Sie saßen im Restaurant des Ritz. Es war von Anfang an eine gespannte Atmosphäre. Sebastian wusste, wenn sich die Zweifel der Baroness nicht in Luft aufgelöst hatten, warteten auf Fritz Aschinger bittere Stunden. Ihr Gesicht hatte nichts verraten, als sie im Jardin du Luxembourg nach der Besichtigung des Schlosses zu seiner Bank zurückkamen. Als wären keine Worte des Zweifels gefallen und sie ganz von dem Herbsttag verzaubert, ließ sie es zu, dass Aschinger ihre Hand ergriff und mit ihr durch die Kastanienallee zum Ausgang des Parks ging. Sebastian war ihnen in einigem Abstand gefolgt. Dass seine Angebetete auf der Fahrt ins Hotel sehr still war, hatte Aschinger nicht einmal bemerkt. Er war nur froh, dass die Lauferei ein Ende hatte, und war schon wieder ganz in seinen Geschäften versponnen.
»Die Blumen machen den Unterschied aus. Auch wir sollten bei uns in den Hotels mehr Blumen in die Eingangshalle stellen und auch damit die Zimmer dekorieren. Wir müssen uns dazu eine passende Gärtnerei anschaffen. Schreib es auf, dass wir uns in Berlin darum kümmern!«
Dann war er mit der Baroness in seiner riesigen Suite verschwunden. Sebastian hatte sich auf seinem Zimmer in seine Bücher vertiefen können.
Nun saßen sie schweigend im Restaurant des Ritz, und das vorher so lebenslustige Mädchen schien jeden Schwung verloren zu haben. Das Restaurant mit der azurblauen Decke und den Stuckornamenten erinnerte Sebastian an eine riesige, im Meer schwimmende Muschel. Wie verzaubert sah Sebastian auf die Kristalllüster, die funkelnden Gläser und das silberne Besteck auf den Tischen, zwischen denen sich gemessen die Kellner bewegten.
Aschinger ließ es sich nicht nehmen, das Menü zusammenzustellen: Foie gras, Steinbutt – Turbot braisé au beurre blanc –, gefüllte Taube mit feiner Gemüseauswahl, dazu gab es ein Glas Sauternes zur Vorspeise, einen Pouilly fumé und einen Margaux Rothschild vom besten Jahrgang, doch vorher wurde alles mit dem Aperitif, einem Champagner von Taittinger, eingeleitet. »Dann wollen wir mal sehen, ob die Küche des Ritz ihrem Ruf entspricht!« Aschinger rieb sich die Hände und sah herausfordernd in die Runde. Doch seine hektische Röte, die Flecke auf den Wangenknochen verrieten, dass ihn auch noch ganz anderes beschäftigte.
Das Restaurant war gut besucht. Es gab nur noch einen freien Platz zu ihrer Rechten. Das Gespräch zog sich schleppend hin. Sebastian versuchte, es dadurch in Gang zu halten, dass er den Tag Revue passieren ließ.
»Am besten gefallen hat mir der Blick von der Place Concorde hoch auf die Champs Élysées zum Etoile hin. Es war, als würde man in den Himmel sehen und mit dem Arc de Triomphe das Tor zum Paradies erblicken.«
»Das kommt daher, dass die Champs ziemlich steil ansteigen. Man merkt dies erst so richtig, wenn man zu Fuß Richtung Arc de Triomphe geht«, stimmte die Baroness zu.
»Bloß nicht!«, wehrte Fritz Aschinger ab.
»Jedenfalls weißt du jetzt, wie Paris aussieht.«
Dann verfielen sie wieder in Schweigen. Als die Baroness zwischen den Gängen sich die Nase pudern ging, beugte sich Aschinger zu Sebastian. »Was meinst du, Johnny, soll ich ihr nach den Gängen den Verlobungsring geben oder erst später, wenn wir an der Bar sind?«
»Haben Sie denn schon um ihre Hand angehalten?«
Aschinger stutzte. »Du meinst, ob ich sie gefragt habe? Nein, dazu ist es auf dem Zimmer nicht gekommen. Ich wollte es, aber sie hat mich immer wieder abgelenkt.«
»Ich würde abwarten. Wenn wir alle ein wenig getrunken haben, wird es Ihnen leichter fallen.«
»Sie wird doch annehmen, nicht wahr?«, flüsterte Aschinger, und seine Augen bettelten um Bestätigung.
»Sie wissen doch, dass ich für Frauen kein Experte bin. Schon gar nicht habe ich Erfahrung mit so reichen, vornehmen Frauen. Sie sind anders als die Frauen, die ich so kenne.«
»Wie anders?«
»Für sie ist alles wie ein Tanz, als wäre ständig Musik um sie herum und das Leben ein ununterbrochenes Fest.«
»Hm, sie ist noch jung«, brummte Aschinger stirnrunzelnd.
»Ja, das auch.«
»Du bist sehr offen. Immerhin sprichst du von meiner zukünftigen Frau«, sagte er unzufrieden. Was Sebastian gesagt hatte, war ihm offenbar zu respektlos. Als habe der bloßgelegt, was er auch schon gedacht hatte, sich aber nicht einzugestehen wagte.
»Sie haben mich nach meiner Meinung gefragt. Aber wie gesagt, geben Sie nicht allzu viel darauf, ich kenne mich in solchen Dingen nicht aus.«
»So sind sie doch alle – nur nicht so schön.«
»Ja, sie ist in der Tat sehr schön.«
»Gib es zu, Johnny, du bist auch ein wenig in sie verliebt! Jeder muss sich in sie verlieben.«
»Ja, das könnte das Problem sein.«
»Wie meinst du das?«
»Sie ist schön und nicht dumm, und ihre Erfahrung ist, dass sie alles bekommt, was sie will, was einschließt …«
»… dass sie jeden bekommt, den sie will!«, sagte Aschinger dumpf. Sebastian schwieg.
»So meinst du das doch?«
»Ich meine, dass es für schöne reiche Mädchen schwierig sein muss zu erkennen, welcher der Richtige für sie ist. Sie braucht ja nur ein wenig ihre Augen rollen zu lassen, und schon umringt sie eine Horde heiratswilliger Kandidaten mit nichts anderem im Sinn, als das wundervolle Wesen ihr Eigentum nennen zu können.«
»Du machst mir nicht gerade Mut.«
»Ich rede Unsinn, ich sollte mich mit dem Trinken zurückhalten.«
»Sie liebt mich. Wäre sie sonst mit mir nach Paris gekommen?«
Die Baroness erschien und setzte sich. Der erste Gang wurde serviert. »Warum macht ihr beide so ein ernstes Gesicht?«, fragte die Weinberg.
»Wir hatten ein philosophisches Gespräch«, erwiderte Aschinger.
»Aber doch nicht heute Abend!«, protestierte die Baroness. »Wenn ich mir den Himmel vorstelle, dann ist er wie das Ritz, und hier grübelt man nicht nach über das Warum, sondern genießt das Jetzt!« Plötzlich flog ein Leuchten über ihr Gesicht, aber es galt nicht ihrem Gegenüber, sondern einem jungen Mann, der mit seiner Begleitung wartend am Eingang stand. »Mein Gott, das ist doch Dieter von Staufenfels!«
Das junge Paar wurde nun von dem Kellner zu dem Tisch nebenan geführt. Die Baroness sprang auf, der neue Gast mit dem schmalen, gutaussehenden Gesicht stutzte und lächelte dann fröhlich.
»Das ist doch Sieglinde! Was machst du hier in Paris?« Er stürmte auf sie zu und umarmte sie. Es dauerte eine Weile, ehe sie voneinander abließen. Erst dann stellte er seine Begleiterin vor, eine Gräfin von Battenberg, eine melancholisch aussehende schwarzhaarige Frau mit einem stolzen Profil, die die Szene mit süßsaurem Gesicht verfolgt hatte. In ihrer Begrüßung zeigte sie die Herablassung, die ein altes Adelsgeschlecht dem Geldadel entgegenbrachte.
Sieglinde von Weinberg ließ sich dadurch keinesfalls einschüchtern und stellte Fritz Aschinger als einen guten Bekannten vor, Sebastian als einen vielversprechenden jungen Mann, und diesem war das die Bestätigung, wie der Abend enden würde. Keinesfalls würde er das Ergebnis bringen, das sich Aschinger erhoffte, sonst hätte sie bei der Vorstellung Aschingers andere Worte gewählt.
»Setzt euch doch zu uns!«, sagte die Baroness und sah dabei Aschinger an, damit dieser die Einladung wiederholte, und so blieb diesem, nach einem verstohlenen ratlosen Blick zu Sebastian hinüber, nichts anderes übrig, als ihrer Aufforderung Folge zu leisten.
»Selbstverständlich, lassen wir doch die Tische zusammenrücken!«
Auf einen Wink Aschingers kam der Ober diesem Wunsch nach.
»Dieter und ich kennen uns von den Reitturnieren. Er ist ein phantastischer Parcoursreiter. Aber eigentlich kennen wir uns schon seit Kindertagen. Wir und die Staufenfels’ haben uns jahrelang auf Sylt getroffen, wo unsere Familien nebeneinander ein Sommerhaus haben.«
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