Helmut Höfling - Sherlock Holmes in unserer Zeit

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Superdetektive und Superkommissare in Büchern, Film und Fernsehen bestimmen für viele Menschen das Bild von Kriminalistik und Verbrechensbekämpfung. Die Realität sieht anders aus: Eine gute Spürnase und ein lässiger Trenchcoat genügen nicht. Erfolgreiche Kriminalisten zeichnen sich vor allem durch kühle, sachliche Beharrlichkeit aus und – heute immer mehr – durch geschickten Umgang mit modernen Technologien. An authentischen Kriminalfällen wird packend und verständlich gezeigt, welche Methoden entwickelt wurden, um dem Täter auf die Spur zu kommen.-Der Autor hat das international erfolgreiche Buch für diese E-Book-Ausgabe leicht verändert und erweitert. -
"Helmut Höfling macht mit seinem hervorragenden, aus dem Rahmen ähnlicher Veröffentlichungen fallenden Buch klar, dass Verbrechensbekämpfung keine Freizeitbeschäftigung für Denksportler ist, sondern eine mühselige, oft aufreibende Kleinarbeit, die nur im Zusammenwirken vieler Spezialisten geleistet werden kann. An packend dargestellten, authentischen Kriminalfällen zeigt der Autor die Entwicklung der Kriminalistik und ihrer Methoden von den Anfängen bis in die jüngste Gegenwart… Das alles ist gekonnt, mit großem Sachverstand und viel Liebe zum Detail gemacht. Immer spürt man die liebenswerte Bewunderung des Autors für jene, die dieses komplizierte Instrumentarium handhaben: die Kriminalisten. Und das wirklich Erstaunliche: Dies ist (fast) ein Fachbuch; aber es liest sich wie ein guter Kriminalroman, immer spannend, immer verständlich… Auch wem es nur auf die Lektüre kurioser Fälle der Kriminalgeschichte ankommt, wird voll auf seine Kosten kommen. Kurzum: ein rundum gelungenes, wirklich empfehlenswertes Buch." (Waldemar Burghard, EX Leiter des Landeskriminalamtes Niedersachen, in «Neue Osnabrücker Zeitung») –
"Ein garantierter Ausleihrenner! («Empfehlenswerte Bücher für öffentliche Bibliotheken»).

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Sherlock Holmes in unserer Zeit

Helmut Höfling

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2015 Helmut Höfling

ISBN 978-3-7375-1857-4

INHALTSVERZEICHNIS

VERBRECHEN SIND SO ALT WIE DIE MENSCHHEIT

Meisterdetektiv Sherlock Holmes und die Wirklichkeit

Den stummen Tatort zum Sprechen bringen

Ein „Mord ohne Toten“

Verbrechen sind nicht immer und überall Verbrechen

JEDER HAT EIN UNAUSLÖSCHLICHES SIEGEL

Von der Kennzeichnung zum Erkennungsdienst

Körpermaße zur Identifizierung

Der faule Trick der indischen Pensionäre

Die verräterische Spur auf der Likörflasche

Ein Fleck auf dem Kalender

Der Fall der „Deptford-Mörder“

Von der Wiege bis zur Bahre ein unauslöschliches Siegel

Der Mord am Terrassenufer

Durch Computer in Sekundenschnelle

Der „Tote von Millery“

Der Kriminalist und der Gerichtsmediziner

WAS BLUT UND HAARE ALLES VERRATEN

„Fort, verdammter Fleck! Fort, sag‘ ich!“

Leuchtendes Blut

Ein dummes Wort hat böse Folgen

Verräterische Haare

Was man aus Haaren alles erkennen kann

Das Mädchen in der Kiesgrube

„Atom als Detektiv“

GIFT GIBT IMMER WIEDER RÄTSEL AUF

Vergiften ist eine der ältesten Mordarten

Der exakte Nachweis des „Erbschaftspulvers“

Giftiger Schokoladenpilz

Ein neues Mordgift wird entdeckt

Gift ohne Spuren

Was heilt, kann töten

WASSER, KUGELN, EXPLOSIONEN

Wer ertrinkt, der erstickt

Der nasse Tod

Massenmord im Bandenkrieg

Schussspuren – der „Fingerabdruck“ jeder einzelnen Waffe

Feuerwaffen, Geschosse und Schusswunden

Der Todesflug der DC 3

„Detektive“ im Labor

Terror, Bomben, Explosionen

DER KRIPO INS LABOR GESCHAUT

Verbrechensaufklärung mit naturwissenschaftlichen Methoden

Den Spuren auf die Spur kommen

Mit dem REM bis zu 50.000fach vergrößert

„Kommissar Raster“

Aus dem Fenster gestürzt: Mord, Selbstmord, Unfall?

„Rasterfahndung“ und „Grünecken“

Kriminelle und Kriminalisten gehen mit der Zeit

Moderne Technik in der Kriminaltechnik

Weder Sherlock Holmes noch Fernsehkommissar

Kleiner Dieb – großer Mörder

Der Stein kommt ins Rollen

Der unbestechlichste Verbündete

Literaturverzeichnis

VERBRECHEN SIND SO ALT WIE DIE MENSCHHEIT

Meisterdetektiv Sherlock Holmes und die Wirklichkeit

Es ist nichts so fein gesponnen, dass es nicht kommt ans Licht der Sonnen.“ Schön wär’s, wenn dieses bekannte Sprichwort auch immer zuträfe. Leider aber sieht es in Wirklichkeit oft anders aus. Das gilt auch in hohem Maße für die Kriminalität, denn viele begangene Verbrechen werden erst gar nicht bekannt. So geschieht es immer wieder, dass der Arzt, der den Totenschein ausstellt, nicht die wahre Todesursache erkennt. Wo er einen natürlichen Tod annimmt, handelt es sich in Wirklichkeit um einen Mord.

Bei einem alten Menschen liegt ohnehin die Vermutung nahe, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist –näher jedenfalls als bei einem jungen Menschen. Deshalb schöpft der Arzt, der dies bescheinigt, wohl kaum Verdacht, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. Die Anzeichen oder Verdachtsmomente, die zum Beispiel auf einen Tod durch Erwürgen, Erdrosseln oder eine sonstige Art des Erstickens hinweisen, bemerkt er nicht. Erst Zufälle fördern den wahren Sachverhalt zutage. Gerüchte kommen auf, Nachbarn wundern sich, bis schließlich jemand die Kriminalpolizei verständigt und die Ermittlungen den Verdacht bestätigen.

Verdeutlicht wird dies durch die beiden folgenden Fallbeispiele:

Bei einem sechsundfünfzigjährigen Mann, der plötzlich gestorben war, bescheinigte der Arzt den Tod durch Alkoholvergiftung, verbunden mit einer Herzschwäche. Anderthalb Jahre später starb im gleichen Haus ein zweijähriges Mädchen, das Rotkohl aus dem Hundenapf gegessen hatte. Darin war Thallium gewesen, mit dem der Hund vergiftet werden sollte – nun aber war ein Kind das Opfer geworden. Durch diesen Unglücksfall tauchten erneut Zweifel an der Todesursache des Sechsundfünfzigjährigen auf. War er tatsächlich an Alkoholvergiftung und Herzschwäche gestorben – oder hatte man auch ihm Thallium ins Essen gemischt? Als die Gerüchte nicht verstummten, ging man ihnen nach und exhumierte den Toten. Die Untersuchung der Leiche bestätigte das Misstrauen der Nachbarn: Der Mann war nicht an einer Alkoholvergiftung gestorben, sondern mit Thallium vergiftet worden. Die Ehefrau wurde verhaftet und gestand, ihren Mann wegen dauernder Streitereien getötet zu haben. Er wollte, so erklärte sie, „die Giftkörner eben haben, und da hat er sie auch bekommen.“ Vor Gericht widerrief sie jedoch ihr Geständnis und behauptete, er habe sich selbst das Leben genommen.

Wie das Beispiel lehrt, waren hier Indizien verkannt worden. Denn da das zerrüttete Verhältnis der Ehegatten zueinander allgemein bekannt war, hätte man ihm Beachtung schenken und dem plötzlichen Tod misstrauisch gegenüberstehen müssen. Eine genaue Untersuchung der Leiche zwang sich hier geradezu auf.

Der zweite Fall hat sich 1966 in Holland ereignet. Der Kraftfahrer H. brauchte Fliesen für sein Haus. Zusammen mit seiner Frau und seinem Freund K., der als sachverständiger Berater beim Einkauf dienen sollte, fuhr er nach Sch., wo die Ware begutachtet, gekauft und schließlich aufgeladen wurde. Die Abenddämmerung brach bereits herein, als sie endlich mit hoch beladenem Wagen den Heimweg antraten. In einer Kurve, wo die Straße direkt auf einen Kanal zuführte, geriet H. mit seinem Fahrzeug ins Wasser. Schnell versank der Wagen. Hilferufend stand H. auf dem Dach des untergehenden Fahrzeugs. Als Einziger konnte er sich schließlich retten. Mit einem Nervenzusammenbruch wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Seine Frau und sein Freund jedoch waren ertrunken.

Als ein reichliches Jahr später H. das Aufgebot bestellte, um die Witwe seines Freundes K. zu heiraten, brach der Dorfklatsch aus. Schon lange wussten die Nachbarn, dass H. mit der Frau seines Freundes K. ein Verhältnis hatte – nur den beiden anderen Ehepartnern war dies bis zu ihrem Tod im Kanal verborgen geblieben. Auch bei der Polizei war darüber nichts bekannt gewesen. Da jetzt jedoch immer offener über das frühere ehebrecherische Verhalten des Liebespaares gesprochen wurde, mussten auch die Strafverfolgungsbehörden davon Kenntnis nehmen. Als sie die Rekonstruktion des vorjährigen Verkehrsunfalls anordneten, stellte sich heraus, dass es sich nicht so ereignet haben konnte, wie H. damals angegeben hatte. Die Widersprüche veranlassten H. schließlich zu einem Geständnis. Er hatte den Wagen absichtlich ins Wasser gelenkt, um die beiden „Ehehindernisse“ zu ermorden. Sowohl H. als auch seine Geliebte wurden verhaftet und vor Gericht gestellt.

Für beide Fälle gilt dasselbe: Was zunächst so natürlich aussah, war in Wirklichkeit Mord. Konnten diese Verbrechen noch nachträglich aufgeklärt werden, so bleiben viele andere für immer unerkannt. Um zu unterstreichen, dass dies leider keine Seltenheit ist, hat ein bekannter Kriminalist einmal folgenden bildhaften Vergleich geprägt: Wenn man am Grab einer jeden Leiche, die durch ein unerkanntes Verbrechen umgekommen ist, eine Kerze anzünden würde, dann wäre der Friedhof hell erleuchtet.

Was ist der Grund hierfür? Fehlt es vielleicht in aller Welt an Detektiven von der Klasse eines Sherlock Holmes?

Als vor rund hundert Jahren in London der Roman „Eine Studie in Scharlachrot“ des schottischen Arztes Conan Doyle erschien, ahnte niemand, dass die Hauptfigur darin, der Meisterdetektiv Sherlock Holmes, jahrzehntelang für Millionen Menschen das Bild von Kriminalistik und Verbrechensuntersuchung bestimmen sollte. Der Haupttrick, mit dem der Autor seinen Romanhelden Sherlock Holmes immer wieder glänzen lässt, ist die Konstruktion einer vollständigen Personenbeschreibung des Täters aus irgendeiner Kleinigkeit am Tatort. Aus einem einzelnen Härchen, das er am Schauplatz des Verbrechens auf den ersten Blick entdeckt, leitet er Haarfarbe, Barttracht, Alter, Körpergröße, sämtliche Kinderkrankheiten und gegenwärtige Unpässlichkeiten des Täters ab. Eine mikroskopische und chemische Untersuchung des Schnurrbarthärchens liefert ihm ferner völlige Aufklärung über die soziale Klasse, den Beruf, die letzte Mahlzeit, den Friseur, den Geburtsort und die klimatischen und geographischen Verhältnisse der letzten Aufenthaltsorte des Verbrechers.

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