Wie schon im Vorwort erwähnt, ist dies in manchen Gegenden gar nicht so einfach. Versuchen Sie es mal an Waldrändern und Hecken, an Gräben, Bächen, Seen oder an Flussufern. Vielleicht haben Sie aber auch Glück und finden einen Biobauern, an dessen Feldrändern Sie sammeln dürfen. Am besten für die Ernte geeignet sind reine Viehweiden, denn dort hat sich der größte Artenreichtum erhalten, und diese Wiesen werden in der Regel auch nicht zusätzlich gedüngt. Wenn die Weide abgefressen ist, kommen die Tiere auf eine andere, und innerhalb von etwa zwei Wochen ist alles wunderbar nachgewachsen und kann geerntet werden. Dort finden sich oft auch frisch nachgewachsene Brennnesselfelder, weil sie zwischendurch von den Bauern weggemäht werden. Da die Tiere keine Brennnesseln fressen, würden sie sich sonst mit der Zeit zu sehr ausbreiten. Es gibt auch Wiesen, die wechselweise gemäht und beweidet werden, aber auch hier werden Sie problemlos am Pflanzenbewuchs erkennen können, inwieweit der Boden stark überdüngt und nitratreich oder zum Sammeln geeignet ist.
Was Sie sonst noch wissen sollten
Details notieren
Vergessen Sie nie die Beschriftung Ihrer Gläschen, Fläschchen oder Beutel, denn nur allzu leicht gerät in Vergessenheit, was man da genau angesetzt oder zusammengemischt hat. Vermerken Sie auch immer das Herstellungsdatum.
Zur Haltbarmachung können Sie Kräuter trocknen, in Alkohol, Essig oder Öl einlegen, auch schichtweise in Salz oder Honig. Oder Sie verarbeiten Kräuter bzw. Blüten, Beeren oder Früchte zu Saft, Sirup oder Gelee.
Das Trocknen der Kräuter sollte an einem warmen, luftigen Ort geschehen, aber niemals in der prallen Sonne. Temperaturen über 40 Grad lassen die ätherischen Öle flüchtig werden, und ist die Pflanze erst einmal geerntet, bildet sie keinerlei neue Inhaltsstoffe mehr nach.
Zur längerfristigen Aufbewahrung hängen Sie Ihre Kräutersträuße an einen luftigen Ort, zum Beispiel auf den Speicher. Abgezupfte, getrocknete Kräuter bewahren Sie am besten in Stoffsäckchen oder Papiertüten auf, damit eventuelle Restfeuchtigkeit noch entweichen kann, ansonsten besteht die Gefahr der Schimmelbildung. Absolut trockene Kräuter können Sie auch in Gläsern mit Schraubdeckel aufbewahren. Die Haltbarkeit getrockneter oder eingelegter Kräuter beträgt etwa ein Jahr, dann nimmt die Wirkung der Inhaltsstoffe allmählich ab. Manche, aber nicht alle Kräuter eignen sich zum Einfrieren (siehe jeweilige Pflanzenporträts ab Seite 38).
Die Herstellung eines Heilkräutertees geschieht durch Überbrühen mit heißem Wasser, kurz nach dem Aufkochen. Nur etwa drei bis fünf Minuten ziehen lassen und ungesüßt trinken. Eventuelle Ausnahmen werden bei der betreffenden Pflanze angegeben. Bitte beachten Sie, dass sich die Wirkung durch die Dauer des Auszugs verändern kann.
Rezepte für die Küche finden Sie bei den jeweiligen Pflanzenporträts ab Seite 38.
Rezepte für pflanzliche Heilmittel stehen ebenfalls bei den jeweiligen Pflanzen sowie im Kapitel mit den Überlieferungen.
Für die eigene Hausapotheke können Sie Öle, Salben, Tinkturen und vielerlei Tees herstellen. Beachten Sie aber bitte, dass Sie diese Produkte zwar verschenken, aber auf keinen Fall verkaufen dürfen (Arzneimittelgesetz).
Wichtig!
Bitte klären Sie immer zuerst mit Ihrem Arzt oder Heilpraktiker, ob und in welchem Rahmen pflanzliche Mittel für Sie als Behandlung oder unterstützende Maßnahme infrage kommen. Die Verwendung der in diesem Buch besprochenen Pflanzen erfolgt auf eigenes Risiko. Auch auf harmlose Stoffe können im Einzelfall allergische Reaktionen auftreten.
Volksmedizin und Kräuterbrauchtum
Für unsere Vorfahren war es etwas ganz Natürliches und Selbstverständliches, die Natur zu beobachten und dadurch zu erfahren und zu wissen, welche Pflanzen wie genutzt werden konnten. Das Wissen um die Heilkraft der Kräuter war ein reines Erfahrungswissen und wurde von Generation zu Generation weiter vererbt, meistens von den Müttern an die Töchter.
Von Kräuterweibern und Bauerndoktoren
Wenn wir bedenken, dass es bis vor gut 200 Jahren auf dem Land keine Ärzte gab, dann mag uns das sehr lange her erscheinen, wenn wir uns aber bewusst machen, wie alt die Menschheitsgeschichte ist, dann sind 200 Jahre nicht mehr als ein Wimpernschlag. Erst ab 1803, mit Beginn der Säkularisation, kamen die ersten Amtsärzte aufs Land. Aber das Landvolk war arm und misstrauisch, und zum »Doktor« ging man nur, wenn sonst gar nichts mehr half. Es gab ja auch noch keine Krankenversicherungen, und wenn man kein Geld hatte, musste man versuchen, mit Naturalien zu zahlen, also beispielsweise einem Stück Fleisch oder einem Sack Mehl. Weil aber auch die Nahrung meistens knapp war, überlegte man sich gut, »ob’s den Doktor wirklich braucht«.
Neben dem wichtigsten Kräuterwissen gab es in jeder Familie eine Hausapotheke, und ansonsten wusste man immer, wo und bei wem man sich Hilfe holen konnte. Es gab Kräuterweiberl und Bauerndoktoren, die man aufsuchen oder rufen lassen konnte, und wenn eine Geburt anstand, kam eine Hebamme ins Haus. Natürlich war damals die Sterblichkeitsrate bei jungen Frauen, aber auch bei Säuglingen, ziemlich hoch. Auch bei schweren Krankheiten, Seuchen und Epidemien gab es oft keine Rettung, und so lag um 1700 herum die durchschnittliche Lebenserwartung unter 40 Jahren. Das war ganz normal, man kannte es ja auch nicht anders. Im Gegensatz zu heute war den Menschen der Tod sehr vertraut, er war Teil des Lebens, gehörte genauso dazu wie das Geborenwerden – und alles fand zu Hause statt.
Das, was wir heute als Volksmedizin bezeichnen, galt damals, vor gut 200 Jahren und auch noch früher, als altbewährt und beständig, es war eine Erfahrungs-Heilkunde, die für die Menschen zum Alltag gehörte und glaubhaft war, weil sie sich über viele Generationen immer weiter entwickelt, vertieft und bewährt hatte. Zu dieser Volksmedizin gehörten unter anderem auch religiöse und magische Praktiken, aber ein ganz wichtiger Bereich war vor allem die Kräuterheilkunde.
Zweifel an der Wissenschaft
Natürlich gab es anfangs auch noch keine Apotheken, Krankenhäuser und Kuranstalten, aber die Menschen vertrauten auf die altbewährten Mittel und waren damit zufrieden.
Die sogenannte »wissenschaftliche Medizin« genoss damals nicht den Status des Altbewährten und Vertrauenswürdigen, und natürlich machten sich die ersten Landärzte auch nicht gerade beliebt, wenn sie die Kräutermedizin der ländlichen Bevölkerung als Einbildung und Aberglauben abtaten. Die Ärzte vertrauten Methoden wie dem Aderlass, aber die Menschen auf dem Land verließen sich meist lieber aufs Abbeten und glaubten eher an die Hilfe Gottes als an die des Arztes.
Es gibt Überlieferungen, wonach die »städtischen Ärzte« noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts allzu oft Heilmittel verordnet hätten, die mit giftigen Substanzen versetzt wurden, wie mit Quecksilber, Blei, Silber, Kupfer und anderen. Auf diese Weise erlangten sie zu Recht das Misstrauen der Patienten, besonders, weil diese Gifte in hoher Dosis verordnet wurden und zusammen mit dem immer noch gebräuchlichen Aderlass sehr häufig zum Tode führten.
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