Verlag Echter - Lebendige Seelsorge 1/2019

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"Schlafwandeln in die Katastrophe" – so eine Formulierung des aktuellen
Weltrisikoberichts. Trotz extremer Wetterereignisse, die mit dem menschengemachten
Klimawandel zusammenhängen, sei international der Stellenwert
des Klimaschutzes gesunken. Ganz anders die Bemühungen von Papst
Franziskus: Vor wenigen Jahren noch war nicht auszudenken, dass die Kirche
in Sachen «Umwelt» ein international beachteter Player sein würde. Papst
Franziskus hat es mit seiner Enzyklika Laudato si' geschafft. Sie hat nicht nur
die Weltklimakonferenz in Paris positiv beeinflusst, sie ist mittlerweile auch
auf Weltebene im Gespräch. Sie hat den Regisseur Wim Wenders zu seinem
Film «Franziskus. Ein Mann seines Wortes» inspiriert, sie hat viele kirchliche
Einrichtungen und Institutionen – wie etwa die Katholische Akademie in
München – zum nachhaltigen Wirtschaften ermutigt.
All diese Spuren können Sie in diesem Heft entdecken: Ottmar Edenhofer,
stellvertretender Direktor sowie Chefökonom am Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung und Träger des letztjährigen Guardini-Preises, erzählt
von seinem ganz persönlichen Austausch mit Papst Franziskus, Markus Vogt,
Johannes Wallacher und Michelle Becka verdeutlichen das Inspirationspotential
des päpstlichen Textes für den theologisch-wissenschaftlichen Diskurs und
Martin Maier profiliert die jesuitischen Wurzeln des Textes.
In diesem Konzert darf eine kräftige Gegenstimme nicht fehlen: der
Kulturwissenschaftler Norbert Bolz erhebt sie mit seiner These, Laudato si'
lese sich wie die Theologie der Grünen. Die Öko-Religion sei zum neuen
Glauben für die gebildete Mittelklasse geworden. Allerdings spricht Laudato
si' trotz der dramatischen Wahrnehmung der Gefahren nicht aus der
Haltung des Alarmismus, sondern aus einer Haltung der Freude und
Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung. Ganz im Sinn des Sonnengesangs
des hl. Franziskus, den Volker Leppin höchst aktuell auslegt.
Mein Dank gilt Annette Schavan für ihre langjährige Gestaltung der Glosse, die
sie mit Freude und großem Engagement und gewinnbringend für unsere
Zeitschrift gestaltet hat. Mit diesem Heft beginnt ein neues Format: Re:Lecture.
Dabei soll ein Buch vorgestellt werden, das es verdient, ganz neu gelesen zu
werden. Den Anfang macht die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff.
Ich wünsche Ihnen eine reiche Entdeckungsreise mit diesem Heft.

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INHALT

THEMA

Der Grund meiner Hoffnung – nicht nur in der Klimafrage

Von Ottmar Edenhofer

Die grüne Ersatzreligion

Von Norbert Bolz

Der ökosoziale Dialog als locus theologicus

Von Markus Vogt

PROJEKT

Global, aber gerecht: Klimawandel bekämpfen, Entwicklung ermöglichen

Von Johannes Wallacher

INTERVIEW

Papst Franziskus. Ein Mann seines Wortes (Wim Wenders, 2018)

Ein Film und seine Wirkung

Von Joachim Valentin, Astrid Schilling, Andreas Batlogg und Michael Sievernich SJ

PRAXIS

Das Ignatianische in der Enzyklika Laudato si‘

Von Martin Maier SJ

Laudato si‘ – ein kritisch-wohlwollender Blick

Von Michelle Becka

Von nachhaltiger Klugheit

Wie eine Akademie Verantwortung für die Schöpfung praktiziert

Von Florian Schuller

Der Sonnengesang: ein Gesang von Gott und Mensch

Von Volker Leppin

FORUM

Verbietet das NT „Homosexualität“?

Neutestamentliche Grundlagen zu einer aktuellen Streitfrage

Von Martin Ebner

Von der Aufstiegs- zur Sinnoption

Perspektiven für den Beruf des Priesters

Von Benedikt Jürgens

POPKULTURBEUTEL

Putzete

Von Bernhard Spielberg

NACHLESE

Re:Lecture

Von Sibylle Lewitscharoff

Buchbesprechungen

Impressum

EDITORIAL

Erich GarhammerSchriftleiter Liebe Leserin lieber Leser Schlafwandeln in - фото 1

Erich GarhammerSchriftleiter

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Schlafwandeln in die Katastrophe“ – so eine Formulierung des aktuellen Weltrisikoberichts. Trotz extremer Wetterereignisse, die mit dem menschengemachten Klimawandel zusammenhängen, sei international der Stellenwert des Klimaschutzes gesunken. Ganz anders die Bemühungen von Papst Franziskus: Vor wenigen Jahren noch war nicht auszudenken, dass die Kirche in Sachen „Umwelt“ ein international beachteter Player sein würde. Papst Franziskus hat es mit seiner Enzyklika Laudato si‘ geschafft. Sie hat nicht nur die Weltklimakonferenz in Paris positiv beeinflusst, sie ist mittlerweile auch auf Weltebene im Gespräch. Sie hat den Regisseur Wim Wenders zu seinem Film „Franziskus. Ein Mann seines Wortes“ inspiriert, sie hat viele kirchliche Einrichtungen und Institutionen – wie etwa die Katholische Akademie in München – zum nachhaltigen Wirtschaften ermutigt.

All diese Spuren können Sie in diesem Heft entdecken: Ottmar Edenhofer, stellvertretender Direktor sowie Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Träger des letztjährigen Guardini-Preises, erzählt von seinem ganz persönlichen Austausch mit Papst Franziskus, Markus Vogt, Johannes Wallacher und Michelle Becka verdeutlichen das Inspirationspotential des päpstlichen Textes für den theologisch-wissenschaftlichen Diskurs und Martin Maier profiliert die jesuitischen Wurzeln des Textes.

In diesem Konzert darf eine kräftige Gegenstimme nicht fehlen: der Kulturwissenschaftler Norbert Bolz erhebt sie mit seiner These, Laudato si‘ lese sich wie die Theologie der Grünen. Die Öko-Religion sei zum neuen Glauben für die gebildete Mittelklasse geworden. Allerdings spricht Laudato si‘ trotz der dramatischen Wahrnehmung der Gefahren nicht aus der Haltung des Alarmismus, sondern aus einer Haltung der Freude und Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung. Ganz im Sinn des Sonnengesangs des hl. Franziskus, den Volker Leppin höchst aktuell auslegt.

Mein Dank gilt Annette Schavan für ihre langjährige Gestaltung der Glosse, die sie mit Freude und großem Engagement und gewinnbringend für unsere Zeitschrift gestaltet hat. Mit diesem Heft beginnt ein neues Format: Re:Lecture. Dabei soll ein Buch vorgestellt werden, das es verdient, ganz neu gelesen zu werden. Den Anfang macht die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff.

Ich wünsche Ihnen eine reiche Entdeckungsreise mit diesem Heft.

Ihr

Prof Dr Erich Garhammer Schriftleiter THEMA Der Grund meiner Hoffnung - фото 2

Prof. Dr. Erich Garhammer

Schriftleiter

THEMA

Der Grund meiner Hoffnung – nicht nur in der Klimafrage

Am 4. Juli 2018 erhielt Ottmar Edenhofer den Romano Guardini Preis der Katholischen Akademie in Bayern. Er bedankte sich in seiner Festrede dafür, lieferte aber auch wichtige Hintergründe für die Bedeutung von Laudato si‘. Deshalb eröffnet die Festrede dieses Heft. Ottmar Edenhofer

Im Jahr 1989 wurden die Risse in der Berliner Mauer unübersehbar – eine friedliche Revolution hat sie schließlich zum Einsturz gebracht. Es schien so, als hätten Demokratie und Marktwirtschaft den Wettbewerb der Systeme endgültig für sich entschieden. Man wähnte das Ende der ideologischen Auseinandersetzungen – das Ende der Geschichte, wie Francis Fukuyama meinte, – zum Greifen nahe. Mit diesem Sieg, dachte man, hätte auch die europäische Aufklärung endgültig den Sieg davongetragen.

Es dauerte nur ein Jahr, bis ich aus diesem Traum aufgeschreckt wurde, wenn ich ihn denn je geträumt habe: Ich war – durch eine Vielzahl überraschender, aber keineswegs zufälliger Ereignisse – Leiter der Flüchtlingshilfe der Jesuiten in Kroatien und Bosnien geworden, die später mein Freund Pater Martin Maier weiterführte. Mitten in Europa wurde ich in einen Krieg hineingeworfen, dessen Ursache ich zu erfassen versuchte. Die Zeichen des Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung, Vertreibung, Plünderung und Vergewaltigung waren überall zu sehen. In die Flüchtlingslager kamen täglich traumatisierte Menschen. Nie werde ich vergessen, wie eines Morgens in der Hafenstadt Split aus einem Schützenpanzer eine junge Frau kletterte, die wenige Stunden vorher mit ansehen musste, wie ihre Kinder von Nachbarn massakriert wurden, während sie selbst von UN Truppen in letzter Minute gerettet worden war.

Wir kümmerten uns damals um Lebensmittellieferungen, richteten Beratungsstellen für Frauen ein, die vergewaltigt worden waren, der kroatische Provinzial der Jesuiten unterstützte mit unserer Hilfe ein muslimisches Krankenhaus. Ich war dankbar, dass ich in diesen Jahren inmitten des nationalistischen und ethnischen Wahnsinns, der sich überall breitmachte, für eine Institution arbeitete, die ihre Identität gerade nicht in der nationalen oder ethnischen Abgrenzung sucht, sondern an die menschliche Würde appelliert, die allen Menschen gemeinsam ist, die also im wahrsten Sinne des Wortes katholisch ist. Es war eine Wohltat, in diesen Jahren mit der Jesuitenkurie in Rom zusammenzuarbeiten. Der Jugoslawienkrieg in den 90er Jahren zeigte mir, dass der Fortschrittsautomatismus der Moderne nicht zutreffend sein kann: Denn ich begann rasch zu begreifen, dass die ethnischen Konflikte und Bürgerkriege nicht Zeichen einer nachholenden Entwicklung sind, sondern die Signatur des beginnenden 21. Jahrhunderts werden sollten. Wenige Ereignisse in meinem Leben haben mich so verstört, meine Gewissheiten so sehr erschüttert, wie die beiden kurzen Jahre, die ich für die Bosnien- und Kroatienhilfe der Jesuiten gearbeitet habe. Die Frage nach den Gründen für Gewalt, die traumatischen Wirkungen ethnischer Säuberung, die Einsicht, dass Menschen nur foltern, wenn sie dafür ausgebildet werden, der Zusammenbruch zivilisatorischer Standards sind für mich immer noch unverstandene und ungelöste Fragen.

Ottmar Edenhofer

designierter Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Gründungsdirektor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC); Lehrstuhlinhaber für die Ökonomie des Klimawandels an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin). Der vorliegende Text wurde in Heft 6/2018 von „zur debatte“ abgedruckt.

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