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In der Schornbaumstraße 11, im Besprechungszimmer zwei, im dritten Stockwerk des Polizeipräsidiums hatten sich Polizeipräsident Karl Lagerfeld, gebürtiger Herzogenauracher, der mit dem berühmten, gleichnamigen Modezar so viel zu tun hatte, wie Nina Hagen mit Papst Benedikt, sowie Ignatz Wiesenstetter und Iris Siebenstiel versammelt. Anwesend war außerdem Bruno Tropfstein, Mitarbeiter von Jens Hagenkötter, dem Leiter des Rauschgiftdezernats, welcher noch durch Abwesenheit glänzte und auf den alle Anwesenden warteten. Kommissar Wiesenstetter konnte den Kollegen noch nie richtig leiden. Ein Preuße aus Oegenbostel, Gemeinde Wedemark, bei Hannover. Oegenbostel kannte in Franken keine alte Sau. Wie auch? Oegenbostel hat dreihundertachtundsechzig Einwohner, die meisten davon in der Nähe des Brelinger Berges wohnend. Dann gibt es noch eine Sandgrube und eine Freiwillige Feuerwehr. Das war’s. Jens Hagenkötter ist eingebildet, arrogant und verdammt gut aussehend. „Wu blabdder denn scho widder, der Hagnködder?“, Polizeipräsident Lagerfeld sah auf seine Armbanduhr.
„Dass Breißn nie bingdlich sei kenna“, setzte Ignatz Wiesenstetter ärgerlich hinzu.
„Tach die Dame, Tach die Herren!“ Jens Hagenkötter wirbelte durch die Tür. „Hoffe die Herrschaften hatten ein angenehmes Silvesterwochenende.“
„Kennd mer vielleichd die Dier zumachn, wemmer scho widder zu schbäd kummd?“, begrüßte ihn Ignatz Wiesenstetter unfreundlich.
„Sieh an, sieh an, der Herr Kolleche Wiesenstetter. Immer gut drauf!“ Jens Hagenkötter schlug mit Schwung die Tür zu, dass der Türstock schepperte.
„Meine Herren“, griff der Polizeipräsident ein, „iehr benehmd eich scho widder wie zwaa kambflusdige Geger, dena sis Hirn nausbloosn und in Orsch neigschdeggd ham. Edz is a Ruh mid dem Rumgebalz! Budder bei die Fisch! Edz wird bloß nu sachlich disgudierd! Habd iehr miech verschdandn?“
Im Verlauf des weiteren Gesprächs stellte sich heraus, dass es sich bei den bei Kathie Schreiber und Ottokar Hochleder gefundenen LSD-Beständen um Happy Dreams handelt, hergestellt in den Drogenküchen Hongkongs, wie Bruno Tropfstein ausführte. Prof. Hochleder bestätigte, dass er sich das LSD im Rahmen einer Dienstreise nach Hongkong, im Restaurant Flying Dragon , auf Kowloon besorgt hatte. Eine Blitzanfrage bei der Polizei in Hongkong ergab, dass das Flying Dragon ein bekannter Drogenumschlageplatz der chinesischen Triaden sei.
„Also, es schaud a su aus, dass do die kienesische Mafia ihre Finger im Schbiel had“, fasste Polizeipräsident Karl Lagerfeld die Besprechungsergebnisse zusammen. „Die Driaadn! Nix Gnaus wiss mer nunni, s’kennd abber su sei. Jedenfalls haßds edz: Ärml hoch und an die Ärwärd. Dees neie Joahr fängd ja scho gud o. Mier missn den Fall schnell aufglärn, weil die Öffendlichkeid machd scho Drugg. Die Nordbayrischn Nachrichdn schreiben ‚Siemens Manager ersticht Frau im LSD-Rausch‘. Der Frängische Dooch had berichded: ‚Voll gekifft flog sie durch die Nacht‘. Der bayrische Innenminisder, der Erlanger Schwullkubf, hoggd mer aa scho im Naggn. Schdündlich rufd der bei mier o und will Ergebnisse sehgn.“
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Zhou Minggang, der Inhaber des Chinarestaurants Moutai in der Gebbertstraße hatte Angst. Todesangst. Wenn er es sich recht überlegte, war er gestern Abend doch zu forsch aufgetreten, als kurz vor dreiundzwanzig Uhr zwei finstere Gestalten in sein Restaurant kamen. Es wäre vernünftiger gewesen, der Schutzgelderpressung nachzugeben, auch auf die Gefahr hin, dass sie ständig wiederkämen. Als Zhou Minggang den tätowierten Drachenkopf auf dem Unterarm eines der beiden erblickte, war ihm klar, wer ihn da besuchte: Geldeintreiber der Triaden. Die chinesische Mafia. Seit fünfzehn Jahren betrieb er nun sein Restaurant ohne Zwischenfall, und doch hatte er sich insgeheim immer vor diesem Tag gefürchtet. „Wenn die Leute in deinen Stall kommen, musst du spucken – Geld oder Blut“, hatte ihn sein Onkel Zhang immer gewarnt. Wie recht er hatte. Als nur noch wenige Gäste im Restaurant waren, winkte ihn einer der Männer zu sich. Der mit der Tätowierung und der hässlichen roten Narbe, welche sich von unterhalb seines linken Auges bis zum Ohrläppchen zog.
„Wir haben kein Wasser unter den Füßen“, raunzte er Minggang an und setzte gleich drohend hinzu: „Wenn du die Polizei einschaltest, bist du ein toter Mann.“ Dann holte er demonstrativ ein Stilett aus seiner Jackentasche und begann damit seine schmutzigen Fingernägel zu reinigen.
Zhou konnte sich im Nachhinein selbst nicht erklären, warum er plötzlich vollkommen ausrastete. Blitzschnell schlug er dem Tätowierten das Messer aus der Hand, welches auf den Boden kullerte. Der war gar nicht auf den überraschenden Angriff vorbereitet. Dem anderen klatschte Minggang die Schüssel mit dem heißen Reis mitten ins Gesicht. Geschwind hob er das am Boden liegende Messer auf, bedrohte damit nun seinerseits die beiden Gangster und schmiss sie unter wüsten Beschimpfungen aus seinem Lokal. „Wenn ihr euch hier nochmals blicken lasst, rufe ich die Polizei“, rief er ihnen wütend nach.
Das war gestern. Heute, als er sein Restaurant aufsperrte, lag ein blutiger, ausgerissener Hühnerkopf vor der Eingangstür. Kein gutes Zeichen. Eine eindeutige Warnung. Die würden wieder kommen. Ganz bestimmt. Und er würde zahlen. Zhou sah auf die Uhr. Kurz vor Mitternacht. Es war schon spät. Zeit, das Restaurant zu schließen und Feierabend zu machen. Immer war er der Letzte. Seine Angestellten waren längst gegangen. Er hatte noch einen langen Nachhauseweg vor sich, aber mit dem Fahrrad würde er um diese Zeit die Strecke in fünfzehn Minuten schaffen. Er kannte die Route wie im Schlaf. Er sperrte das Lokal ab, trat hinaus in die Dunkelheit und packte sein Fahrrad. Es nieselte leicht, doch das störte Minggang nicht. Seine Fahrradbeleuchtung warf schummriges Licht auf den feuchten Radweg. Ruhig trat er in die Pedale und bog nach einer Weile links in die Sophienstraße ab. Im Siemens-Parkhaus standen noch ein paar vereinzelte Pkws herum. Als er zum Roten Platz einbiegen wollte, glitzerten hunderte von kleinen Glasscherben im Schein seiner Fahrradlampe. Zhou trat in die Bremse und stieg von seinem Fahrrad ab. Mit Leichtigkeit hob er seinen Drahtesel über das Hindernis hinweg. Gerade als er wieder aufsteigen wollte, traf ihn von hinten ein harten Schlag in den Nacken. Benommen stürzte er zu Boden. Vier Hände packten ihn fest an beiden Oberarmen und zerrten ihn in den dunklen Schatten des hohen Siemens-Bürogebäudes.
„Sieh an, wen haben wir denn da?“, drang eine chinesische Stimme flüsternd an sein rechtes Ohr.
„Den Bastard aus dem Moutai, der uns an die deutsche Polizei verpfeifen will“, antwortete eine zweite Stimme in der Nähe seines linken Ohrs.
„Du hast gestern einen unverzeihlichen Fehler begangen, Sohn einer dreckigen Hure. Du hast uns nämlich bis aufs Blut gedemütigt. So etwas vergessen wir nicht.“
„Wir nicht“, bestätigte die andere Stimme.
„So etwas bestrafen wir. Und zwar gründlich.“
Zhou Minggang durchfuhr das blanke Entsetzen. Sein Blut geriet in Wallung und das Adrenalin schoss durch seine Adern wie der ICE durch einen Gebirgstunnel. „Ich habe es mir überlegt“, versuchte er seine Haut zu retten, „ich zahle. Es tut mir leid, was gestern passiert ist. Ich habe unüberlegt gehandelt.“
„Zu spät mein Freund. Wir wollen dein Geld nicht mehr. Was du dir gestern erlaubt hast, macht man mit uns nicht, und wenn, dann nur ein einziges Mal im Leben. Du hast nämlich unseren guten Ruf mit den Füßen in den Dreck getreten. Darum fährst du jetzt zur Hölle, du Ausgeburt einer chinesischen Dorfschlampe.“
„Ja, zur Hölle“, wiederholte die Stimme an seinem linken Ohr.
„Wir wünschen dir eine gute Reise. Mach’s gut, mein Freund!“
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