INHALT
THEMA
Den Text in der Vergangenheit belassen, seinen Sinn ins Heute holen
Über das Bibellesen heute Von Irmtraud Fischer
Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Warum zwei Schwestern einen Podcast namens
Unter Pfarrerstöchtern erfunden haben
Von Johanna Haberer
Die Texte vom Sockel holen für die, die nicht am Sockel stehen
Die Replik von Irmtraud Fischer auf
Johanna Haberer
Man kann die Bibel falsch verstehen – und manchmal will man es wohl auch
Die Replik von Johanna Haberer auf
Irmtraud Fischer
Die Bibel in jüdischer Tradition studieren
Ein einführender Überblick
Von Haim Weiss
PROJEKT
Sketch-Bibel
Wie Sketchnotes Zugänge zur Bibel ermöglichen
Von Helmut Jansen
INTERVIEW
„Es gibt diese Bandbreite in der Bibel. Ist das nicht unglaublich spannend?!“
Ein Gespräch mit Ansgar Wiedenhaus SJ
PRAXIS
„Das Studium des Heiligen Buches ist gleichsam die Seele der Theologie.“ ( Dei Verbum 24)
Eine bibelhermeneutische Skizze
Von Tobias Nicklas
„Hoffentlich lesen sie nicht weiter.“
Biblische Texte und Gewalt – drei Verstehenshorizonte
Von Sigrid Eder
Die Bibel in heutiger Kunst
Von Johannes Rauchenberger
Biblische Erzählfiguren
Persönliche Identifikation und
Auseinandersetzung mit der Bibel
Von Gertrud Moser
Grundlage des Glaubens oder ein Buch mit sieben Siegeln?
Die Heilige Schrift im Spannungsfeld
zwischen Universität und Pastoral
Von Carmen Diller
Religiöse Autonomie, so viel wie möglich
Die St. Galler Corona-Bibel
Von Ann-Katrin Gässlein
SEELSORGE UND DIASPORA: BONIFATIUSWERK
Was für ein Gewimmel unter deinem Himmel
Die Bibel und die Tiere
Von Matthias Micheel und Simon Rüffin
FORUM
Notfallseelsorge als Ausdruck von gelebter Nächstenliebe
Von Niklas Peuckmann
POPKULTURBEUTEL
Gravel-Bikes
Von Stefan Weigand
NACHLESE
Re:Lecture
Von Norbert Mette
Buchbesprechungen
Impressum
Die Lebendige Seelsorge ist eine Kooperation zwischen Echter Verlag und Bonifatiuswerk.
EDITORIAL
Ute Leimgruber Mitglied der Schriftleitung
Liebe Leserinnen und Leser,
die Bibel ist ein besonderes Buch. Dies soll in diesem Heft anschaulich und greifbar werden. Ihre Texte stehen in vielfältigen Beziehungen zueinander, sie erzählen, sie diskutieren. Eine ganze Erfahrungsgeschichte der Menschen mit Gott und untereinander hat sich in ihr niedergeschlagen. Menschen, die die Bibel lesen, werden auch heute Teil ihrer Erzählungen und machen sie zu einem gelebten Ort in ihren konkreten Zusammenhängen: in der Wissenschaft wie in der Kunst, als Podcast oder auf YouTube, in der katholischen und evangelischen wie auch in der jüdischen Rezeption.
Irmtraud Fischer und Johanna Haberer eröffnen das Heft mit einem ökumenischen Aufschlag zum Umgang mit biblischen Texten zwischen kirchlicher Inanspruchnahme und bibelwissenschaftlicher bzw. medialer Ermächtigung. Im dritten Themenartikel erläutert Haim Weiss, warum die Bibel nicht im Mittelpunkt der jüdischen Gelehrsamkeit steht. Im Anschluss werden außergewöhnliche Projekte des Bibellesens vorgestellt: die Sketch-Bibel, in die Helmut Jansen einen Einblick gibt; Filmclips, die Ansgar Wiedenhaus SJ seit der Zeit des Lockdowns entwickelt hat und im Interview erklärt; und die St. Galler Corona-Bibel, die Ann-Katrin Gässlein, eine der Mitinitiatorinnen, präsentiert. Was es bedeuten kann, machtsensibel und im Konzilssinn das „Studium des Heiligen Buches“ als „Seele der Theologie“ ( DV 24) zu verstehen, bedenkt Tobias Nicklas. Wie aktuell dieser Anspruch ist, zeigt Sigrid Eder ausgehend von Gewalttexten des Alten Testaments auf. Gertrud Moser sieht in biblischen Erzählfiguren Möglichkeiten persönlicher Identifikation mit dem Wort der Heiligen Schrift und Carmen Diller reflektiert über die Bibel im Spannungsfeld zwischen Universität und Pastoral. Eine Horizonterweiterung weit über den religiösen Raum hinaus bietet Johannes Rauchenberger mit der Vorstellung zeitgenössischer Künstler*innen und ihrer kreativen Auseinandersetzung mit biblischen Motiven. Der Beitrag des Bonifatiuswerkes nimmt Sie im Rahmen des bibelpastoralen Projekts Tiere der Bibel sogar mit in den Zoo.
Liebe Leserin, lieber Leser, Bibel lesen ist vieldeutig, bisweilen anstrengend und unverzichtbar für all jene, die sich auf die Bibel berufen. Zwischen den Beiträgen wird klar, dass es ‚die richtige‘ Bibelrezeption nicht gibt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass die Lektüre des Themenheftes auch dazu führen möge, dass Sie anders, neu und häufiger die Bibel lesen .
Ihre
Prof.in Dr. Ute Leimgruber
THEMA
Den Text in der Vergangenheit belassen, seinen Sinn ins Heute holen
Über das Bibellesen heute
Ist die Bibel ein Buch von gestern, das gerade noch historischen Wert hat, falls man auf Geschichte überhaupt noch Wert legt und nicht gleich für Neues und Heutiges plädiert? Oder ist sie wortwörtlich als unveränderliches Gotteswort mit ewig gültiger Wahrheit zu verstehen? Zwischen diesen Extremen, die sich beide in den Kirchen finden lassen, tut sich sowohl die historisch-kritische als auch die literaturwissenschaftliche Exegese schwer, ihre wissenschaftlichen Ergebnisse in die Theologie einzubringen und dem Gottesvolk zu vermitteln. Irmtraud Fischer
Da das Christentum – wie das Judentum und der Islam – eine Buch- und Offenbarungsreligion ist, bewirkt die Vernachlässigung der Bibel in der katholischen Kirche ein Verdorren der Wurzeln.
Dabei hatte es, nach der verweigerten Aufklärung und der Verwerfung der historisch-kritischen Forschung an der Bibel seit Ende des 17. Jahrhunderts, mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eigentlich gut angefangen: Die Bibel wurde als Gotteswort in Menschenwort in ihrem Kontext verankert. Dadurch wurde klar, dass viel Zeitbedingtes in den Texten zu lesen ist (vgl. Dei Verbum 11f.). Zudem sollte der „Tisch des Wortes“ in der Liturgie reichlicher gedeckt werden (vgl. Sacrosanctum Concilium 51), was zu einer Besinnung auf den christlichen Grundtext und dessen intensiverem Studium führen sollte. Die Jahrzehnte nach dem Konzil waren auch von einem großen Aufbruch in der katholischen Bibelwissenschaft, die in Relation zu jener in den Kirchen der Reformation viel Aufholbedarf hatte, geprägt. Aber dieser Elan scheint heute in der Kirche weitgehend versiegt zu sein. Kirchliche Dokumente, seien es Bischofsworte oder päpstliche Verlautbarungen, sind häufig immer noch von einer Steinbruchexegese geprägt, die die Bibel nur zur Untermauerung eigener Meinungen heranzieht, sie aber nicht wirklich zu Wort kommen lässt. Ist dieses innerkirchlich festzustellende Desinteresse an der Schrift ein allgemeines Phänomen?
Читать дальше