. Hier steht nur Black.«
»Mr oder Mrs Black?«
Cook zuckte die Achseln. »Kein Vorname angegeben. Einfach nur Black. Das ist merkwürdig.«
»Ich schau mir das mal an«, sagte Powers, schnallte sich ab und öffnete die Tür.
»Warte.« Doch sie war schon ausgestiegen und schlenderte zu dem schmiedeeisernen Tor im das Grundstück umgebenden Zaun zu. Cook fluchte und griff nach dem Funkgerät. Er meldete der Zentrale, dass sie am Einsatzort eingetroffen waren und jetzt anklingeln würden. Power war bereits auf dem Grundstück. Er eilte ihr hinterher.
»Nun warte doch.«
Als er das Tor erreichte, stand sie vor der Tür und läutete. Sie faltete die Hände ineinander, trat ungeduldig auf der Stelle und sah sich nach allen Seiten um. Cook erreichte seine Partnerin, die genau in diesem Moment noch einmal klingelte.
»Niemand da?«, fragte er.
Sie zuckte die Achseln. »Ungewöhnlich bei so einem Anwesen. Die haben doch sicherlich eine Schar Diener.«
Cook schirme seine Augen mit einer Hand ab und warf einen Blick durch die kleinen Fenster neben der Tür.
»Und?«
»Ich kann nichts sehen …«
Powers streckte die Hand aus, um ein drittes Mal zu läuten.
»Warte mal …«
Ihr Zeigefinger näherte sich der Klingel.
»Hey, das … NICHT!«
»Was …?« Zu spät. Officer Jodie Powers berührte den Knopf. Ein Funke zündete. Feine elektrische Entladungen züngelten um ihre Fingerkuppe. Reflexartig zog sie die Hand weg und rief noch: »Au!«, ehe sie und ihr Kollege die Feuersbrunst erblickten, die, ausgelöst durch eine Explosion, von der anderen Seite der Tür genau auf sie zugefegt kam. Die Flammenwand schoss durch Glas und Holz des Eingangs und verzehrte die beiden Polizisten, ehe sie überhaupt die Hitze, Druckwelle oder die Glas- und Holzsplitter zu spüren bekamen.
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