Heinz-Joachim Simon
Die Tränen des Kardinals
Ein Verschwörungsthriller
Thriller
Simon, Heinz-Joachim: Die Tränen des Kardinals. Ein Verschwörungsthriller. Hamburg, edition krimi 2020
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-946734-80-2
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ePub-eBook: 978-3-946734-40-6
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Satz: 3w+p GmbH, Rimpar
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Wie viele Divisionen hat der Papst?
Stalin
Ich fühle stets die Tragödie der unterdrückten Völker.
Johannes Paul II.
Ich glaube, dass man oft durch Fiktion und Dichtung
der Wahrheit näher kommen kann
als durch die Aufzählung von Fakten.
Florian Henckel von Donnersmarck
1
Im Kolosseum brennen wieder die Kreuze
Die Wolken hingen tief über Hamburg. Als ich aufwachte, regnete es. Ich bin Hamburger und das mit Leidenschaft. Also machte mir das „Schietwetter“ nicht viel aus. Genauso leidenschaftlich übe ich meinen Beruf als Ermittler aus. Damit wird man nicht reich, aber das ist auch nicht mein Lebensziel. Meine Ausbildung bestand aus fünf Jahren Fremdenlegion. Um über die Runden zu kommen, habe ich noch eine Sportschule für asiatische Kampftechniken. Ich bin zwei Meter groß, wiege hundert Kilo und man sagt mir nach, dass ich ein harter Hund bin. In manchen Kreisen dient dies als Kompliment. Mein Name ist Serge Christiansen. Klingt eigentlich recht friedlich.
Ich saß mit meinem Kumpel Dieter Prätorius in der Gurke im schönen Stadtteil Pöseldorf. Wir hatten bereits eine Runde Squash in meiner Sportschule hinter uns und genossen das Hamburger Nationalgericht Labskaus. Wenn Sie kein Hamburger sind, versuchen Sie es erst gar nicht. Mein Leibgericht besteht aus Hering, Kartoffelbrei, Roter Bete, saurer Gurke mit einem Ei drauf. Die Gurke war um diese Zeit gut besucht. Darunter eine Menge Bürohengste mit weißen Hemden, Krawatte und Hochwasserhosen.
Dieter Prätorius war etwas stinkig. Ich hatte ihn beim Squash tüchtig verprügelt. Unsere Freundschaft vertrug auch dies. Er gehörte zum feinen Hamburger Klüngel und hatte die beste Anwaltskanzlei Norddeutschlands. Seine Büroadresse war der Jungfernstieg, was genug über ihn aussagt. Wir genehmigten uns seine Lieblingszigarre, eine Montecristo Edmundo, und dazu einen feinen Chieftain. Ich fühlte mich gut, hatte meine beste schwarze Lederjacke an und die ausgewaschenen Jeans von Lewis. Prätorius dagegen trug wie immer einen schnieken, auf Taille geschnittenen schwarzen Anzug und sah aus, als wenn er Außenminister werden wollte. Man könnte meinen, dass wir nicht viele Gemeinsamkeiten hatten. Ich war HSV-Fan, er schwärmte von Bayern München. Bayernfans sind in Norddeutschland nicht sehr zahlreich. Er war rasiert, ich hatte einen Dreitagebart. Wir liebten beide den Blues, die guten alten Sachen von B.B. King, Howlin’ Wolf und Jack Dupree. Er hatte ungefähr fünfhundert Blues-Platten, ich dagegen nur mickrige zweihundert. Außerdem war er ein Gerechtigkeitsfanatiker. Auch ich gehörte zu dieser Schwadron. Wir lasen beide gern, was man von uns beiden kaum vermutete. Seine Lieblingsautoren waren Faulkner und Steinbeck, meine Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald. Bis dahin hatten wir über Autos geredet. Ich fuhr einen englischen Oldtimer, einen roten Triumph TR6, dessen Motor es an Lautstärke mit einem Ferrari aufnehmen konnte. Ich hatte ihn einem Schauspieler vom Ohnsorg-Theater abgekauft. Er fuhr natürlich Porsche. Der Hamburger Klüngel fuhr immer Mercedes oder Porsche. Und das nächste Thema waren natürlich die Frauen. Ich hatte ihm gestanden, dass mir meine Verlobte Maja Buardi den Laufpass gegeben hatte und nach Rom zurückgekehrt war. Sie hatte mir eine Menge Gründe genannt, die dies rechtfertigten. Erstens sei ich kaum da. Zweitens müsse sie sich dauernd um mich sorgen. Drittens sei ich zu verschlossen. Viertens seien die Menschen in Deutschland trübe Tassen. Fünftens das Wetter … und so weiter. Der Hauptgrund war, dass über der Klingel an meinem Loft „Privatermittler“ stand. Sie mochte meinen Beruf nicht.
Wir pafften also seine teuren Havannas. Ich war normalerweise mit meinen Gauloises zufrieden. Zwölf DM für eine Zigarre konnte ich mir nicht leisten. Er schon. Aber ich gebe zu, dass eine Montecristo ihren Preis allemal wert war.
„Hast du immer noch das Zweitbüro in Rom?“, fragte er plötzlich.
„Ja doch. Seit meinen Ermittlungen hinsichtlich des Todes von Johannes Paul I. habe ich mich mit Majas Bruder zusammengetan, der einst bei der Guardia di Finanza Berlusconi und andere Säcke geärgert hatte. Er verfügt aus der Zeit über großartige Verbindungen, ist clever und ein Bruder im Geiste.“
„Ich habe einen seltsamen Anruf von dem Büro eines Kardinals bekommen. Man wollte wissen, ob du noch immer als Ermittler arbeitest, was ich bejaht habe. Meines Wissens wärst du im Moment frei, aber ich habe denen gesteckt, dass sie sich beeilen sollten, wenn sie dich engagieren wollen. Du wärst ein sehr gefragter Ermittler.“
„Frei wofür? Doch nicht für die Kurie zu arbeiten? Sie haben mich im Vatikan bestimmt nicht in allerbester Erinnerung.“
„Du hast doch im Fall des letzten Papstes keine so schlechte Rolle gespielt.“
Unter dem Tisch knurrte Spencer. Dies bedarf der Erläuterung. Spencer ist ein australischer Hirtenhund und ohne allzu sehr zu übertreiben, klüger als die meisten Menschen. Er sah zwar immer verträumt und zottelig aus – das Haar fiel ihm bis auf die Schnauze – aber er konnte zur Bestie werden, wenn er mich bedroht wähnte. Er hatte leider die lästige Angewohnheit, meine Schuhe zu lecken. Er war ein ausgesprochener Frauenliebling und ließ sich von jeder Schönheit das Fell streicheln. Andererseits war er extrem eifersüchtig. Kurz: Eine sehr komplizierte Hundeseele.
Prätorius hatte mich also gründlich herausgestrichen. Von seinem Freund konnte man das auch erwarten.
„Ich nehme an, dass er bald auf dich zukommen wird.“
„Nichts dagegen. Ich habe gerade eine kleine Flaute.“
Spencer knurrte zustimmend.
„Jedenfalls muss dieser Kardinal ein ganz wichtiger Mann sein. Er hatte einen polnisch klingenden Namen.“
„Ich hätte nichts gegen einen Auftrag in Rom einzuwenden. Vielleicht könnte ich dabei versuchen, die Sache mit Maja wieder in Ordnung zu bringen.“
„Du scheinst immer noch in sie verknallt zu sein.“
„Sieht ganz danach aus“, tat ich kühl. Dabei kribbelte mir die Gesichtshaut, wenn ich nur an sie dachte.
Es wurde noch eine lange Nacht. Wir beendeten sie in einem Jazzclub in der Nähe des Gänsemarkts. Ich war ein wenig angeschlagen, als ich mein Loft nahe den Landungsbrücken aufsuchte. Es ging bereits auf fünf Uhr zu. Ich hörte wie immer meinen Anrufbeantworter ab. Mein alter Freund Fürst Mazarini bat um Rückruf, egal zu welcher Uhrzeit. Ich tat ihm den Gefallen.
„Dein Typ wird hier in Rom verlangt!“, fiel er gleich mit der Tür ins Haus.
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