Jaxa nickte. »Ja, er wird Angst haben, dass der Raum für ihn zu eng wird, dass er zwischen uns und Heinrich zerrieben wird. Also wird er sich nach Osten wenden und versuchen, die Brandenburg zurückzuerobern. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder siegt er, und wir müssen uns wieder nach Cöpenick zurückziehen – oder aber wir siegen, und dann werde ich ihm großmütig anbieten, ein Vasall der Piasten zu werden und mit mir gemeinsam gegen Heinrich zu ziehen.«
Sein Berater stimmte ihm zu. »Siegen wir, so werden wir den Großteil seiner Ritter für uns gewinnen können, denn die werden sich nicht anders verhalten als dieser Mertin von Freckleben.«
Jaxa lachte. »Pst, er geht gerade an unserem Fenster vorbei.« Er wartete einen Augenblick, bis er fortfuhr. »An sich ist er ja eine ärmliche Kreatur. Aber wer würde sich nicht kaufen lassen? Der mit dem größten Geldbeutel regiert nun mal die Welt.«
»Das alleine reicht aber nicht«, wandte Česćimér ein. »Es braucht auch Fürsten und Könige, die nichts anderes wollen als die Macht und die Männer wie Radogost im Gefolge haben: einfallsreich und skrupellos.«
»Du sagst es! Und darum ist meine Trauer um ihn auch grenzenlos.«
Damit gingen sie hinaus in den Burghof, wo sich der Trauerzug langsam formierte.
Zu zweit auf einem schlecht gepflegten Pferd konnten sie nur im Schritt reiten, zumal ohne Sattel. Ulric von Huysburg hatte sich entschieden, nicht dem Lauf der Havel zu folgen, sondern erst einmal Richtung Westen zu reiten, wo die Böden sandig waren und man ganz gut durch Wald und Heide kam. Das ging einige Stunden so, und Bogdan-Otto, der hinten, wo der Rücken des Pferdes breiter wurde, seine Beine weit auseinanderspreizen musste, fing schon an zu schimpfen.
»Gott, derrr Gerrrächte, werrrd ich nie wiederrr gehen können zu Füßen, weil Beine meinige sich aushaken aus die Hüftenknochen.«
»Man kann auch auf Händen laufen«, suchte Ulric ihn zu trösten. »Bei der nächsten Rast zeige ich dir mal, wie es geht.«
Das tat er dann auch, aber als es Bogdan-Otto versuchte, kippte er nach hinten weg und hätte sich womöglich das Genick gebrochen, wenn Ulric ihn nicht aufgefangen hätte.
Bogdan-Otto setzte sich ins Gras und schnupperte. »Rrriecht sich nach Wasserrr!«
Ulric überlegte. »Es kann sein, dass wir schon auf Höhe des Beetzsees sind und nach Süden abbiegen müssen.«
Sein Knappe lauschte. »Das is sich Getrrrampel von viele Rrrösserrr.«
»Sollte das Albrecht sein?« Ulric überlegte. »Aber das ist doch schwer möglich, denn wir müssen davon ausgehen, dass Jaxa die Brandenburg erobert hat und Albrecht noch irgendwo westlich von ihr steckt.«
»Vielleicht hat es sich gegeben schon Kampf und errr is sich Besiegerrr«, meinte Bogdan-Otto.
»Wir werden sehen.«
Da sie gänzlich unbewaffnet waren, blieb ihnen, sollten ihnen Feinde entgegenkommen, nur die Flucht. Darum schwangen sie sich wieder auf ihr Pferd und ritten an den Rand der Lichtung, auf der sie sich gelagert hatten, um schnell im Wald verschwinden zu können.
Und in der Tat erblickten sie nach kurzer Zeit drei Reiter am anderen Ende der Lichtung.
Ulric erkannte einen von ihnen. »Das ist doch Mertin von Freckleben, das sind Askanier!«
Sie ritten aufeinander zu und begrüßten sich als alte Freunde.
Mertin von Freckleben sah Ulric von Huysburg fragend an. »Du bist aus Cöpenick zurück und hast alles mit heiler Haut überstanden?«
»Ja. Und ich habe herausgefunden, dass Jaxa die Brandenburg erobern will. Wenn er sich beeilt hat, müsste er schon hier sein.«
»Nein, das ist er nicht. Wer weiß, was oder wer ihn aufgehalten hat. Wie auch immer – kommt ihr beide erst einmal mit uns, damit ihr euch auf der Brandenburg erholen könnt und wieder voll bei Kräften seid, wenn uns Jaxa angreift.«
Albrecht der Bär näherte sich mit seiner Schar der Brandenburg von Südwesten her und wollte am Breitlingsee Rast machen, um kurz vor dem Ziel noch einmal die Pferde zu tränken und Kraft zu schöpfen. Er hatte sich nach der Schlappe vor Althaldensleben durch Ritter des Magdeburger Bischofs Wichmann verstärkt und hoffte, mit ihnen zusammen Jaxa standhalten zu können.
Neben Albrecht ritt sein Ältester, Otto. Er war immerhin schon 29 Jahre alt, hatte seinen eigenen Kopf und war mit dem Vorgehen seines Vaters nicht immer einverstanden. So auch jetzt. »Du hättest eher gegen Jaxa Front machen sollen. Das ist wie beim Schach: Wer den ersten Zug hat, befindet sich immer im Vorteil. Angriff ist die beste Verteidigung.«
»Ach ja.« Albrecht ging auf die Sechzig zu und verspürte wenig Lust, sich von einem Jüngeren belehren zu lassen. »Heinrichs Land ist wertvolles Land, und viele reiche Städte gibt es da. Aber zwischen Elbe und Oder haben wir nur Sand und Sumpf, und die Städte heißen Sankt Armut und Sankt Elend.«
Otto ließ sich nicht beirren. »Aber dieses Land ist unsere Zukunft wie unser Schicksal. Gegen die Sachsen und die Bayern und den Kaiser kommen wir ohnehin nicht an. Und wenn wir nicht aufpassen, verlieren wir das, was wir haben, auch noch an die Polen. Die Piasten sollte man nicht unterschätzen, und dieser Jaxa ist mit allen Wassern gewaschen.«
Albrecht konnte nicht umhin, ihm recht zu geben: »Nun gut. In ein paar Stunden haben wir die Brandenburg erreicht, und wenn wir dort nach dem Rechten gesehen haben, dann geht es nach einem Tag Ruhepause gleich weiter nach Spandow.«
»Gut.« Otto war aber noch nicht ganz zufrieden mit dieser Auskunft. »Und wann erstürmen wir Cöpenick?«
»Dann, wenn wir genug Männer zusammengezogen haben.«
Albrecht rief Hancz von Crüchern, Eberlin von Mölz und Ottin von Strenznau zu sich, um deren Meinung einzuholen. Nach längerer Beratung hielt man es für das Beste, Jaxa aus der Burg Cöpenick herauszulocken und ihm in offener Feldschlacht gegenüberzutreten.
»Gut.« Albrecht bedankte sich bei seinen Männern. »Die letzte Entscheidung kann ich aber erst treffen, wenn Ulric von Huysburg aus Cöpenick zurück ist und uns sagen kann, welches Jaxas Pläne sind.«
Damit saßen sie auf und ritten weiter Richtung Brandenburg. Sie freuten sich schon auf einen kühlen Trunk und ein deftiges Mahl, aber auch ein weiches Lager. Doch als sie am Fuße der Burg angekommen waren, empfing sie kein Jubel, sondern ein Hagel von Pfeilen, und oben auf dem Wall erschien der Sprewanenfürst.
»Albrecht, geh nach Braunschweig und werde Vasall Heinrichs des Löwen«, höhnte er. »Die Nordmark gehört nun mir.«
Ulric von Huysburg ritt an der Seite Mertin von Frecklebens in Richtung der Brandenburg. Er war zufrieden, dass er seine Mission glücklich zu Ende gebracht hatte. Seine Gedanken waren bei Miluša. In Gefahr sah er sie nicht. Wenn die Askanier die Burg Cöpenick stürmten, war sie mit ihrem Vater längst weitergezogen.
Bogdan-Otto saß noch immer hinter ihm auf dem Pferd und fühlte sich zunehmend unwohler. »Wenn uns ansehen Leute von Burrrg, sie werrrden sich lachen aus überrr mirrr, möcht ich lieberrr ab von Pferrrd.«
Ulric schmunzelte. »Gut.« Er zügelte sein Pferd, damit sein Knappe abspringen konnte, und ritt dann so langsam weiter, dass Bogdan-Otto ihnen nicht hinterherhecheln musste.
»Wir haben es ja gleich geschafft«, sagte Mertin von Freckleben.
»Was gibt’s denn Neues bei euch?«, fragte Ulric. »Was macht zum Beispiel der wackere Lynhardt von Schleibnitz?«
»Der? Der ist mit seiner Adelhayt in sein Dorf zurückgekehrt, weil … seine Bauern da nicht richtig parieren wollen.«
Ulric grinste. »Und weil er da nicht fürchten muss, dass Adelhayt andauernd in Versuchung gerät.«
»Ach ja …« Mertin von Freckleben stöhnte genüsslich.
»Und was macht mein alter Freund Hayntz von Helsungen?«, wollte Ulric weiter wissen.
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