Verlag Echter - Lebendige Seelsorge 4/2019

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"Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas." 2006 wurde dieser Satz bei der
ersten Islamkonferenz vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble geprägt.
Das Zitat verselbstständigte sich, wurde wiederholt und variiert – und
von Anfang an hat es vielfältige Zustimmungs- und Abwehrreaktionen hervorgerufen.
Zwischentöne sind jedoch eher selten zu vernehmen. Dabei gibt es in
Deutschland z. B. Lehrstühle für islamische Theologie, es werden vielerorts
ideologiekritische Auseinandersetzungen geführt, christlich-muslimische Projekte
und christlich-muslimischer Dialog sind aus den Kommunen oft nicht
mehr wegzudenken. Die «Lebendige Seelsorge» möchte gegen antimuslimische
Ressentiments und apologetische Diskurse mit Menschen muslimischen und
christlichen Glaubens und ihren Erfahrungen ins Gespräch kommen.
Die Beiträge von Anja Middelbeck-Varwick und Felix Körner SJ umreißen auf
je eigene Weise den Beitrag des Christentums in einem offenen und gleichberechtigten
Gespräch mit dem Islam. Die Imamin Rabeya Müller blickt aus der
Sicht einer liberalen Muslimin auf die Vielfalt eines Islam, der "keinen Zwang
im Glauben kennt" (Q'uran, Sure 2:256). Die weit über die Grenzen Berlins
hinaus bekannte Ibn Rushd-Goethe-Moschee wird von ihrer Gründerin Seyran
Ateş als Ort einer der Barmherzigkeit verpflichteten Seelsorge vorgestellt. Im
Interview macht Susanne Schröter, Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums
Globaler Islam, die Heterogenität muslimischen Lebens und die
Komplexität der Debatten deutlich.
Zwischen den großen Abhandlungen über «den Islam» und «die Muslim*innen»
in politischen, sozialen und religiösen Zusammenhängen gibt es einiges an
"Praxis" zu entdecken: Martin Wrasmann berichtet von der bundesweit ersten
christlich-muslimischen Kindertagesstätte «Kinder Abrahams». Antje Dechert
erzählt von «Gebetsbeduinen», die sich mit stets wechselnden Gebetsräumen
auch das urbane München auf besondere Weise erschließen. Ob junge Muslim*
innen tatsächlich «ganz anders» sind, beleuchtet Bernd Ridwan Bauknecht
mit Blick auf den islamischen Religionsunterricht. Ayfer Dağdemir stellt die
Frage, «wie weiblich» der Koran denkt und beantwortet sie aus islamfeministisch-theologischer
Sicht. Debatten- und Denkräume für Muslim*innen zu öffnen,
hat sich die Alhambra Gesellschaft zur Aufgabe gemacht: Nimet Seker stellt die
Gesellschaft und ihr Programm vor.
Die «Lebendige Seelsorge» macht sich auf Entdeckungsreise in ganz unterschiedliche
Gegenden des konkreten Lebens, Denkens und Glaubens von
Muslim*innen hinein. Lassen Sie sich von dieser Entdeckerfreude anstecken!

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THEMA

Ramadan in Brandenburg

Signaturen des christlich-muslimischen Dialogs in Deutschland

Von Anja Middelbeck-Varwick

Interaktive Theologie

Wie der Religionsdialog weitergehen kann

Von Felix Körner SJ

Interaktiv interreligiös? Das Gespräch mit dem Islam im christlichen Verstehenshorizont

Die Replik von Anja Middelbeck-Varwick auf Felix Körner SJ

Was kann eine katholische Islamtheologie?

Die Replik von Felix Körner SJ auf Anja Middelbeck-Varwick

Die Vielfalt des Islam

Aus der Sicht einer liberalen Imamin

Von Rabeya Müller

PROJEKT

Islamische Seelsorge ist Ausdruck von Barmherzigkeit – Die Ibn Rushd-Goethe Moschee in Berlin

Von Seyran Ateş

INTERVIEW

„Religionskritik gehört zum Erbe der Aufklärung“

Ein Gespräch mit Susanne Schröter

PRAXIS

Abrahams Kinder – eine KiTa, geboren im Schoß gemeinsamen Ursprungs

Von Martin Wrasmann

Junge Muslime ganz anders

Von Bernd Ridwan Bauknecht

„Islamische feministische Theologie“ oder: wie weiblich denkt der Koran?

Von Ayfer Dağdemir

Unabhängig, muslimisch, deutsch: Die Gebetsbeduinen in München

Ein Feature

Von Antje Dechert

Eine positive muslimische Identität stiften

Bericht aus zwei Jahren Arbeit der Alhambra Gesellschaft

Von Nimet Seker

FORUM

Bach – Gott und die Menschen

Kanzelrede am 29.04.2018 in der Neupfarrkirche Regensburg

Von Stefan Baier

POPKULTURBEUTEL

Chindōgu

Von Bernhard Spielberg

NACHLESE

Re: Lecture

Von Erich Garhammer

Buchbesprechungen

Impressum

Ute Leimgruber Mitglied der Schriftleitung Liebe Leserin lieber Leser der - фото 1

Ute Leimgruber Mitglied der Schriftleitung

Liebe Leserin, lieber Leser,

„der Islam ist Teil Deutschlands und Europas.“ 2006 wurde dieser Satz bei der ersten Islamkonferenz vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble geprägt. Das Zitat verselbstständigte sich, wurde wiederholt und variiert – und von Anfang an hat es vielfältige Zustimmungs- und Abwehrreaktionen hervorgerufen. Zwischentöne sind jedoch eher selten zu vernehmen. Dabei gibt es in Deutschland z. B. Lehrstühle für islamische Theologie, es werden vielerorts ideologiekritische Auseinandersetzungen geführt, christlich-muslimische Projekte und christlich-muslimischer Dialog sind aus den Kommunen oft nicht mehr wegzudenken. Die „Lebendige Seelsorge“ möchte gegen antimuslimische Ressentiments und apologetische Diskurse mit Menschen muslimischen und christlichen Glaubens und ihren Erfahrungen ins Gespräch kommen.

Die Beiträge von Anja Middelbeck-Varwick und Felix Körner SJ umreißen auf je eigene Weise den Beitrag des Christentums in einem offenen und gleichberechtigten Gespräch mit dem Islam. Die Imamin Rabeya Müller blickt aus der Sicht einer liberalen Muslimin auf die Vielfalt eines Islam, der „keinen Zwang im Glauben kennt“ (Q’uran, Sure 2:256). Die weit über die Grenzen Berlins hinaus bekannte Ibn Rushd-Goethe-Moschee wird von ihrer Gründerin Seyran Ateş als Ort einer der Barmherzigkeit verpflichteten Seelsorge vorgestellt. Im Interview macht Susanne Schröter, Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, die Heterogenität muslimischen Lebens und die Komplexität der Debatten deutlich.

Zwischen den großen Abhandlungen über „den Islam“ und „die Muslim*innen“ in politischen, sozialen und religiösen Zusammenhängen gibt es einiges an „Praxis“ zu entdecken: Martin Wrasmann berichtet von der bundesweit ersten christlich-muslimischen Kindertagesstätte „Kinder Abrahams“. Antje Dechert erzählt von „Gebetsbeduinen“, die sich mit stets wechselnden Gebetsräumen auch das urbane München auf besondere Weise erschließen. Ob junge Muslim*innen tatsächlich „ganz anders“ sind, beleuchtet Bernd Ridwan Bauknecht mit Blick auf den islamischen Religionsunterricht. Ayfer Dağdemir stellt die Frage, „wie weiblich“ der Koran denkt und beantwortet sie aus islamfeministischtheologischer Sicht. Debatten- und Denkräume für Muslim*innen zu öffnen, hat sich die Alhambra Gesellschaft zur Aufgabe gemacht: Nimet Seker stellt die Gesellschaft und ihr Programm vor.

Die „Lebendige Seelsorge“ macht sich auf Entdeckungsreise in ganz unterschiedliche Gegenden des konkreten Lebens, Denkens und Glaubens von Muslim*innen hinein. Lassen Sie sich von dieser Entdeckerfreude anstecken! Eine erfrischende Reiselektüre wünscht Ihnen

Profin Dr Ute Leimgruber Ramadan in Brandenburg Signaturen des - фото 2

Prof.in Dr. Ute Leimgruber

Ramadan in Brandenburg

Signaturen des christlich-muslimischen Dialogs in Deutschland

„Ramadan in Brandenburg“ – so titelte im Mai dieses Jahres ein Beitrag des rbb, der davon handelte, wie der muslimische Fastenmonat in Potsdam und Frankfurt-Oder in besonderer Weise von den Moscheegemeinden zum Dialog mit Anders- oder Nichtglaubenden genutzt wird. Doch welcher „Dialog“ mit und über „den Islam“ findet in Kontexten wie diesen statt? Anja Middelbeck-Varwick

Der christlich-muslimische Dialog in Deutschland ist aktuell von sehr gegenläufigen Entwicklungen geprägt: Einerseits wirken die zunehmende gesellschaftliche Religionsskepsis sowie eine sich neu artikulierende Islamfeindschaft negativ auf das Gespräch zurück. Andererseits hat sich der Dialog seit Jahrzehnten in Wissenschaft und Praxis etabliert und weiter ausdifferenziert, sodass hier inzwischen jenseits der klassischen Streitfragen zahlreiche Themen gemeinsam bearbeitet und vertieft werden können.

Dass nahezu jede islambezogene Debatte in diesen Tagen hoch aufgeladen ist, ist hinlänglich bekannt: „Die Muslime beten uns noch in Grund und Boden!“, formulierte ein Teilnehmer einer kirchlichen Fortbildung zum Thema Islam, um seine Angst vor den vermeintlich „bekenntnisstarken“ muslimischen Gläubigen auszudrücken. Das Bedürfnis, sich kritisch vom Islam abzugrenzen und ihn als die „ganz andere“ Religion zu konturieren, scheint auch in katholischen Kreisen wieder zuzunehmen. Ein Beispiel hierfür sind Positionen, wie sie im Umfeld des Forums Deutscher Katholiken vorgetragen werden, in denen schablonenartig naive, „unkritische Islam-Bewunderer“ und vermeintlich „faktenbasierte“, realistische Sichtweisen auf den „wahren Islam“ in aufklärerischer Experten-Manier opponiert werden.

So schreibt der Schirmherr des diesjährigen Jahreskongresses, Werner Münch, in einer Rede von 2016: „Und es ist außerordentlich erstaunlich, in welcher leichtsinnigen, ja geradezu unverantwortlichen Weise sich auch hohe Repräsentanten unserer Kirchen zum Islam äußern […]. Es wäre besser, wenn sich die Verantwortlichen in unseren Kirchen falscher und absurder öffentlicher Darstellungen enthalten und sich stattdessen Gedanken darüber machen würden, wie man den häufig von Muslimen drangsalierten und verfolgten Christen in deutschen Flüchtlingsheimen helfen kann“ ( Münch , 10-11).

Diese Aussage steht nicht nur exemplarisch für eine generell extrem polarisierte und politisierte Debatte über „den Islam“, wie sie sich schon weit vor 2015 in Deutschland abzeichnete, sondern auch für einen vehementen Widerspruch seitens „rechtgläubiger“ Kreise gegen die Aussagen des Lehramtes der römischkatholischen Kirche über den Islam.

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