THEMA
Martin Luther: Von der Mystik zur Papstkritik
Von Volker Leppin
Katholische Luther-Bilder zwischen Dämonisierung, Pathologisierung und neuer Offenheit
Zu ihrer Bedeutung für eine katholische Selbstkritik
Von Klaus Unterburger
Nicht nur Luther war’s: Tragische Konfliktgeschichte mit vielen Beteiligten
Die Replik von Volker Leppin auf Klaus Unterburger
Das Evangelium predigen und die Gnade in den Sakramenten vermitteln
Die Replik von Klaus Unterburger auf Volker Leppin
Der Streit um den Ablass als Auslöser der Reformation
Von Peter Neuner
PROJEKT
Das Reformationsjubiläum 2017
Zwischenruf eines Reformationshistorikers Von Thomas Kaufmann
INTERVIEW
„Sie werden lachen – die Bibel“
Ein Gespräch mit Wolfgang Frühwald
STATEMENTS
Kraftmaxe und Sprachgenie
Von Sibylle Lewitscharoff
Luthers Ambivalenzen
SAID’s kritischer Blick auf Luther
PRAXIS
Eine katholische Annäherung an Martin Luther
Von Gerhard Feige
Emanzipation durch die Reformation?
Von Barbara Vinken
Die Reformation als Medienereignis
Von Bernhard Lübbers
FORUM
Luther und Loyola
Zwei Reformer der Frühen Neuzeit Von Michael Sievernich SJ
Popkulturbeutel
Gepflegt scheitern
Von Bernhard Spielberg
NACHLESE
Glosse von Annette Schavan
Neujahr. Möglichkeit der Umkehr
Von Edward van Voolen
Buchbesprechungen
Jahresinhalt
Impressum
IMPRESSUM |
www.lebendige-seelsorge.de |
LEBENDIGE SEELSORGE ISSN 0343-4591
Begründet von Alfons Fischer, Josef Schulze, Alfred Weitmann.
Schriftleiter: Professor Dr. Erich Garhammer, Schönleinstraße 3, D-97080 Würzburg.
Mitglieder der Schriftleitung: Prof. Dr. Matthias Sellmann, JProf. Dr. Bernhard Spielberg, Prof. Dr. Hildegard Wustmans
Redaktion: Elisabeth Hasch, Neubaustraße 11, D-97070 Würzburg, E-Mail: elisabethhasch@hrb.de
Verlag: Echter Verlag GmbH, Dominikanerplatz 8, D-97070 Würzburg, Telefon (09 31) 6 60 68-0, Telefax (09 31) 6 60 68-23.
Internet: www.echter.de.
Satz: ew print & medien service gmbh, Würzburg.
Druck und Bindung: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt. Auslieferung:Brockhaus Kommissionsgeschäft GmbH, Kreidlerstraße 9, 70806 Kornwestheim.
Auslieferung für die Schweiz: AVA Verlagsauslieferung AG, Centralweg 16, CH-8910 Affoltern am Alibs.
Erscheinungsweise: Lebendige Seelsorge erscheint sechsmal im Jahr.
Bezugspreis: Jahresabonnement print EUR 32,20 (D); Studenten - abonnement EUR 24,– (D). Einzelheft EUR 6,40 (D) jeweils zuzüglich Versandkosten.
Auch digital erhältlich: www.lebendige-seelsorge.de
Abonnementskündigungen sind nur zum Ende des jeweiligen Jahrgangs möglich.
Diesem Heft liegen folgende Prospekte bei:
Gottesdienst, Verlag Herder
topos Taschenbücher Verzeichnis 2016/17
Wir bitten um Beachtung.
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
Erich Garhammer Schriftleiter
Liebe Leserin, lieber Leser,
das 500-jährige Reformationsjubiläum ist das erste Gedenken an 1517 im Zeitalter der Ökumene. Ein ganz neuer Luther tritt uns entgegen: er ist besser verständlich auf dem Hintergrund der mittelalterlichen Mystik und das Zweite Vatikanische Konzil hat ihn als Zeugen des Evangeliums gewürdigt. Damit sind wir zum ersten Mal in der Lage, die Geschichte der Reformation gemeinsam zu erzählen und zu feiern und nicht mehr im Gegen- oder Nebeneinander. Das wird spürbar in diesem Heft trotz unterschiedlicher Positionen. Diese markieren nicht mehr konfessionelle Trennlinien, sondern eher forscherische Ansätze. So wendet sich Volker Leppin gegen eine Heroisierung und Monumentalisierung Luthers und plädiert für seine Verwurzelung in der Mystik Taulers, Klaus Unterburger sieht Luther zusammen mit Kardinal Koch als „Vater des Glaubens“ und Anstoß zu katholischer Selbstkritik. Peter Neuner will den Begriff „Ablass“ dem Vergessen anheimgeben und nicht mehr neu repristinieren.
Das Heft favorisiert keine Vereinnahmungsökumene ohne Biss, sondern eine Zusammengehörigkeit trotz und in differenzierten Positionen. Katholiken und Lutheraner können das bevorstehende Jubiläum gerade auch durch den Besuch von Papst Franziskus beim Lutherischen Weltbund in Lund in der Perspektive der Einheit begehen und nicht weiter in der Fortschreibung der Spaltung.
Ganz unterschiedliche Stimmen zu Luther von Literaten, Theologen, einem Bischof und einer Romanistin (Barbara Vinken) machen das breite Deutungsspektrum sichtbar. Alle Deutungen münden in den Satz: „Macht Platz für das Evangelium!“
Dass dieses Evangelium in seiner Zeit ganz neu zum Klingen kam, hat Luther durch seine bahnbrechende Übersetzung der Bibel möglich gemacht. Darin stimmen der Germanist Wolfgang Frühwald genauso überein wie die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff. Die Revolution des Buchdrucks trug laut Georg Christoph Lichtenberg das Seine zur Verbreitung bei: „Mehr als das Gold hat das Blei die Welt verändert und mehr als das Blei in der Flinte das Blei im Setzkasten.“
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre um die Jahreswende und geistiggeistliche Nahrung für das Jubiläum 2017.
Ihr
Prof. Dr. Erich Garhammer Schriftleiter
Martin Luther:
Von der Mystik zur Papstkritik
Gerne hat die evangelische Erinnerungskultur ihn so gezeichnet: Der Mönch, der die Thesen anschlägt und damit die Kirche, ja, die ganze Welt erschüttert. Zwar wissen selbst diejenigen, die meinen, am 31. Oktober 1517 habe in Wittenberg tatsächlich ein Thesenanschlag stattgefunden, dass ein solches Geschehen keineswegs besonders heroisch gewesen wäre. Doch modifiziert leben die Bilder noch am Vorabend des fünfhundertsten Reformationsjubiläums weiter: Luther als „Rebell“ verkauft sich gut – auch wenn ein solcher Luther manchmal mehr nach 1968 klingen mag als nach 1517. Volker Leppin
Was immer an jenem Tag vor Allerheiligen in Wittenberg genau passiert sein mag: Der Wittenberger Theologieprofessor Martin Luther war damals in erster Linie Mönch, geprägt von der Frömmigkeitskultur seines Ordens und der spätmittelalterlichen Mystik. Das hat sogar er selbst so gesehen: „Freilich bin ich der Theologie Taulers und jenes Büchleins gefolgt, das du neulich unserem Christian dem Goldschmied in den Druck gegeben hast“ (WA.B 1,160 [Nr. 66,8f]), schrieb er im März 1518 seinem Beichtvater Johann Staupitz, und welche Rolle dieser selbst in seiner Entwicklung hatte, bekannte er noch eineinhalb Jahrzehnte später: „Staupicius hat die doctrinam angefangen“ (WA.TR 1,245 [Nr. 526]).
Blickt man auf solche Aussagen, so wird rasch deutlich, dass frühere Versuche, Martin Luthers Auftreten aus den spätmittelalterlichen scholastischen Streitigkeiten zwischen Via moderna und Via antiqua zu erklären, wohl den falschen Ansatzpunkt gewählt haben. Und doch war etwas richtig an ihnen: Wer Luther verstehen will, geht fehl, ihn ganz und gar dem Mittelalter gegenüberzustellen. Solche Deutungen, die auch aus wissenschaftlichen Darstellungen noch nicht ganz verschwunden sind, sind der ferne Nachklang der frühen lutherischen Vorstellung von Luther als dem Gottesmann, der als Prophet in die Geschichte gesandt war.
SPANNUNGEN IM SPÄTEN MITTELALTER
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