Fuldaer Hochschulschriften
Fuldaer Hochschulschriften
Im Auftrag der Theologischen Fakultät Fulda
herausgegeben von Jörg Disse
in Zusammenarbeit mit Richard Hartmann
und Bernd Willmes
Markus Lersch /
Christoph G. Müller (Hrsg.)
„Seid ihr bereit…?“ – Priester sein in unserer Zeit
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über < http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
© 2011 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.deGestaltung: Hain-Team, Bad Zwischenahn ( www.hain-team.de) Druck und Bindung: Druckerei Friedrich Pustet, Regensburg ISBN 978-3-429-03427-6 (Print) ISBN 978-3-429-04611-8 (PDF) ISBN 978-3-429-06024-4 (Epub)
Grußwort Bischof Heinz Josef Algermissen
Vorwort Markus Lersch / Christoph G. Müller
„Ihr seid ein heiliges Volk, eine königliche Priesterschaft!“ Christoph G. Müller
Christsein heißt Priestersein – Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen in der Tradition Markus Lersch
Amt „von oben“ – Amt „von unten“? – Zur Frage nach dem Sinn des priesterlichen Dienstes Weihbischof Karlheinz Diez
„Stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes!“ – Zur Theologie und Liturgie der Priesterweihe Cornelius Roth
Zwischen Mönch und Manager: Pfarrer und Seelsorger – Zum Profil des priesterlichen Dienstes heute Richard Hartmann
Neuere Literatur zum Priestertum (in Auswahl)
Autorenverzeichnis
Bischof Heinz Josef Algermissen
Der hier vorgelegte Band der Fuldaer Hochschulschriften darf sich zu Recht als eine akademische Frucht des von unserem Heiligen Vater, Papst Benedikt XVI., ausgerufenen Priesterjahres verstehen, welches am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu 2010 zu Ende ging.
Gewissermaßen zur geistlichen Nachlese dieses „Jahres der Erneuerung des Priestertums“ liegen nun die im Rahmen des Kontaktstudiums im Sommersemester 2010 gehaltenen Vorträge leicht bearbeitet in schriftlicher Form vor. Darüber bin ich als Großkanzler der Theologischen Fakultät Fulda sehr froh. Ein besonderer Dank gilt daher allen vortragenden Professoren der Theologischen Fakultät Fulda, die sich dem Thema von den verschiedenen Blickwinkeln der theologischen Teildisziplinen her (Neues Testament, Dogmatik, Liturgie, Pastoraltheologie) gewidmet haben, sowie allen, die diese Veröffentlichung ermöglicht haben.
Ein Blick auf die hier dargebotenen Beiträge macht deutlich, dass alle Texte auf je eigene Weise die Frage nach der Verhältnisbestimmung des besonderen Weihepriestertums zum gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen thematisieren. Gleichsam wie ein „roter Faden“ durchzieht diese zentrale Fragestellung die vorliegenden Aufsätze. Seit längerem lässt auch die öffentlich geführte Debatte um die konkrete Gestaltung priesterlich gelebten Lebens erkennen, dass diese vom II. Vatikanischen Konzil theologisch vorbereitete Neujustierung von großer Bedeutung für das kirchliche Leben im 21. Jahrhundert sein wird.
Es ist mir als Bischof ein besonderes Anliegen, mit der dogmatischen Konstitution „Lumen gentium“ Nr. 10 darauf hinzuweisen, dass „das gemeinsame Priestertum der Gläubigen […] und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, […] sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach (essentia, non gradu tantum)“ unterscheiden. „Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil.“ Er, Christus, ist nach Ausweis des Hebräerbriefes der einzige Hohepriester, an dessen priesterlicher Würde und Sendung wir alle teilnehmen (vgl. Hebr 4,14–5,10; 7,1–10,18). Priesterliches Volk und geweihte Amtsträger sind in der allgemeinen Teilhabe, die der spezifischen stets vorausgeht, immer aufeinander verwiesen.
Papst Johannes Paul II. hat diesen Wesenszug der Kirche in seiner Enzyklika „Ecclesia de eucharistia“ (2003) im Hinblick auf das Altarsakrament dargelegt: Aus dem priesterlichen Volk geht der geweihte Priester hervor. Und: Durch den priesterlichen Dienst wird das Volk Gottes sakramental auferbaut.
Mitunter allerdings wird der Priester als anachronistisches Relikt aus vergangenen Zeiten angesehen, aber im großen Ganzen unserer Gesellschaft suchen die Menschen heute nach authentischen und integren Persönlichkeiten, denen man aufgrund ihrer Glaubensüberzeugung und Lebensführung eine hohe moralische Autorität zuspricht in einer Welt, die ansonsten nur das Schachern um den größtmöglichen Vorteil zu kleinstmöglichen Preisen kennt. Insofern ist der Priester heute, oft ohne sich dessen bewusst zu sein, tatsächlich eine Herausforderung, gerade weil er nicht innerweltlichen Interessengruppen zugeordnet werden kann, sondern als Mann des Himmels auf eine transzendente, göttliche Wirklichkeit verweist. Damit leistet der Priester auch einen wesentlichen gesellschaftlichen Dienst, denn ohne Gottesbeziehung verlieren sich Menschen leicht in hektischer Torschlusspanik und gehen mitunter buchstäblich über Leichen.
Ich wünsche, dass der vorliegende Band der Fuldaer Hochschulschriften in diesem Sinne einen neuerlichen Impuls für das Leben der Kirche unter den veränderten Bedingungen unserer Zeit gibt, auch über die Grenzen unseres Bistums hinaus.
Bischof von Fulda
Markus Lersch / Christoph G. Müller
Als Papst Benedikt XVI. am 16. März 2009 vor der Vollversammlung der Kleruskongregation in Rom ein Priesterjahr zwischen den Herz-Jesu-Festen 2009 und 2010 ankündigte, konnte er noch nicht ahnen, wie sehr das Priesteramt in diesem Zeitraum – freilich anders als gewünscht – in den öffentlichen Fokus geraten würde. Das ursprüngliche Leitmotiv dieses zweiten Themenjahres des Pontifikats Benedikts im unmittelbaren Anschluss an das „Paulus-Jahr“ war es, „das Engagement einer inneren Erneuerung aller Priester für ein noch stärkeres und wirksameres Zeugnis für das Evangelium in der Welt von heute zu fördern“ 1. Vorbild dieser geistlichen Erneuerung, so der Papst in dem soeben zitierten Brief zum Beginn des Priesterjahres, sei der heilige Pfarrer von Ars, Jean Marie Vianney, dessen Todestag sich am 4. August 2009 zum 150. Mal jährte.
Zu dieser spirituellen Zielsetzung des Priesterjahres ist aber rebus sic stantibus schnell eine allgemeine Debatte über das Priestertum und seine Gestalt angesichts der drängenden Herausforderungen der Gegenwart und der sich rasant verändernden Situation der Kirche hinzugekommen – mit teils großer Skepsis hinsichtlich der Tragfähigkeit einer Ausrichtung am Priesterideal eines französischen Landpfarrers aus dem 19. Jahrhundert. 2Verschärft wurden diese grundsätzlichen Debatten dann vor allem durch das Bekanntwerden mehrerer Fälle von Missbrauch und Gewalt durch Priester, welche die Kirche (gerade in Deutschland) aufs Neue dramatisch erschüttert haben. Gisbert Greshake kommt angesichts dessen in seinem Rückblick auf das Priesterjahr in der Herder Korrespondenz nicht umhin, die derzeitige kirchliche Situation als „katastrophal“ zu bezeichnen. 3Papst Benedikt selbst sieht in dem Zusammenfall der Enthüllungen mit dem Priesterjahr gar einen Angriff des „bösen Feind[s]“ auf das neu erstrahlende Priestertum. 4
Читать дальше