Eine Veröffentlichung des
Atlantis-Verlages, Stolberg
Juni 2021
Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin
Titelbild: Mark Freier
Umschlaggestaltung: Timo Kümmel
Lektorat und Satz: André Piotrowski
ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-779-6
ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-789-5
Dieses Paperback/E-Book ist auch als Hardcover-Ausgabe direkt beim Verlag erhältlich.
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www.atlantis-verlag.de
Well you’re a real tough cookie with a long history
Of breaking little hearts like the one in me
That’s okay, let’s see how you do it
Put up you dukes, let’s get down to it
Hit me with your best shot
Why don’t you hit me with your best shot
Hit me with your best shot
Fire away
»Hit me with your best shot« (Pat Benatar)
»Es gibt Legenden, die findest du nicht bei Google, Mädchen.«
Sergeant-Major Antonio L. McCann
Prolog
Im Auftrag des Teufels
Vergangenheit
30 Tage vor den Ereignissen
in der Battlefield Mall in Springfield, Ohio
Plantage von Tarsilia Botello Aguilar,
Nähe San Miguel, Bolivien
Der Morgen roch nach Tod. Wieder einmal.
Mit einem mürrischen Brummen schob First Sergeant Daniel Keller ein frisches Magazin in den M4-Karabiner, lud die Waffe durch und warf einen prüfenden Blick durch das aufgesetzte Zielhilfenreflexvisier. Seine Teamkameraden nannten ihn Cycle. Außenstehende hätten vielleicht vermutet, dass dies seinem bärartigen Äußeren geschuldet war und man ihn sich in Zivil gut als Biker vorstellen konnte. Doch das Cycle bezog sich eher auf seine abgöttische Vorliebe für getönte Nasenfahrräder, speziell der Marke Ray-Ban. Wann immer er konnte, trug er eine dieser Sonnenbrillen, ob im Dienst oder nicht. Manche Menschen munkelten, er würde sie auch beim Schlafen nicht absetzen.
Zufrieden stellte der Hüne mit dem struppigen Vollbart, der ihm bis zum Kehlkopf reichte, und dem mit dem Schild nach hinten gedrehten Baseballcap das Gewehr zu seinen Füßen aufrecht hin und hielt es mit einer Hand.
»Nach dieser Sache bin ich raus, Boss.«
Eine Sekunde zuvor lag noch Gemurmel in der Luft des Passagierraums des Black-Hawk-Hubschraubers, das über die Kopfhörer, die jeder Anwesende trug, das Wummern der Rotorblätter übertönte. Als Cycle seinen Satz beendet hatte, herrschte abrupt Stille und alle anderen sahen ihn verständnislos an. Er hatte mit einer Reaktion gerechnet, aber nicht mit den entgeisterten Blicken seiner Kameraden. Er sah hoch und musterte sie der Reihe nach.
Rechts neben ihm saß Juan Alvarez Quinto, Rufname Pendejo. Sein Mund stand offen. In seinem Blick stand nicht nur Überraschung, sondern auch Unglaube, als hätte er sich gerade verhört. Der Anblick von Corporal Gordon Morris war nicht minder erstaunt. Eben noch hatte er mit einem seiner sechs Messer gespielt – die hatten ihm den Rufnamen Knife eingebracht –, jetzt verlor die Klinge, die er auf seiner Fingerspitze balancierte, ihr Gleichgewicht und fiel zu Boden. Auch Eric Daredevil Payne, der Präzisionsschütze des Teams, hielt mit dem Reinigen seiner Waffe inne und schüttelte den Kopf.
»Alter …«, sagte er in die Stille der Kopfhörer hinein.
Weiter hinten saß die einzige Frau im Team. Ihr Name war Anna Roberts, der Rufname Cookie. Ein wenig erinnerte sie Cycle an die Darstellerin von Vasquez in dem Film Aliens , auch wenn sie keine Latina war. Klein, drahtig, kurz geschorene Haare. Ein Kampfknubbel. Mit langen Haaren wäre sie vermutlich als hübsches Mädchen durchgegangen, aber Cycle hatte sie noch nie anders als mit dem Igelschnitt gesehen. So wirkte sie eher maskulin auf ihn, da sie schmale Hüften und auch sonst kaum weibliche Rundungen besaß.
Zum Schluss sah Cycle den Mann an, den er mit Boss angeredet hatte. Der einzige Afroamerikaner im Team besaß einen ebenholzfarbenen Teint und einen Nachnamen, der mit seiner Gesichtsfarbe keineswegs konkurrieren konnte: Master Sergeant Amadeus Brown. Der klangvolle Vorname brachte ihm den Spitznamen Rockme ein nach dem 80er-Jahre-Hit Rock me Amadeus des österreichischen Sängers Falco. Tatsächlich hatte Brown schon so einiges gerockt, seit Cycle Mitglied seines Teams war.
»Setz dich mal hierhin, Cycle. Hier versteht man nichts. Was sagtest du?«
Cycle seufzte und schielte über den Rand seiner Brille. »Wenn dieser Auftrag erledigt ist, steige ich aus.«
»Wow, was für ein langer Satz aus deinem Mund!«, sagte Morris. »Hast du Blubberbrause getrunken?«
Er achtete nicht auf den Kameraden, sondern fixierte Brown, dessen Blick seltsam war. Er wirkte gar nicht so schockiert über die Eröffnung wie die anderen, sondern eher so, als habe er damit gerechnet. Oder vielmehr, als hätte er etwas Ähnliches geplant und wartete nur auf den geeigneten Moment, es zu verkünden. Vermutlich hatte Cycle jetzt die Katze aus dem Sack gelassen und es war Zeit, Tacheles zu reden.
Für einen Moment war die Stimmung an Bord des Black Hawks angespannt. Wie ein dünnes Seil, das jeden Moment zerreißen konnte. Das Knarzen in den Kopfhörern ließ tatsächlich den einen oder anderen zusammenzucken. Nur Cycle und Brown starrten unberührt einander in die Augen.
»Hey, Mädels, kurze Durchsage von den VIP-Plätzen an die Bretterklasse: Wir sind zehn Klicks von der LZ entfernt. ETA in zweieinhalb Minuten. Ihr werdet euch abseilen müssen, keine Möglichkeit aufzusetzen.«
Jetzt wanderten alle Blicke zu Brown. Er reagierte nicht. Zwei Sekunden nicht. Drei. Dann bestätigte er, bevor der Pilot nachfragen konnte, ob seine Botschaft angekommen war.
»Reden wir später«, sagte der Teamführer.
Cycle verzog die Mundwinkel, was niemand unter seinem dichten Bart sehen konnte. Als ihm das bewusst wurde, nickte er.
Brown wandte sich an das Team. »Also, gehen wir kurz noch einmal die Lage durch. Wir werden um null fünfhundertdreißig am Rand der Plantage abgesetzt. Bis zum Sonnenaufgang haben wir dreiundzwanzig Minuten. Wir bewegen uns durch die Kokafelder zum Haupthaus der La Viuda Solitaria . Im Innern der Finca orientieren wir uns nach Norden direkt auf das Landhaus zu. Wir rechnen mit einem halben Dutzend Wachen, die bereits wach sind.«
Payne grinste. »Deswegen nennt man sie vermutlich auch Wach en.«
Der Scherz kam nicht an. Ausdruckslos redete Brown weiter.
»Sollte einer von denen Alarm schlagen, müssen wir uns auf mindestens zwanzig weitere Bewaffnete einstellen.«
»Wie gut sind die Informationen?«, fragte Morris.
»Wir haben sie von Bishop.«
»Dann sind wir am Arsch«, sagte Anna Roberts und schob sich einen Kaugummi zwischen die Zähne. »Man sollte meinen, Informationen wären das Kerngeschäft der Firma, aber wann hat uns Bishop jemals zuverlässige Daten geliefert?«
Cycle nickte. »Cookie hat recht.«
»Wenn Bishop sagt, wir müssen mit zwanzig Tangos rechnen, dann machen wir besser vierzig draus.« Morris verdrehte die Augen.
Ehe noch jemand seinen Unmut kundtun konnte, hob Brown beschwichtigend die Hände. »Leute, kommt wieder runter. So schlimm waren die Infos bisher auch nicht.«
Cookie spuckte den Kaugummi wieder aus. »Die Firma interessiert sich einen Scheißdreck dafür, ob einer von uns draufgeht oder ob wir alle lebend nach Hause kommen. Für die ist nur wichtig, ob der Job erledigt wurde oder nicht. Ich geb einen Fick auf Bishop.«
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