»Mit unseren spärlichen Mitteln können wir die Brandenburg nicht zurückerobern«, stellte Hancz von Crüchern fest. »Uns bleibt nichts anderes übrig, als Jaxa auszuhungern.« Und er fügte mit einem Blick auf Otto noch hinzu: »Obwohl es noch nicht Winter geworden ist.«
»Die Zeit haben wir nicht«, gab Hayntz von Helsungen zu bedenken. »Soweit ich die Sprewanen belauscht habe, rechnen sie damit, dass die Piasten sie unterstützen und dass die Polen ein größeres Heer gen Westen in Marsch setzen werden.«
Ulric gab ihm recht, die Askanier hatten Bolesław IV. den Kraushaarigen ebenso zu fürchten wie Heinrich den Löwen, und einen Zweifrontenkrieg konnten sie nicht bestehen. »Die Zeit spielt gegen uns, und wir müssen die Brandenburg so schnell wie möglich zurückerobern, um klare Verhältnisse zu schaffen, das heißt den Kaiser zwingen, Albrecht unwiderruflich und sozusagen ehern zum Markgrafen von Brandenburg zu machen.«
»Schön und gut«, sagte Ottin von Strenznau, »aber Hancz hat es doch eben klar und deutlich gesagt, dass wir nicht imstande sind, die Brandenburg zu erobern.«
»Doch, das sind wir!«, widersprach ihm Ulric von Huysburg. »Gebt mir zehn Tage Zeit und eine Handvoll kräftiger Männer, die mit Axt und Säge umgehen können, dann baue ich euch einen Tribok. Von ihm aus schießen wir dann Brandfackeln und Kugeln in die Burg und zwingen Jaxa damit, entweder zu kapitulieren oder aber sich uns in offener Schlacht zu stellen.«
Sein Vorschlag wurde angenommen, und am nächsten Morgen begann man, Bäume zu fällen und Balken zurechtzuhauen, aber auch in den umliegenden Siedlungen nach Seilen und Stricken zu suchen, denn ein Tribok funktionierte durch die Torsion gebündelter Seile, die am Standrahmen befestigt waren. In ihnen steckte ein Wurfarm, und zog man den nach unten, geschah dies gegen die Kraft der verdrehten Seile. Beim Schuss wollten sich die Seile wieder entspannen, der Wurfarm knallte gegen einen Prellbalken und schleuderte die Munition, die in einem ausgehöhlten Ende lag, mehrere hundert Meter weit, je nach Gewicht der Geschosse. Statt steinerner Kugeln konnte man mit dem Tribok auch brennende Fackeln verschießen, was besonders gegen Burgen, deren Befestigungen in der Hauptsache aus Holz bestanden, ein geeignetes Mittel war.
Am 11. Juni 1157 war es dann so weit: Der Tribok war einsatzbereit, und man katapultierte eine Brandfackel nach der anderen über den Ringwall. Da es seit geraumer Zeit nicht geregnet hatte, züngelten schnell überall die Flammen empor, und schließlich brannte auch das mit Stroh gedeckte Dach des Haupthauses. Obwohl Jaxas Leute alle Kräfte aufboten – ihr Löschwasser oben auf der Burg reichte nicht aus, die Feuer zu ersticken.
»Hurra!«, schrie Eberlin von Mölz. »Wir räuchern sie aus!«
Jaxa musste einsehen, dass er keine Chance hatte, die Burg länger zu halten. »Wir formieren uns, brechen aus dem Burgtor und fallen über Albrechts Männer her! Auf!«
Die Askanier warteten schon, und unten am Ufer der Havel begann die Schlacht, die über die Zukunft des Landes zwischen Elbe und Oder entscheiden sollte. Die Berittenen kämpften Mann gegen Mann und spalteten sich mit ihren Schwertern Schilder und Köpfe, und die Pfeile der Bogenschützen durchbohrten manche Brust. Hayntz von Helsungen war es, der Mertin von Freckleben erschlug, und auch die anderen Überläufer konnten ihr Leben nicht retten.
Viele der Verwundeten sprangen in die Havel, um ihre Wunden zu kühlen, und deren Wasser färbten sich rot. Und die verwundeten und sterbenden Askanier klagten:
nû sehet, wie unser lachen
mit weinenne erlischet.
unser süezze ist gemischet
mit bitterer gallen.
unsere bluome der muoz vallen,
sô er aller grüenest wænet sîn.
Ulric von Huysburg vermied es, Menschen zu töten, er war nur darauf aus, mit seinem Schild die askanischen Freunde zu schützen.
Albrecht der Bär hob für eine Sekunde sein Visier, um Ausschau nach Jaxa zu halten. Da kam der Pfeil geflogen, der gedacht war, ihn zu töten. Und er wäre dem Askanierfürsten ins rechte Auge gefahren und hätte sein Gehirn zerstört, wenn ihn nicht Ulric geistesgegenwärtig mit dem Rande seines Schildes abgefangen hätte.
»In den Staub mit allen Feinden Brandenburgs!«, schrie Albrecht daraufhin und gab seinem Pferd die Sporen, um auf Jaxa einzudringen und ihm den Schädel zu spalten.
Doch Ulric fiel ihm in die Zügel. »Überlasse ihn mir, ich habe mit ihm noch eine Rechnung zu begleichen.«
Ulric kämpfte nun alles nieder, was sich ihm entgegenstellte, bis er dem Sprewanen Auge in Auge gegenüberstand. Ihre Schwerter fuhren gegeneinander, dass die Funken stoben, doch bald erlahmte Jaxas Arm, und er konnte nicht verhindern, dass ihm sein Schwert aus der Hand geschlagen wurde. Und keiner seiner Männer war in der Nähe, ihn zu retten, oder konnte den Kordon der Askanier durchstoßen. Was blieb ihm, als ein letztes Gebet zum Himmel zu schicken und den Tod zu erwarten?
Doch Ulric tat nur so, als würde er zum Todesstoß ausholen, er lenkte sein Pferd dicht neben das des Sprewanen und flüsterte ihm zu, dass er fliehen möge. »Und grüße mir Cöpenick!«
Jaxa sprengte davon, und ehe ihn Albrecht, Ottin und die anderen askanischen Ritter daran hindern konnten, lenkte er sein Pferd in die Havel und schwamm zum östlichen Ufer hinüber.
Albrecht der Bär war wieder Herr der Brandenburg, und Ulric von Huysburg konnte sich anderen Abenteuern zuwenden. Nein, etwas war noch zu erledigen …
Anfang Oktober 1157 stand Besançon im Mittelpunkt der europäischen Politik, denn Kaiser Friedrich I., auch Barbarossa genannt, hatte zu einem Hof- oder Reichstag ins Königreich Burgund gerufen, das 1032/34 an das Heilige Römische Reich gefallen war.
Auch Ulric von Huysburg war an den Fluss Doubs geeilt, um die Interessen seines Fürsten zu vertreten. Bevor er jedoch mit dem Kaiser sprechen konnte, kam es zu einem Schauspiel, wie er es noch nicht gesehen hatte, und er genoss es, denn ein Skandal war allemal das Süßeste.
Es begann damit, dass Kardinal Roland, der päpstliche Legat, eine Rede hielt, und zwar auf Latein, was nur wenige der Anwesenden verstanden. Es fiel auch das Wort beneficium , was der Reichskanzler Rainald von Dassel, einer der engsten Vertrauten Friedrichs, mit »Lehen« übersetzte, und das führte dazu, dass ein Teil der deutschen Fürsten rot sah, denn sie verstanden das so, als sei das Kaisertum als Lehen und der Kaiser Friedrich I. als bloßer Lehnsmann des Papstes definiert worden, und das empfanden sie als skandalös und so nicht hinnehmbar. Es kam zu tumultartigen Szenen, und der bayerische Pfalzgraf Otto von Wittelsbach wollte mit dem Schwert auf den Abgesandten des Papstes eindringen.
»Halt, so nicht!«, rief der Kaiser und fiel dem Bayern in den Arm.
»Ich habe mit beneficium nicht Lehen, sondern Wohltat gemeint!«, schrie der Legat.
So blieb er erst einmal körperlich unversehrt, aber die Sache war damit noch lange nicht erledigt. Denn bei der Durchsuchung seines Gepäcks fand man Papiere, die auf Versuche Roms schließen ließen, die Kirchenhoheit des Kaisers zugunsten des Papstes zu unterlaufen. Man beschloss, Druck auf den Papst Hadrian IV. auszuüben, und es wurde von einem zweiten Zug nach Italien gesprochen.
Der Kaiser hatte keine Zeit für Ulric von Huysburg, und der war schon ziemlich verzweifelt, als ihm eines Abends in einer Schenke jemand auf die Schulter klopfte. »
– Hallo, mein Lieber, wie geht es dir?«
Ulric von Huysburg fuhr herum und erkannte Ahmad at-Tawil, den Mann, den er im Lager der Wilzen befreit hatte. Sie freuten sich über das Wiedersehen, und Ulric schilderte dem Araber seine Schwierigkeiten, zum Kaiser vorgelassen zu werden.
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