Hausbaumetaphorik ist in der antiken Literatur relativ häufig zu beobachten 9und Leserinnen und Lesern des Neuen Testaments vor allem aus paulinischen Briefen vertraut, insbesondere was die Verwendung des Verbs
angeht. Das Bild vom Hausbau wird allerdings schon im soeben angesprochenen Vers 1 Petr 2,5 verlassen bzw. neu akzentuiert; jetzt dominiert Tempel- bzw. Kultmetaphorik: Die Angesprochenen sollen sich auch auferbauen lassen „zu einer heiligen Priesterschaft
um darzubringen 10geistliche Opfer, Gott wohlgefällige
durch Jesus Christus“. Wir stoßen hier auf eine der markanten Stellen des Neuen Testaments, die Theologen späterer Generationen von einem „gemeinsamen Priestertum“ der Gläubigen sprechen lassen. Miteinander bilden die Glaubenden eine Priesterschaft, 11die Opfer darbringt, allerdings in einem im Vergleich mit anderen Stätten der Gottesverehrung modifizierten Sinn: Es handelt sich um geistliche Opfer
12geht es doch auch um ein „geistliches Haus“.
Und: Sie werden Gott dargebracht „durch Jesus Christus“. 13Die geistlichen Opfer sind die dem Erwählungshandeln Gottes angemessene Antwort der Berufenen . Die Adressaten des Schreibens sind nach 1 Petr 2,5 berufen „zum Priesterdienst an der Welt
Ex 19,6; 23,22 > 1 Petr 2,5)“, 14zu einer ausdrücklichen „Heiligung des Alltags“. 15Der 1 Petr bedient sich hier offensichtlich einer Formulierung des LXX-Textes von Ex 19,6, 16denn der hebräische Text spricht von einer „Herrschaft von Priestern“. Die Kolleginnen und Kollegen, die sich primär mit der Auslegung des alttestamentlichen Textes beschäftigen, geben uns für diese Textstelle wichtige Hinweise, die es auch bei der Rezeption von Ex 19,6 im Neuen Testament zu bedenken gilt: „‚Königreich/Königtum von Priestern‘/‚priesterliches Königreich‘ ist […] zu verstehen als eine Metapher für die am Sinai konstituierte Beziehung zwischen Gott und Israel , die Israel zu etwas Besonderem in der Völkerwelt macht. Die Nähe zu Gott und die Auszeichnung Israels werden im Halten der Tora immer wieder aktualisiert und konkretisiert.“ 17
Als alttestamentliche Grundlage des Sprachgebrauchs von 1 Petr 2,5.9 ist neben Ex 19,6 18auch Ex 23,22 zu bedenken. In beiden Fällen liegt ein metaphorischer Sprachgebrauch vor. Es geht um die Aussonderung des Volkes für JHWH , um die Betonung und Bewahrung der Heiligkeit als ein dem Herrn gehöriges Volk 19und um eine „priesterliche“ Funktion für die Umgebung des Volkes Israel, 20primär in der Gestalt der Verkündigung, wie eine Stelle aus Tritojesaja nahelegt, wenn es dort (Jes 61,6) heißt: „Ihr alle aber werdet ‚Priester des Herrn‘ genannt, man sagt zu euch ‚Diener unseres Gottes‘.“ 21Angesprochen wird dabei – hier wie dort – das Volk insgesamt, denn es „liegt im jüdischen Erwählungsglauben begründet, dass das individuelle Selbstbewusstsein sich vorrangig im Rahmen des kollektiven Bewusstseins ausbildet“ 22. Das wird auch für die neutestamentlichen Textstellen zu bedenken sein; auch hier werden die Glaubenden von Gott selbst zu einem priesterlichen Ensemble gemacht, 23zu einem Volk, dessen König Gott selbst ist.
Im zweiten Kapitel des 1 Petr werden, was sich bereits im vorausgehenden ersten Kapitel beobachten lässt, zentrale theologische Aussagen mit Zitaten aus der „Schrift“ 24in Beziehung gebracht, wenn 1 Petr 2,6 formuliert: „Denn es ist enthalten
in (der) Schrift
: Siehe, ich setzellege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein
, und der Vertrauende auf ihn wird niemals zuschanden werden .“ Die „Schrift“
enthält
Worte, so gibt es der 1 Petr ausdrücklich zu verstehen (2,6), die dieses Schreiben als Bestandteil des theologischen und paränetischen Reflektierens und Argumentierens nutzt. Betrachtet man den gesamten Text des Schreibens, so ist eine ausgesprochen starke Dichte an alttestamentlichen Zitaten und Anspielungen zu verzeichnen, was sich insbesondere in den ekklesiologischen Vorstellungen niederschlägt.
Der Ausdruck
(V. 5 und V. 9) kennzeichnet schon in der LXX „die Priesterschaft als Körperschaft, nicht als Funktion“ 25. Das Wort wird auf ein Kollektiv bzw. Ensemble bezogen. 26Das bedeutet für die Interpretation von 1 Petr 2,5.9, dass es hier weniger oder gar nicht um eine „personale Wesensbestimmung des einzelnen Christen“ 27geht, was allerdings in der Rezeption der Textstellen häufig wenig bedacht wurde und wird. „In metaphorischer Sprache werden die Adressaten, und zwar im kollektiv-korporativen Sinn, ihrer Erwählung (1,1; 2,4.6.9; 5,10.13) und Heiligkeit (1,15–16; 2,5–6.9; 3,2) versichert. Dazu bedient sich der Autor des Bildinventars aus Ex 19,6, das weder dort noch hier eine buchstäbliche und individualisierende Deutung erlaubt.“ 28Die Stärke des Bildes besteht vor allem darin, dass den Einzelnen in der Gemeinschaft Würde, eine besondere Gottesbeziehung, der Zugang zum Geheimnis Gottes und damit verbunden auch ein Auftrag in der Welt zugesagt werden.
Wie sehr die Ekklesiologie des 1 Petr von einem gesättigten Selbstbewusstsein geprägt ist, lässt vor allem der Vers 1 Petr 2,9 erkennen, der für das gesamte Schreiben von zentraler Bedeutung ist:
„Ihr aber seid (ein) erwähltes Geschlecht, (eine) königliche Priesterschaft,
(ein) heiliges Volk
, ein Volk zum Eigentum
, damit ihr verkündet die großen Taten/Wohltaten
dessen, der euch aus der Finsternis gerufen hat in sein wunderbares Licht.“
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