Es lassen sich mindestens fünf zentrale „Bausteine“ 29einer für den 1 Petr kennzeichnenden Ekklesiologie ausmachen, die hier nur in gebotener Kürze benannt werden sollen:
Die Adressaten werden im 1 Petr als „erwähltes Geschlecht“
angesprochen. Schon vom Beginn des Briefes an spielt der Gedanke der göttlichen Erwählung eine ganz zentrale Rolle. „Als auserwählte Fremdlinge (1,1) sind die Christen […] Gott zugeeignet und zugleich der Welt enteignet.“ 30Die Erwählung, 31die das Präskript mit der
Gottes, des Vaters, (1,2) verbindet, ist ein Thema, 32das vor allem auch daran erkennbar wird, wie der 1 Petr die
(2,6), die heiligen Schriften Israels, aufnimmt und gebraucht. Auch wenn es sich bei der Mehrheit der Angesprochenen um sogenannte Heidenchristen 33handelt (vgl. vor allem Stellen wie 1 Petr 1,18 und 4,3), setzt der Autor bei Christen mit heidenchristlicher Vergangenheit Schriftkenntnisse voraus, die theologisches und paränetisches Reflektieren und Argumentieren durch Zitate, Anspielungen u. Ä. möglich machen. 34Die Erwählung, die bei der Vorstellung von einer „Neugeburt“, wie sie im 1 Petr verwendet wird, vielleicht zunächst eher an Einzelne denken ließ, ist freilich eine Erwählung in ein
– „ein Geschlecht“ – und damit in ein Ensemble.
Miteinander bilden die Glaubenden eine „königliche Priesterschaft“ (1 Petr 2,9). 35Von
war bereits in 1 Petr 2,5 gesprochen worden. 36Um die Würde 37 und Bedeutung dieser Priesterschaft zu unterstreichen, wird das Adjektiv 38„königlich“ eingesetzt. 39Miteinander haben die Glaubenden demnach Zugang zum Geheimnis Gottes; „Instanzen“, die diesen Zugang erst vermitteln, werden im zweiten Kapitel des 1 Petr nicht erkennbar. Die Aufgabe und Rolle der königlichen Priesterschaft kann mit Stephen Ayodeji Fagbemi so beschrieben werden: „By being holy and obedient to Yahweh, they mediate God to the nations and thus fulfill their priestly role.“ 40Das bedeutet nach Ilmars Hiršs: „Die Christen sind als
dazu berufen, Gottes Heilstat in Jesus Christus den Menschen zu verkündigen und damit Gott
darzubringen.“ 41„Geistliche Opfer“ sind jene – wie eingangs bereits angedeutet –, „die unter Mitwirkung des Gottesgeistes dargebracht werden; die Gaben können dabei theoretisch körperlicher oder geistiger Art sein.“ 42Manche Ausleger bemühen sich, Konkretisierungen zu benennen, und zählen z. B. „Gebete und Dank, Buße und Treue, Zeugnis und Mission“ 43auf. 44
Die vor allem im ersten Kapitel des 1 Petr angesprochene Heiligkeit Gottes, die gewissermaßen auf die Glaubenden selbst „überspringen“ soll (vgl. vor allem 1 Petr 1,15–16), wird in 1 Petr 2,9 auch der Gemeinschaft insgesamt zugesprochen, wenn sie ein „heiliges Volk“
genannt wird. 45Dabei wird auffälligerweise auf den Begriff
verzichtet (vgl. allerdings den nachfolgenden V. 10).
Die besondere Gottesnähe und -beziehung kommt schließlich auch in „ein Volk zum Eigentum “
zum Ausdruck. 46Da der Begriff
nicht nur für „Besitz, Eigentum“ steht, sondern auch für die „Erwerbung“, wird mit dieser sprachlichen Wendung zum Ausdruck gebracht, wie die Angesprochenen zu einem Eigentumsvolk Gottes geworden sind, nämlich durch göttliche Initiative. 47Die ekklesiologischen Vorstellungen, die den 1 Petr prägen, sind ohne eine Kenntnis der Schrift kaum nachvollziehbar. Das gilt auch für die Vorstellung von einem Volk zum Eigentum, 48die schriftkundige Leser an Jes 43,21 („Das Volk, das ich mir erschaffen habe, wird meinen Ruhm [LXX:
] verkünden“) sowie an Ex 19,5–6a erinnert. „Gottes vorauslaufende Initiative begründet die Existenz der Gemeinde.“ 49
Worin besteht nun die angemessene Antwort auf das göttliche Erwählungshandeln? Der 1 Petr erkennt sie vor allem in der Verkündigung, wie der Schluss von 1 Petr 2,9 zu verstehen gibt: „… damit ihr verkündet die großen Taten/Wohltaten
dessen, der euch aus der Finsternis gerufen hat in sein wunderbares Licht.“ Der Verfasser verwendet hier den vieldeutigen Begriff der
im Plural. Die Unterscheidung zwischen einem „Einst“ und „Jetzt“ kommt durch eine Licht-Finsternis-Metaphorik zur Sprache, die auch aus anderen Texten des Neuen Testaments sehr vertraut ist. 50Dabei wird das Licht noch durch die (nichtmetaphorische) Zufügung von
unterstrichen. Im Hintergrund steht die Vorstellung, dass Gott „im Licht“ wohnt und dass die Glaubenden in ihrem Glauben bereits von diesem Licht-Strahlen getroffen werden. Auf diese Weise werden sie in die Lage versetzt, Hoffnungszeugen in der Welt zu sein, um die Großtaten Gottes zu verkünden. 51Von der Hoffnung gilt es – so der vielzitierte Vers 1 Petr 3,15 – Zeugnis zu geben, vor allem im Gespräch mit den Anfragenden. Dabei entfalten nach der Überzeugung des Autors „gute Taten“ und ein entsprechender Lebenswandel besondere Verkündigungsqualitäten. 52Das Leben der Glaubenden birgt nach dem 1 Petr gerade auf diesem Feld besondere Herausforderungen und Chancen in sich. Sie sind, um es mit einem gut gewählten Buchtitel von Terry Seland zum 1 Petr zu sagen, „strangers in the light“ 53.
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