Von der Ausgrabung zum Museum
Im Lauf der archäologischen Untersuchungen ergab sich eine komplexe Baugeschichte, die sich in drei Phasen gliedern ließ. Vom Entwurf her handelte es sich immer um Kreisanlagen, die von einem Holz-Erde-Wall mit einem großen vorgelegten Graben umgeben waren. Für die früheste Befestigung, die auch als Vorbild für die Rekonstruktion diente, geht man von einem äußeren Durchmesser von 56 m und einem Inneren von etwa 36 m aus. Für den Wall wurde eine Höhe von etwa 7 m erschlossen. Das benötigte Holz wurde in der unmittelbaren Umgebung geschlagen, sodass eine Landschaft mit freiem Sichtfeld entstand. Das benötigte Erdmaterial konnte aus dem Grabenaushub gewonnen werden. (Abb. 7)
Abb. 7 Raddusch, slawische Befestigung. Der Nachbau wird heute als Museum genutzt.
Zur Burganlage gehörte auch eine „Vorburg“, die wohl eher Siedlungscharakter gehabt haben dürfte. Als man sie untersuchte, fand man allerdings keine verwertbaren Spuren, weil die Landwirtschaft im Laufe der Zeit alle Spuren vernichtet hatte.
In der Burg wurden auch zwei Toranlagen gefunden, die man aufgrund ihrer Bauform als Tunneltore bezeichnet. Ein Tor befand sich im Nordwesten. Der andere Zugang konnte im Osten nachgewiesen werden. An den Innenseiten des Walles waren Unterkünfte eingerichtet, die an Kasematten erinnern. Außerdem fanden die Ausgräber im Bereich des „Burghofes“ Spuren von Gebäuden, bei denen es sich sowohl um Pfostenbauten als auch um Blockbauten handelte, von denen einige Öfen aufwiesen. Der Wasserversorgung dienten vier Brunnen.
Allgemein geht man davon aus, dass diese slawischen Befestigungsanlagen als Fluchtburgen genutzt wurden. Da aber eine Innenbebauung nachgewiesen wurde, stellt sich die Frage, ob hier nicht die Angehörigen einer Oberschicht einen dauerhaften Wohnsitz besaßen. Diese Frage lässt sich aber nicht zweifelsfrei beantworten.
Die Datierung der Anlage von Raddusch wie auch die der slawischen Befestigungsanlagen in der Lausitz beläuft sich auf das 9. und 10. Jh. und reizt damit das in diesem Buch vorgesehene Zeitfenster aus. Als Grund für die umfangreichen Befestigungen wird gerne angeführt, in dieser Phase habe das junge Heilige Römische Reich Deutscher Nation zunehmend in Richtung Osten expandiert und die hier siedelnden Slawen massiv unter Druck gesetzt.
Die Rekonstruktion der Burg als Museum
Nachdem der Tagebau Seese-Ost eingestellt worden war, kam für die Region die Frage auf, wie es wirtschaftlich weitergehen sollte. Tourismuskonzepte spielten dabei in den 1990er-Jahren eine bedeutende Rolle. So wurde ab 1992 die Idee entwickelt, in Raddusch die Slawenburg wieder aufzubauen. Damit sollte ein Ort entstehen, an dem die Archäologie der gesamten Region präsentiert werden konnte. Im Jahr 2003 wurde schließlich die Slawenburg als Museum eröffnet.
Bedingt durch die zusätzliche Nutzung entstand eine Idealrekonstruktion im äußeren Erscheinungsbild, die sich in den Dimensionen an der ersten Bauphase orientierte. Nach außen ist die Anlage mit einer Verkleidung aus Eichenholz und Lehm versehen, während das Wallinnere aus einer Ringkonstruktion aus Beton besteht, in der sich heute die Ausstellungsräume und die touristische Infrastruktur befinden.
Die ständige Ausstellung hat die Zielsetzung, die archäologischen Funde aus der Niederlausitz zu präsentieren. Sie umfasst dabei alle zeitlichen Perioden. Natürlich finden sich hier auch viele Funde, die in Raddusch gemacht wurden. Ein Stück, das besondere Aufmerksamkeit verdient, ist der „Götze von Raddusch“, die Darstellung eines slawischen Gottes; diese Bildnis wurde in einem der Brunnen geborgen und wird um die Mitte des 10. Jhs. datiert.
Im Umfeld des Museums, einem etwa 111 ha großen Freigelände, wurde versucht, die historische Landschaft nachzubilden, so wie sie sich im 9. oder 10. Jh. darstellte. Darüber hinaus errichtete man einen „Zeitsteg“, auf dem die Natur und die lokalen Kulturen in verschiedenen Zeitaltern dargestellt werden.
Slawenburg Raddusch, Zur Slawenburg 1, 03226 Vetschau, OT Raddusch, Tel 035433-55522, www.slawenburg-raddusch.de
Literatur
M. Ullrich, Slawenburg Raddusch – Eine Rettungsgrabung im Niederlausitzer Braunkohleabbaugebiet (2003); M. Ullrich, F 46 Raddusch, in: J. Herrmann (Hrsg.), Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1989) 651 f.
Als Karl der Große kam, entdeckten die Ur-Bremer das Christentum. Diese Geschichte findet ihren baulichen Niederschlag im St. Petri-Dom, dessen älteste bauliche Überreste bis in diese Zeit zurückreichen. Während der letzten Renovierungen konnten unter der Kirche wichtige Funde gemacht werden, die heute im Dom-Museum ausgestellt sind.
[08] Bremen – die Domgrabung
Bremen
Wenn wir uns in Bremen und Bremerhaven in einem Zeitfenster bewegen wollen, dass bis zum frühen Mittelalter reicht, stehen wir im Hinblick auf Ausgrabungen weitgehend auf verlorenem Posten. Dies liegt vor allem daran, dass beide Städte erst mittelalterliche Gründungen sind. Mit dem Fund der „Kogge von 1380“ im Jahr 1962 bei Baggerarbeiten im Bremer Hafen, die sich heute im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven befindet, gibt es einen für den hier abgesteckten Zeitrahmen leider etwas zu späten Sensationsfund.
Die mittelalterliche Gründung bedeutet aber nicht, dass an dieser Stelle vorher nie Menschen siedelten. An der Weser sind Siedlungen bekannt, die zwischen dem 1. Jh. n. Chr. und dem 8. Jh. entstanden sind. Eine von ihnen ist durch den aus Alexandria stammenden Geografen Claudius Ptolemaeus um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. namentlich überliefert worden.
Wollen wir uns der frühen Geschichte Bremens zuwenden, so kommen wir schnell zur Rolle der Kirche, die ihr Missionswerk 782 begann, und der Erhebung der Stadt zum Bischofssitz um 787 durch Karl den Großen. Und dieser bedarf einer entsprechenden Kirche, dem heutigen St. Petri-Dom, der nun seit mehr als 1200 Jahren in unterschiedlicher Ausführung Bestand hat. (Abb. 8)
Abb. 8 Bremen, St. Petri-Dom. Der Sakralbau ist über Jahrhunderte hinweg entstanden. Während der letzten Renovierungsarbeiten wurden auch archäologische Untersuchungen durchgeführt; die Funde werden im Dom-Museum (im Dom selbst) ausgestellt.
Aber auch Kirchen bedürfen im Lauf der Zeit umfangreicher Restaurierungen, die oft mit archäologischen Untersuchungen verbunden sind. Da der Dom aber wieder für den Gottesdienst genutzt werden sollte, war es unmöglich, die archäologischen Befunde in situ darzustellen. Zum Abschluss der letzten Renovierungsarbeiten richtete man daher im Dom selbst das Dom-Museum ein, das in den Räumen neben dem Hochchor gelegen ist.
Das Dom-Museum im St. Petri-Dom
Für das hier bestimmte Zeitfenster dürften vor allem die konservierten Fundamentreste einer Apsis und zwei Kleinfunde interessant sein, die sich in das 9. Jh. datieren lassen. Dabei handelt es sich um einen silbernen Denar und einen Schwertgurt aus Bronze. Darüber hinaus kann der Besucher anhand einer Fotodokumentation die Baugeschichte des Domes verfolgen.
Aber die Ausgrabungen haben natürlich auch Funde aus späterer Zeit ans Tageslicht gebracht, die entsprechend präsentiert werden. Spektakulär sind etwa die Funde aus sieben mittelalterlichen Bischofsgräbern, die Textilien, Bischofsstäbe und Sakralgeräte enthielten. Weil die Textilien besonders lichtempfindlich sind, ist der Ausstellungsraum stark abgedunkelt. Inzwischen wurde ein weiterer Raum für Textilien eingerichtet. Ergänzt wird die Museumssammlung durch sakrale Kunst, Urkunden, Siegel u. Ä.
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