THEMA
Seelsorge für schutzsuchende Menschen als Seelsorge für alle
Von Regina Polak
Das gesellschaftliche Aushandeln von Migration – und seine Grenzen
Von Jochen Oltmer
Migration als Zeichen der Zeit
Die Replik von Regina Polak auf Jochen Oltmer
Dramatisierung der europäischen Dimension der globalen Fluchtbewegungen und Verschweigen der Immobilität
Die Replik von Jochen Oltmer auf Regina Polak
Biblische Erinnerungen an Flucht-, Migrations- und Fremdheitserfahrungen
Von Jürgen Ebach
PROJEKT
willkommens-netz.de
Flüchtlingshilfe im Bistum Trier
Von Sanaz Khoilar
INTERVIEW
„Kulturen sind nichts Statisches.”
Ein Gespräch mit Matthias Hoesch
PRAXIS
„Jeder Tag ein kleiner Tod” –
„Chaque jour un petit mort”
Von Sr. Juliana Seelmann OSF
Dresdner Erfahrungen
Warum Theologinnen und Theologen sich einmischen müssen
Von Monika Scheidler
„Flüchtige Zeiten”
Warum und wie Theolog/innen sich einmischen müssen
Von Karlheinz Ruhstorfer
Wie Migration Heimat heraus- und Christus, die Tür, einfordert
Von Hans-Joachim Sander
Migration in der Predigt?
Ein Anlass zu aufmerksamer (Selbst-)Wahrnehmung!
Von Wolfgang Beck
Eine engagierte Generation und ihre Verzweiflung
Von Burkhard Hose
FORUM
Nach dem Reformationsjahr
Von Hans Maier
POPKULTURBEUTEL
Evergreen in gelb
Von Stefan Weigand
NACHLESE
Glosse: Urbi et orbi
Von Annette Schavan
Buchbesprechungen
Impressum
IMPRESSUM
www.lebendige-seelsorge.de
LEBENDIGE SEELSORGEISSN 0343 - 4591
Begründet von Alfons Fischer, Josef Schulze, Alfred Weitmann.
Schriftleiter:Professor Dr. Erich Garhammer, Schönleinstraße 3, D-97080 Würzburg.
Mitglieder der Schriftleitung:Prof. Dr. Christian Bauer, Prof. Dr. Ute Leimgruber, Prof. Dr. Matthias Sellmann, JProf. Dr. Bernhard Spielberg, PD. Dr. Hildegard Wustmans
Redaktion:Elisabeth Hasch, E-Mail: elisabethhasch@hrb.de
Verlag:Echter Verlag GmbH, Dominikanerplatz 8, D-97070 Würzburg, Telefon (09 31) 6 60 68 - 0, Telefax (09 31) 6 60 68 - 23. Internet: www.echter.de.
Satz:ew print & medien service gmbh, Würzburg.
E-Book-Herstellung und Auslieferung:Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
Erscheinungsweise:Lebendige Seelsorge erscheint sechsmal im Jahr.
Bezugspreis:Jahresabonnement print EUR 34,00 (D); Studentenabonnement EUR 24,- (D). Einzelheft EUR 7,50 (D) jeweils zuzüglich Versandkosten.
Auch digital erhältlich: www.lebendige-seelsorge.de
Abonnementskündigungen sind nur zum Ende des jeweiligen Jahrgangs möglich.
E-Book ISBN: 978-3-429-06378-8
Erich Garhammer Schriftleiter
Liebe Leserin, lieber Leser,
„mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird“, so kurz nach der im März zu Ende gegangenen Leipziger Buchmesse die Charta 2018. Unmittelbar vorher hatte der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp behauptet, dass über 95% der Flüchtlinge nach Deutschland kämen, um in die Sozialsysteme einzuwandern.
Das Thema der Migration kocht weiter hoch. In dieser Debatte bezieht die Lebendige Seelsorge Position: Im Gegensatz zum politisch-medialen Sprachgebrauch der „Flüchtlingsströme“ erinnern Regina Polak und Jürgen Ebach an das biblische Narrativ: das biblische „Israel“ ist das Land, in das man kam, kommt und kommen wird. Die Fremden sind nicht die anderen, wir selber waren und sind Fremde und Flüchtlinge. Der Migrationsforscher Jochen Oltmer sieht die Migrationsdebatte von einer merkwürdigen Hermetik geprägt: es wird häufig über Migrantinnen und Migranten geredet, selten mit ihnen.
Da tut es gut, auf christliche Projekte hinweisen zu können, die eine andere Sprache sprechen: Das Willkommensnetz des Bistums Trier, das vom Begriff der sozialen Teilhabe ausgeht, vom Würzburger Modell, das die medizinische Versorgung von Asylbewerber/innen in einer Gemeinschaftsunterkunft beschreibt, von den Erfahrungen in der Würzburger Hochschulgemeinde, in der Studierende konkrete Solidarität einüben können. Wie Theologinnen und Theologen sich in dieser Frage einmischen können, machen Monika Scheidler und Karlheinz Ruhstorfer deutlich. Wenn Heimat zum Ressentimentbegriff mit disziplinierender Macht aufgebaut wird, wird Jesu Selbstaussage „Ich bin die Tür“ zur Lösung: er ist nicht Grenze, sondern Öffnung. Predigt wird in diesem Kontext zur politischen öffentlichen Rede – allerdings mit Argumenten, wie Wolfgang Beck zeigt. Dabei kann nicht nur die Bibel bemüht werden, sondern auch die Geschichte. Denn Kultur ist nie etwas Statisches, sondern hat sich ständig weiterentwickelt, so der Philosoph Matthias Hoesch im Gespräch.
In der Frage der Migration kann man nicht nicht Stellung beziehen. Wie Christen sich positionieren können, zeigt dieses Heft.
Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen
Ihr
Prof. Dr. Erich Garhammer Schriftleiter
Seelsorge für schutzsuchende Menschen als Seelsorge füralle
Schutzsuchende Menschen sind auch „Botschafter/innen“: Sie künden von den globalen Verwerfungen, die zur Flucht zwingen; wie ein „Spiegel“ (Flusser, 30) erschließen sie den Einheimischen neue Erkenntnisse über sich selbst und die eigene Lebensweise. So können Christ/innen von und mit ihnen auf neue Weise Seelsorge leben lernen. Regina Polak
Die transformative Kraft der Begegnung mit schutzsuchenden Menschen steht im Zentrum meines Forschungsprojektes „Leben und Lernen von und mit geflüchteten Menschen“ ( Polak 2017). Sie betrifft auch das poimenische und pastorale Lernpotential im Kontext von Flucht für alle Beteiligten. Im Zusammenleben mit Schutzsuchenden verändern sich Gemeinden. Kirche kann zur Lerngemeinschaft werden. Dazu ist es allerdings notwendig, Seelsorge für schutzsuchende Menschen im Zusammenleben mit ihnen zu begründen. Theologisch: Die Pro-Existenz gründet in der Con-Vivenz.
CONVIVENZ UND SPRACHE
Viele der in meinem Projekt Befragten haben gelernt, dass sie nicht „nur“ „Flüchtlinge betreuen“, sondern haben neue Beziehungserfahrungen gemacht, manchmal sogar Freundschaften geschlossen. Dabei hat sich auch ihre Sprache verändert. Im Unterschied zum politisch-medialen Sprachgebrauch (nicht nur) in Österreich, der mit den Bildern von „Flücht lingsströmen, -wellen oder - schwemmen “ naturkatastrophische Assoziationen beschwört, haben sie in der Seelsorge Menschen mit Namen kennengelernt und damit deren Einzigartigkeit und Würde erfahren. Seelsorge mit geflüchteten Menschen bedeutet daher zuerst, Sensibilität in der Sprache zu entwickeln: über die Angekommenen so zu sprechen, dass sie als Menschen mit Würde und Rechten sichtbar werden; vor allem aber mit ihnen zu sprechen. Sprache ist das zentrale Medium christlicher Seelsorge.
In Situationen, in denen das gesprochene Wort an seine Grenzen kommt – weil man die Sprache des Anderen (noch) nicht spricht oder Schutzsuchende über ihre Erfahrungen nicht sprechen können oder wollen – kann dabei die Erinnerung an die bibeltheologisch untrennbare Zusammengehörigkeit, in gewissem Sinne sogar Identität von Wort und Tat (vgl. hebr. dabar ) erwachen. Der Sprachcharakter des Miteinander-Lebens, Füreinander-Einstehens, des gemeinsamen Alltag-Teilens und Feierns wird in seiner seelsorglichen Bedeutung sichtbar. Die Sprache der Seelsorge ist immer auch die Sprache der Praxis, des Leibes, der Rituale und Symbole. Convivenz ist Basis und elementarer Ausdruck von Seelsorge.
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