Wie von einer Tarantel gestochen setzte er sich auf, stellte seine Füße neben das Bett und kontrollierte die Daten der Anzeige.
»Siehst du es?«, klang es aus dem Lautsprecher des Kommunikators.
»Was ist das?«, fragte Rob völlig entgeistert.
»Was fragst du mich das?«
»Doch nicht etwa Raumschiffe?«
»Ich werde mit dem Luftgleiter auf den Untersberg hinauffliegen und mir das in Natura ansehen. Willst du mitkommen?«
»Aber sicher.«
»Okay, ich hole dich in einer Viertelstunde ab.«
»Was ist denn los?«, murmelte Nadine verschlafen und drehte sich um.
Statt einer Antwort hielt Rob ihr den Kommunikator vor das Gesicht. Auf dem Bild waren mehrere leuchtend helle Kugeln zu sehen, die das Himmelszelt ausfüllten.
Eine halbe Stunde später landete der Luftgleiter auf dem Untersberg neben einer spärlichen Hütte. Auf dem Dach war eine kleine Radom-Antenne angebracht, wie es sie vor Jahrhunderten schon gegeben hatte. In der heutigen Flugsicherung wurden jedoch modernere Methoden verwendet. Trotzdem kamen die altmodischen Radom-Antennen bei Privatpersonen noch zum Einsatz, allerdings in wesentlich kleinerem Ausmaß.
Rob sprang als Erster aus dem Gleiter und starrte zum Himmel empor. Die Kugeln waren als helle Kreise mit bloßem Auge zu erkennen und schienen sich langsam zu vergrößern.
»Was zum Teufel ist das?« Rob richtete seinen Blick von einer Kugel zur anderen.
»Auf jeden Fall keine Lichtspiegelungen.«
»Sie werden größer.«
»Diesen Eindruck habe ich auch.«
Von Weitem vernahmen sie Sirenen von Polizeigleitern.
»Da unten scheint sich etwas zusammenzubrauen«, sagte Michael, nachdem er den Blick nach unten gerichtet hatte.
Nun sah auch Rob hinab. »Anscheinend haben auch andere Leute die Kugeln entdeckt und flippen nun aus.«
»Wahrscheinlich kommt es zu einer Panik, wenn diese Kugeln noch größer werden.«
»Das werden sie bestimmt«, sagte Rob, der wieder nach oben blickte.
»Heiliger Strohsack! Schau mal die Kugel dort drüben an!«
Rob richtete seinen Blick in die Richtung, die Michaels Zeigefinger einschlug, und hielt den Atem an. »Die ist viel größer als die anderen.«
»Daher wahrscheinlich der Tumult in der Stadt.«
»Täusche ich mich oder hat diese Kugel in der Mitte eine Linie, die die obere und die untere Hälfte voneinander trennt?«
»Ja, ich sehe es auch«, bestätigte Michael. »Die untere Hälfte ist etwas dunkler.«
»Genau. Das kann unmöglich etwas Natürliches sein.«
In den nächsten Minuten mussten die beiden mit ansehen, wie sich die Kugeln weiter vergrößerten.
Mittlerweile hatten sich auch die anderen Kugeln soweit genähert, dass ihre Oberflächenstruktur deutlich zu erkennen war. Jede von ihnen besaß dieselben Merkmale, eine deutliche Trennlinie in der Mitte, die den helleren oberen vom dunkleren unteren Teil unterschied.
Plötzlich summte Robs Kommunikator. Er kramte das Gerät hervor und blickte auf das Display. Als er den Namen las, sah er verwirrt zu Michael.
»Wer ist es?«, fragte dieser neugierig.
»Mein Vater.«
Rob nahm das Gespräch entgegen und fragte erregt: »Gibt es bei euch diese Kugel auch?«
»Ja, viele. Und wie es aussieht, gibt es die überall.«
»Sind das Raumschiffe?«
»Etwas Ähnliches.« Ernests Stimme klang ruhig und bestimmt.
»Was meinst du mit Ähnliches? Weißt du etwa, was das für Dinger sind?«
»Nicht über den Kommunikator. Kannst du hierherkommen?«
Rob war von dieser Antwort derart überrascht, dass er eine Weile nichts sagte.
»Bist du noch da?«, fragte Ernest.
»Ja. Ich bin etwas verwirrt.«
»Komm einfach so schnell wie möglich hierher. Wir werden darüber reden.«
Dann unterbrach er die Verbindung.
13.
Als Christopher aufwachte, lag er auf dem Rücken und blickte direkt an eine leuchtende Kuppel. Als seine Hände die Oberfläche des Bodens berührten, kam ihm das Material bekannt vor. Er neigte den Kopf zur Seite und erkannte das vertraute matte Blau der vielen Plattformen, die an den Rändern von leichten Wellen überflutet wurden.
Er richtete seinen Oberkörper auf. Das Fehlen jeglicher Kleider stellte für ihn keine Überraschung mehr dar. Dies hatte er bei seinen Besuchen in Sphären jedes Mal erlebt. Er konnte nicht mehr sagen, das wievielte Mal er sich in einer solchen Kugel befand, da er nicht jedes Mal physisch anwesend gewesen war. Die Sphären konnten Menschen ins Innere transferieren und auch wieder zurückschicken. Das hatte Christopher mehrmals erlebt. Doch es gab auch Situationen, in denen er sich lediglich mittels Mentalprojektion darin aufhielt, während sich sein Körper irgendwo in meditativem Zustand befand. Während des Aufenthalts in einer Sphäre merkte Christopher jedoch keinen Unterschied. Der Grund für diese zwei Arten war ihm nicht bekannt.
Neben ihm saß Ahen im Schneidersitz, die Unterarme in seinen Schoß gelegt, und blickte ihn lächelnd an.
»Du hattest einen unheimlichen Traum«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Eigentlich war es eine Mentalprojektion.«
In diesem Moment erschienenen Christopher die Erinnerungen wieder. Sie versetzten ihm einen fürchterlichen Schrecken. »Es wirkte so real. Ich wäre fast wahnsinnig geworden.«
Ahen sah ihn ausdruckslos an.
»Kennst du den Inhalt dieser Projektion?« Christopher war versucht, seiner Frage einen zynischen Unterton zu verleihen, da er vermutete, Ahen sei für diese Projektion verantwortlich.
Dieser sah ihn emotionslos an. »Ja, ich weiß, was du gerade erlebt hast.«
»Was ist der Grund dafür?«
»Es ist eine Möglichkeit der Zukunft.«
»Eine Möglichkeit?« Christopher verstand nicht. »Wie viele Möglichkeiten gibt es denn?«
»Es gibt immer verschiedenste Möglichkeiten. Die Menschen stehen in einer kausalen Beziehung zueinander. Jede ihrer Aktionen und jedes Verhalten gegenüber anderen beeinflusst die Abfolge des Geschehens.«
»Das heißt, jede noch so geringfügige Änderung des Verhaltens kann die Zukunft verändern? Ist denn die Zukunft nicht vorbestimmt?«
»In gewisser Hinsicht schon. Trotzdem ist sie abhängig von allem. Ein einziges gesprochenes oder nicht ausgesprochenes Wort beeinflusst den Lauf der Dinge. Was du in deiner Projektion erlebt hast, ist eine von Milliarden Möglichkeiten der Zukunft, die deine unmittelbare Umgebung betrifft.«
»Wie kann ich verhindern, dass das geschieht, was ich gesehen habe?«
»Ich habe dir bei unserer ersten Begegnung von einer Bedrohung erzählt, die von deinem Heimatplaneten ausgeht. Diese Bedrohung ist real geworden.«
»Du meinst die grauen, aggressiven Partikel, die sämtliche Materie assimilieren?«
»Ja, die meine ich. Gegen diese Partikel sind auch die Sphären machtlos.«
»Ich dachte, wir hätten sie auf MOLANA-III unschädlich gemacht.«
»Was ihr auf MOLANA entdeckt habt, war das Endprodukt einer Mutation und die Folge einer riesigen Vertuschungsaktion, die vor über einhundert Jahren von Menschen begangen worden ist.«
»Norris & Roach. Also doch. Wie wir vermutet hatten.«
»Die Partikel auf MOLANA waren das Ergebnis von missglückten Experimenten und Klonversuchen. Man hat die missratenen Partikel einfach dorthin gebracht, wo sie ihre Mutation fortsetzen konnten. Die Menschen haben nicht daran gedacht, was für Folgen es für diesen Planeten haben könnte. Für sie war das Problem gelöst. Es kümmerte sie nicht, was auf MOLANA später passieren würde. Eine typische Eigenschaft von euch Menschen, Experimente an gefährlichen Dingen durchzuführen, ohne euch der Folgen bewusst zu sein. Das war schon vor einigen Jahrhunderten der Fall, als ihr mit den Atomen herumgespielt habt. Auch mehrere nukleare Katastrophen hat die Menschheit nicht davon abgehalten weiterzuexperimentieren. Ebenso wenig hat die Menschheit gelernt, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen.«
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