Starke soziale Ungleichheit korreliert zudem mit hohem sozialem Misstrauen der Bürger untereinander und hohen sozialen Problemen (z. B. bei der Anzahl von Insassen in Gefängnissen, höhere Zahlen von Gewalttaten, mehr Teenager-Schwangerschaften, schlechtere Leistungen in der Schule, z. B. in der Lese-Schreib-Kompetenz, Zunahme der Fettleibigkeit usw.). Erfasst wird dies wissenschaftlich im sogenannten Gini-Koeffizienten (von dem italienischen Statistiker Corrado Gini entwickelt), der bei bester sozialer Gleichheit gegen Null tendiert, bei starker sozialer Ungleichheit gegen Eins. Deutschland ist hier noch recht häufig nur im Mittelfeld der Länderskalen zu finden. Eine interessante Bearbeitung des Themas der sozialen Ungleichheit weltweit haben Wilkinson und Pickett in ihrem Buch „Gleichheit – warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“ vorgelegt. Ein schöner Untertitel!
Die sozialen Themen werden uns im Weiteren noch häufiger beschäftigen. Eltern, die möchten, dass es ihren Kindern einmal besser geht oder heutzutage zumindest hoffen, dass sie noch in einer lebenswerten Welt leben können, können ihre Kinder am besten vorbereiten, wie in Kapitel 1zur gesunden Hirnentwicklung beschrieben, damit sie in eine gute Selbststeuerung, guten Selbstwert und soziale Widerstandskraft kommen. Dann sind sie weniger anfällig auf die Verführung durch Konsum und kraftvoller in ihrem Beitrag, die aktuelle Wirtschaftsweise in eine Gemeinwohl-Ökonomie umzuwandeln mit der Chance, die Erde als guten Lebensraum zu erhalten.
2.2 Lebensstil, Mediennutzung und gesundheitliche Verfassung der Eltern
2.2.1 Bedeutung für die Zeit vor und bei der Empfängnis
Vor der Empfängnis
Die Eltern haben je nach gewähltem oder entstandenem Lebensstil einen bestimmten Gesundheitszustand, Stress- und Angst-Level, Stoffwechsel- bzw. Hormon- und Immunstatus mit entsprechendem epigenetischem Muster aktiver und passiver Gene incl. einer dazu passenden Telomer-Länge als Endkappen der Chromosomen.
Nicht nur die chromosomalen Anlagen, sondern auch diese epigenetische Situation wird nun bei einer Befruchtung weitgehend an das Kind weitergegeben, und auf dieser Grundlage macht der Embryo im Uterus nun seine physiologischen, kommunikativen und damit verbundenen emotionalen Erfahrungen.
Eine alte chinesische Tradition (wohl eher bei der privilegierten Bevölkerung angesiedelt), empfiehlt, dass Eltern, die ein Kind haben wollen, sich 100 Tage darauf vorbereiten sollen durch Enthaltsamkeit bei Alkohol und Völlerei, gesundem, in der Menge eben reduziertem Essen, guter Bewegung (QiGong) und Meditation sowie viel Schlaf. Außerdem soll die Vorfreude auf das Kind Raum bekommen. Das Paar kommt sich in seiner Liebe und Feinfühligkeit näher, sexuelle Enthaltsamkeit bzw. reduzierte sexuelle Aktivität unter Vermeidung einer Befruchtung ermöglichen die 100 Tage ohne Empfängnis.
Ein solcher Zeitraum von einem guten Vierteljahr der Lebenspflege ist zur Vitalisierung der Eltern wissenschaftlich gesehen äußerst sinnvoll. Es kommt zur Normalisierung von Körpergewicht und Bauchfett, die Leber wird entfettet und kann wieder die Gefäße und das Herz schützen, Gewebe, insbesondere Stützgewebe, Sehnen und Bänder werden geschmeidig, Muskeln erhalten genug Energie. Der Hormonhaushalt wird balanciert und die Sexualorgane vitalisiert, die Fruchtbarkeit von Mann und Frau gestärkt. In den Zellkernen der Zellen der Eltern, auch der Geschlechtszellen, die an das Kind weitergegeben werden, schaltet das epigenetische Muster in dieser Zeit auf ein lebensförderliches Muster.
Kommt es nach dieser Zeit zur Empfängnis, was aufgrund der meist guten Fruchtbarkeit und nach sexueller Enthaltung bzw. Zurückhaltung großer sexueller Lust beider zukünftiger Eltern sehr wahrscheinlich ist, hat das Kind beste Einnistungs-Bedingungen und erhält ein bestmögliches, stressarmes epigenetisches Muster mit aktiver Telomerase und verlängerten Telomeren vererbt, von dem es lebenslang profitieren kann.
Klingt das nicht schön, eine solche liebevolle Vorbereitungszeit auf und für das Kind? Mancher mag einwenden, dass das heute nicht mehr gehen kann. Aber warum denn nicht? Wir werden uns das in Kapitel 5bei den Gestaltungsräumen, die wir haben, genau anschauen.
Bedeutung für die Zeit der Schwangerschaft
In der Schwangerschaft ist es jetzt wichtig, dass die schwangere Frau möglichst sorgen- und stressfrei leben kann, damit sich das Kind im Uterus möglichst ungestört in guter innerer Kommunikation mit der Mutter entwickeln und gute Erfahrungen machen kann.
Das Mutterschutzgesetz in Deutschland schützt die Schwangere und ihr Kind im Bauch vor Gefährdungen des Lebens und der Gesundheit. Das erstreckt sich aber bisher nicht explizit auf den wichtigen Sachverhalt von weitgehender Stressfreiheit der Mutter im Sinne bestmöglicher Kindesentwicklung mit den Telomeren des Kindes im Fokus.
Daher wiederhole ich die Zitate aus Kapitel 1:
„Die starke seelische Belastung einer Schwangeren wirkt offenbar in der nächsten Generation nach und beeinflusst die Entwicklung der Telomer-Länge des Kindes auf Jahrzehnte hinaus.“
„Die Telomere des Babys lauschen dem Stress der Mutter.“
(Prof. Dr. Elisabeth Blackburn)
Viele schwangere Frauen arbeiten gerne in der Schwangerschaft weiter und fühlen sich gut, sofern die Arbeit Freude macht, nicht sehr erschöpft und sie Pausen bekommen, wie sie es brauchen.
Wenn die Arbeit aber stresst, sehr erschöpft oder vielleicht sogar Mobbing stattfindet, dann ist eine Stress-Wirkung auf das Kind sehr wahrscheinlich, selbst wenn die Schwangere selbst keine offensichtlichen Symptome hat. Aber auch eine empfundene Stressbelastung ohne aktuell nachweisbare Symptome trotz Einhaltung der Vorschriften des Mutterschutzgesetzes seitens des Arbeitgebers sollte im Interesse des Kindes ernst genommen werden.
Dies ist natürlich der Wahrnehmung und der Entscheidung der Schwangeren überlassen, aber es macht Sinn, dies ggf. mit dem Arzt des Vertrauens zu besprechen und zu klären, ob, aus Gründen der Vermeidung von Stressfolgen auch für das Kind, ein Beschäftigungsverbot geboten ist.
Aber das gilt natürlich genauso für Stress in der Partnerschaft oder andere Bereiche, wo möglichst Klärung erzielt werden sollte.
Stressfolgen in der Schwangerschaft für das Kind müssen zukünftig also viel ernster genommen werden, weil hier schon Weichen für die Zukunft gestellt werden. Dies war in der Vergangenheit in dieser Weise nie wirklich im Fokus, aber wir können mit diesem Wissen den Kinderschutz auf das Ungeborene nunmehr ausweiten, vorerst individuell, aber mit der Forderung nach weiteren praktikablen Kriterien im Mutterschutzgesetz.
Dies ist auch deshalb wichtig, weil so auch soziale Ungleichheit weiter vermindert werden kann, denn mit ausreichenden finanziellen Verhältnissen kann eine Schwangere diese Zeit natürlich auch stressärmer gestalten als bei der Notwendigkeit der Lohnarbeit der Schwangeren für den Lebensunterhalt der Familie bzw. im Single- oder alleinerziehenden Haushalt.
Hier müsste die Möglichkeit des Beschäftigungsverbotes klarer geregelt und sich auch explizit auf absehbare Stressfolgen für das Kind erstrecken, da im Beschäftigungsverbot die Lohn- oder Gehaltszahlung ja weiterläuft wie im üblichen Mutterschutz in den Wochen um die Geburt. Und Ärzte müssten sich hier unbedingt in epigenetischen Fragen weiterbilden, da dies in der bisherigen Ausbildung noch zu wenig Raum bekommt. So kann ein Faktor sozialer Ungleichheit etwas ausgeglichen werden, bevor allgemeinere gesellschaftliche Gestaltungen greifen.
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