THEMA THEMA
Drei Mythen zur Rolle der Kirchensteuer: Eine Klarstellung Drei Mythen zur Rolle der Kirchensteuer: Eine Klarstellung „Trägt diese Form der Kirchenfinanzierung auf Dauer oder können wir nicht andere Wege gehen?“, fragte der Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, im März 2019. Und auch die evangelische Landesbischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, sorgte mit ihrer Aussage „Unser derzeitiges Kirchensteuermodell ist nicht in Stein gemeißelt“ im September 2020 für mediale Aufmerksamkeit. Ähnliche Aussagen wie diese sind den Autoren immer wieder in Diskussionen um mögliche Reaktionen auf die Freiburger Studie zu Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer begegnet. Zeit, mit einigen Mythen aufzuräumen. David Gutmann und Fabian Peters „Die hohe Zahl der Kirchenaustritte vor allem junger Kirchenmitglieder hängt ganz offensichtlich mit der Kirchensteuer zusammen. Eine Abschaffung oder zumindest eine Reduzierung für junge Erwachsene ist daher nötig.“ „Die Gesamtgesellschaft profitiert von den Kirchen, die – als ein wichtiger Protagonist – das Gemeinwohl fördern. Insbesondere aus dem Sozialstaat sind die Kirchen mit ihrem Engagement nicht wegzudenken. Es braucht daher eine gesicherte Finanzierungsgrundlage und diese bietet nun einmal die Kirchensteuer.“ „Die Kirchensteuer macht die Verantwortlichen in den Kirchen träge. Nur ein auf Spenden basiertes System kann für die notwendige pastorale Innovation sorgen!“ Diese drei sinngemäß widergegebenen Diskussionsbeiträge stehen beispielhaft für eine Vielzahl von Reaktionen auf die unter dem Hashtag #projektion2060 diskutierte Freiburger Studie. Denn neben den Kernergebnissen ging es in den weit mehr als 100 Veranstaltungen mit Verantwortlichen aus beinahe allen deutschen Diözesen und Landeskirchen vor allem um Konsequenzen und mögliche Handlungsoptionen auf den zu erwartenden massiven Mitglieder- und Kirchensteuerkraftschwund. Regelmäßig wurden dabei drei Mythen zum Für und Wider der Kirchensteuer diskutiert: David Gutmann und Fabian Peters Dres. rer. pol., sind die beiden Köpfe hinter der Freiburger Studie zu Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer, die bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt hat. In einem ökumenischen Forschungsprojekt an der Universität Freiburg haben sie erstmals eine koordinierte Mitglieder- und Kirchensteuervorausberechnung für jede der evangelischen Landeskirchen und katholischen (Erz-)Diözesen in Deutschland erstellt. Ökumene ist den beiden Ökonomen ein Herzensanliegen. Für hilfreiche Anregungen zu diesem Beitrag danken die Autoren Pfarrer Helmut Liebs.
Von David Gutmann und Fabian Peters
Wenn das Geld zum Selbstzweck wird Wenn das Geld zum Selbstzweck wird Auftrag und Sendung der Kirche ist es, die Botschaft vom Reich Gottes in die Welt zu tragen. Die Kirche ist Mittel zum Zweck. Auch das kirchliche Vermögensrecht ist geprägt von diesem hohen moralischen Anspruch, auch kirchliches Vermögen ist Mittel zum Zweck. Dennoch wird das Geld in der Kirche immer wieder zum Selbstzweck. Eine Neuausrichtung des kirchlichen Vermögens ist deshalb nicht nur rechtlich geboten, sondern längst überfällig. Anna Ott Die deutsche Kirche ist reich an Vermögen. Daran hat sie sich gewöhnt. Die sich aus dem Reichtum ergebenden Möglichkeiten sind für die Kirche, ihre Mitglieder, aber auch den Staat und die Gesellschaft längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Gleichzeitig sind die Handlungsspielräume bei der Gestaltung der Haushaltspläne aufgrund der vielen Verpflichtungen deutlich eingeschränkt. Für den Umgang mit Geld, Besitz und Vermögen auf allen Ebenen normiert das Kirchenrecht dabei einheitliche Kriterien.
Von Anna Ott
Ein ökumenischer und ökonomischer Perspektivwechsel
Die Replik von David Gutmann und Fabian Peters auf Anna Ott
Das Problem ist nicht die Kirchensteuer, sondern ihr Image
Die Replik von Anna Ott auf David Gutmann und Fabian Peters
Gott – Geld – Glaube
Harmonie oder Widerstreit? Von Alois Halbmayr
PROJEKT
Das magis ermöglichen
Zusätzliche Ressourcen für förderungswürdige Herzensprojekte einwerben
Von Wolfgang Mayer
INTERVIEW
„Ich glaube, dass die finanzielle Enge durch kreative Konzepte ausgeglichen werden kann.“
in Gespräch mit Claudia Leimkühler
PRAXIS
Wie viel Geld hat die Kirche eigentlich?
Kanonistische Perspektiven auf das Vermögen der Kirche
Von Sabine Konrad
Compliance in der Kirche
Verantwortungskultur als Schlüssel zum skandalfreien Umgang mit Geld und Finanzen
Von Ulrich Hemel
Das Armutsideal in Bettelorden
Inspirationsquelle und Weg zu gelebter Mitleidenschaft?
Von Maike Maria Domsel
„Er muss seinem eigenen Haus gut vorstehen“ ( 1 Tim 3,4)
Zur ökonomischen Bildung kirchlicher Führungskräfte
Von Max Niehoff und Thomas de Nocker
Kirchenfinanzierung im religionsneutralen Staat
Wie Steuerwidmung Kirchenaustritte verhindern könnte
Von Rudolf K. Höfer
SEELSORGE UND DIASPORA: BONIFATIUSWERK
„Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ ( Mt 6,21)
Über den transparenten Umgang mit Spendengeldern
Von Ingo Imenkämper
Arme Kirche in reichen Ländern
Zur finanziellen Situation in der nordischen Diaspora
Von Anna Mirijam Kaschner cps
FORUM
Was Gemeinsinn vermag
Das Beispiel des barocken Pfarrkirchenbaus
Von Peter Hersche
POPKULTURBEUTEL
Runter vom Gas
Von Matthias Sellmann
NACHLESE
Re:Lecture
Von Margit Eckholt
Impressum
Die Lebendige Seelsorge ist eine Kooperation zwischen Echter Verlag und Bonifatiuswerk.
EDITORIAL
Bernhard Spielberg Mitglied der Schriftleitung
Liebe Leserin, lieber Leser,
der größte Teil der Kirchenmitglieder wird seit einigen Jahren mit dem schönen Wort ‚Kasualienfromme‘ (Johannes Först) charakterisiert. Das sind die Leute, die nur zu den für sie wichtigen Anlässen wie Taufen, Beerdigungen oder an Weihnachten einen Gottesdienst besuchen. In religiöser Hinsicht gehöre ich wohl nicht dazu, mit dem Gelegenheitsmodus bin ich aber in anderen Bereichen meines Lebens vertraut: Ich bin Kasualienfußballfan, also nur bei Welt- und Europameisterschaften mit Elan dabei. Und ich bin Kasualienökonom: Mit Geld beschäftige ich mich, wenn es sein muss. Dankbar weiß ich um Expertinnen und Experten, die mir raten, was zu tun ist. Es ist ja schon eine Herausforderung überhaupt über das eigene Geld zu sprechen. Ich habe es zwar jeden Tag in der Hand, aber selten im Kopf.
Henri Nouwen hat in seinem (bis heute nicht auf Deutsch erschienenen) Band The Spirituality of Fundraising beschrieben, warum der Umgang mit Geld so verschämt oder gar tabuisiert ist und dessen geistliche Dimension beleuchtet: Geld berühre ein intimes Bedürfnis nach Sicherheit, das der Mensch im Herzen trägt. Jesu radikale Botschaft sei aber, dass es eben nicht möglich ist, seine Sicherheit gleichzeitig in Gott und im Geld zu finden. Man müsse sich also für eins von beiden entscheiden. Wenn man das getan habe, könne man entspannen: Wer frei vom Geld ist, der kann darum bitten, so Nouwen.
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