Als niemand reagierte, fragte Simmerman: »Fällt Ihnen dabei nichts auf?«
Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Rats hielten sich bedeckt, da sie die Antwort bereits kannten.
Plötzlich erhob sich ein ranghohes Mitglied des Militärischen Rats und sagte: »Das ist die exakte Länge eines Marathonlaufs.«
Die Anwesenden sahen sich verwirrt an. Niemand konnte sich vorstellen, warum der Umfang dieser Kugeln etwas mit der Länge eines Marathonlaufs zu tun haben sollte.
»Das könnte ein Zufall sein.«
»Es gibt eine weitere Zahl, die uns bekannt sein sollte. Die Erde hat eine Oberfläche von 510.072.000 Quadratkilometern. Berücksichtigen wir die Flughöhe der Kugeln von fünfzig Kilometern und bilden daraus eine imaginäre, äußere Kugel, deren Durchmesser auf jeder Seite fünfzig Kilometer größer ist, würde diese Oberfläche 518.101.922 Quadratkilometer betragen. Die Anzahl der Kugeln auf diese Fläche verteilt, würde eine Dichte von hundertdreiundsechzig Kilometern und einunddreißig Metern ergeben. Subtrahiert man davon den Durchmesser der Kugeln, so bekommen wir als Distanz zwischen den Kugeln die Strecke von hundertneunundvierzig Kilometern und sechshundert Metern. Dies entspricht exakt dem Tausendstel der Distanz zwischen der Erde und der Sonne.«
»Auch das könnte ein Zufall sein.«
»Könnte es«, antwortete Simmerman. »Ist es auch Zufall, dass sämtliche Kugeln genau auf der Stratopause schweben? Ist es auch Zufall, dass trotz der enormen Anzahl von über drei Millionen Kugeln der Funkverkehr mit unseren Satelliten in keiner Weise eingeschränkt wird? Dass unser Flugverkehr nicht beeinträchtigt wird? Und noch einen weiteren Faktor sollten wir berücksichtigen. Nämlich dass die Kugeln bis zu diesem Zeitpunkt keine feindlichen Aktivitäten gezeigt haben.«
»Was schließen Sie aus diesen Übereinstimmungen?«, fragte General Morcroft resolut.
»Wir glauben, dass es sich hierbei um gezielte Botschaften handelt«, antwortete Simmerman. »Nur wissen wir noch nicht, wie wir sie zu interpretieren haben.«
Wieder brach unter den Anwesenden eine heftige Diskussion aus. Alan Simmerman dachte vorerst nicht daran, die Leute wieder um Ruhe zu bitten. Er wollte ihnen Gelegenheit geben, das soeben Erfahrene zu verdauen und untereinander Meinungen auszutauschen.
Doch mitten im Lärm begannen die meisten Kommunikatoren der Ratsmitglieder zu summen. Sofort wurde es ruhig im Saal. Auch Ashraf Desais Gerät meldete sich. Er griff danach und blickte gleichzeitig in die entsetzten Gesichter der anderen Ratsmitglieder.
Dann nahm er den Anruf entgegen und eine Stimme sagte: »Sir. Es gab einen verheerenden Zwischenfall mit einer der Kugeln.«
15.
Als Christopher, Michelle und Kevin zur Polarstation zurückgekehrt waren, trafen sie umgehend Vorkehrungen für eine schnelle Abreise. Nach einer kurzen Verabschiedung von Sil, Kevin und den anderen Wissenschaftlern bestiegen Christopher und Michelle die Space Hopper und trafen alle Vorbereitungen für den Start. Wenig später hob der Gleiter vom Eisfeld ab, beschleunigte und verschwand am dunklen Himmel. Kevin blieb am Rand des Landefeldes stehen und blickte nachdenklich zu den Sternen.
»Was ist passiert?«, fragte Sil, als sich die anderen Wissenschaftler entfernt hatten.
»Christopher hatte eine Mentalprojektion, in der er erneut diesem Jungen begegnet ist. Anscheinend hat er dabei etwas Ernsthaftes oder Bedrohliches erfahren.«
»Ist da wirklich etwas dran«, fragte Sil skeptisch, »oder entspringt es nur seiner Fantasie?«
»Bisher hat sich das, was er in solchen Situationen erfahren hat, immer als zutreffend erwiesen.«
»Was ist es dieses Mal?«
»Ich weiß es nicht. Während des Auftauchens hat er kein Wort gesprochen. Ich habe ihn auch nicht danach gefragt. Wenn er gewollt hätte, hätte er von sich aus darüber geredet. Ich vermute aber, auf der Erde ist etwas vorgefallen.«
»War das der Grund für seinen überstürzten Abflug?«
»Ich nehme es an.«
Sil sah ihn einen kurzen Moment besorgt an. Dann kramte sie ihren Kommunikator hervor und murmelte: »Ich sollte wohl ein paar Anrufe tätigen.«
Doch bevor sie eine Verbindung herstellen konnte, summte Kevins Gerät. Sie zögerte einen Moment und sah ihn an, während er den Anruf entgegennahm. Als sich seine Miene immer mehr verdüsterte, ließ sie ihren Kommunikator langsam sinken. Angespannt wartete sie, bis er das Gespräch beendet hatte.
»Ich muss in den Kontrollraum«, sagte er, drehte sich um und rannte los.
Sil folgte ihm.
Als sie zusammen den spärlichen Raum betraten, waren alle um Peter Connellys Arbeitsplatz versammelt und starrten auf sein Display. Ohne Worte gesellten sich Kevin und Sil dazu.
»Sphären«, sagte Kevin fassungslos. »Es müssen Tausende sein.«
»Millionen«, korrigierte Stan Petrelli. »Wir haben soeben eine verschlüsselte Nachricht vom Wissenschaftsrat erhalten. 3.177.933, um genau zu sein. Das ist der absolute Wahnsinn!«
Die Wissenschaftler sahen sich eine Weile wortlos an. Dann starrten sie wieder auf das Bild, das sich ihnen auf dem Display bot.
»Was stand sonst noch in der Nachricht?«
»Flughöhe fünfzig Kilometer, Kugeldurchmesser 13,431 Kilometer, Umfang 42,195 Kilometer, Distanz zwischen den Kugeln hundertneunundvierzig Kilometer und sechshundert Meter.«
»Wie zuverlässig sind diese Daten?«
»Hundertprozentig.«
»Sie wissen, was das für Zahlen sind, oder?« Kevin sah jedem Einzelnen nacheinander in die Augen.
»Mehr oder weniger«, antwortete Petrelli. »Die Länge des Marathonlaufs kannte ich nicht, aber Daisy hat über sämtliche Zahlen recherchiert und es herausgefunden.«
»Das ist bestimmt kein Zufall.«
»Das glaube ich auch nicht«, meldete sich Sil zu Wort. »Sie wollen eine Botschaft übermitteln.«
»Fragt sich nur, was für eine.«
Darauf wusste niemand eine Antwort.
»Wie alt sind diese Aufnahmen?«, fragte Kevin weiter.
»Es ist die Aufzeichnung eines Livestreams durch den Hyperraum, den uns der Wissenschaftliche Rat vor ein paar Minuten gesendet hat«, antwortete Peter. »Wir sehen somit das, was vor Kurzem dort passiert ist.«
»Hey, schaut mal«, sagte Daisy plötzlich, während sie auf das Display starrte. »Was ist das denn?«
»Fahren Sie die Aufzeichnung ein bisschen zurück«, wies Kevin Connelly an, der sofort die notwendigen Maßnahmen ergriff.
Kurz darauf sahen sie mitten im Meer der leuchtenden Kugeln ein Objekt, das sich langsam den Kugeln näherte, und kurz darauf eine plötzlich erscheinende, große Lichtquelle, die sich schnell ausdehnte und sich nach und nach verflüchtigte. Danach war von dem Objekt nichts mehr zu sehen.
Die Wissenschaftler starrten eine Weile auf das Bild und sahen sich entsetzt an. Connelly fuhr die Aufzeichnung noch einmal zurück und startete sie erneut. Wieder konnten sie dasselbe Szenario beobachten.
»War das ein Raumschiff, das zwischen den Sphären explodiert ist?«, fragte Petrelli bestürzt.
»Das würde ich auch so sehen«, bestätigte Kevin fassungslos.
»Dann sollten wir Christopher und Michelle warnen.«
»Tun Sie das!«
»Kannst du mir endlich verraten, warum wir Hals über Kopf abgeflogen sind?«, lamentierte Michelle, nachdem sie viel Geduld hatte aufbringen müssen, ihn nicht schon während des Auftauchens aus dem See danach zu fragen.
»Ahen hat mir erzählt, dass die Sphären unter Umständen mit Gewalt gegen die Erde vorgehen werden.«
»Warum das?«
»Er ist überzeugt davon, dass auf der Erde nach wie vor mit den außerirdischen Partikeln experimentiert wird und dass diese Experimente außer Kontrolle geraten sind.«
»Glaubt er, es existieren dieselben aggressiven Partikel wie auf MOLANA?«
»Ja, das glaubt er. Oder zumindest eine Vorstufe davon.«
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