Der Autor
Dr. Christoph Mattes ist Dozent an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Nach einer Lehre zum Bankkaufmann studierte er Soziale Arbeit, Betriebswirtschaftslehre und Erziehungswissenschaft in Berlin und Freiburg und absolvierte den Master of Advanced Studies in Coaching, Supervision und Organisationsentwicklung in Zürich. Seit 2009 leitet er die internationalen Oltner Verschuldungstage sowie seit 2018 die Nationalfondsstudie »In der Sozialhilfe verfangen – Hilfeprozesse bei Armut, Verschuldung und Sozialhilfe« (Laufzeit bis 2022) und weitere Forschungs- und Evaluationsstudien zum Thema Verschuldung und Schuldenberatung in der Sozialen Arbeit ( www.forum-schulden.ch).
Christoph Mattes
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1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-034793-9
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-034794-6
epub: ISBN 978-3-17-034795-3
Ist Schuldenberatung die Arbeit mit Schlitzohren? Auf den ersten Blick und beruhend auf einer parteilichen Haltung der Leserschaft von Büchern der Sozialen Arbeit für Armutsbetroffene oder anderweitig benachteiligte Personengruppen, dürfte die Antwort auf diese Frage mit ›nein‹ ausfallen. Historisch gesehen lautet die Antwort aber ›ja‹. Die Redewendung des Schlitzohrs wurde im 19. Jahrhundert durch die Handwerkszünfte geprägt. Vor allem Zimmermänner, die auf Wanderschaft waren, trugen ihr Erspartes als goldenen Ring mit dem Wappen ihrer Zunft im Ohr. Ließ sich der Zimmermann etwas zuschulden kommen, wurde dieser Ring aus dem Ohr gerissen, um mit dem Gegenwert den Schaden oder die daraus entstandenen Schulden zu begleichen. Es verblieb ein Schlitz im Ohr, der fortan die Mitmenschen und vor allem zukünftige Meister warnen sollte.
Wem nun aber die Redewendung des Schlitzohrs in einem Fachbuch der Sozialen Arbeit zu unangebracht erscheint, dem hilft vielleicht ein Symbol aus dem antiken Griechenland. Damals wurde, wenn sich Hauseigentümer verschuldeten, als Pfand für den Kredit nicht bürokratisch eine Grundschuld oder eine Hypothek in das Grundbuch eingetragen. Es wurde ein großer Stein auf das Dach gelegt. Dieser signalisierte, dass das Haus mit Schulden belegt ist. Diese Praktik erklärt das Sprichwort »Wenn die Schulden das Dach eindrücken«.
Ob nun Schlitzohren oder verschuldete Hausbesitzer – die Menschen, die zur damaligen Zeit hinter diesen Redewendungen standen, sind die heutigen Zielgruppen der Sozialen Arbeit. Dies aber erst dann, wenn aus ursprünglich umworbenen Kund*innen der Konsum- und Kreditwirtschaft säumige Zahler*innen von Forderungen geworden sind.
1.1 Warum »Schuldenberatung und Schuldenprävention als Soziale Arbeit«?
Sich mit Schulden auszukennen, ist eine praxisorientierte Kernkompetenz der Sozialen Arbeit, die sich im beruflichen Handeln mit Klient*innen sehr oft einsetzen lässt. Dabei geht es nicht nur darum, im Rahmen spezialisierter Schuldenberatungsstellen Hilfen anzubieten. Schuldenberatung bedeutet auch, Unterstützung zur Bewältigung wirtschaftlicher Probleme auch dort zu geben, wo Menschen sich in unterschiedlichsten Lebenssituationen und mit unterschiedlichsten Problemen hinwenden: an Hilfeangebote für Jugendliche und jungen Erwachsenen, für Familien und Erziehungsberatung, der Straffälligen-, Sucht- und Obdachlosenhilfe, in öffentlichen Sozialdiensten bis hin zu Unterstützungsangeboten älterer Menschen. Die entscheidende Kompetenz ist es daher, Expert*innenwissen zu Verschuldung in unterschiedliche Hilfeangebote und Hilfeprozesse der Sozialen Arbeit so einzubeziehen, dass dabei der Charme einer professionellen Beratung und Intervention nicht verloren geht.
Dass jedoch durch Expert*innenwissen die Professionalität der Sozialen Arbeit nicht zwangsläufig geschaffen oder erhöht, sondern auch unschärfer oder verloren gehen kann, zeigt gerade die Vielschichtigkeit von Schuldenberatung auf. Ihre Brillanz, im Einzelfall tatsächlich das Problem der Verschuldung hilfesuchender Haushalte lösen zu können, was zu einer beträchtlichen Wertschätzung durch die Ratsuchenden führen kann, macht sie in der Disziplin der Sozialen Arbeit eher unnahbar. So ist Schuldenberatung oft mit dem Makel des Normativen eines schuldenfreien Lebens behaftet und muss sich gelegentlich auch den Vorwurf gefallen lassen, Erfüllungsgehilfe der Gläubiger*innen zu sein. Einen eindeutigen Bezug »Schuldenberatung ist Soziale Arbeit« herzustellen und fachlich zu begründen, ist daher das zentrale Anliegen dieses Buches.
Nun ist die Soziale Arbeit nicht die einzige Profession, die bei Verschuldung helfen will oder kann. Das Feld der rechtsberatenden Berufe ist groß, und immer wieder entwickeln sich Beratungsangebote, die im rechtlichen Graubereich der gewerblichen Schuldenregulierung oder der nicht erlaubten Rechtsberatung Hilfe anbieten. Doch was rechtlich möglich, unmöglich erlaubt oder verwehrt ist, soll nicht Gegenstand dieses Buches sein. Ganz im Gegenteil, die Erarbeitung dieses Buches beruht auf der Maßgabe, die Schuldenberatung nicht anhand juristischer Aspekte vorzustellen. Das Anliegen ist vielmehr, den genuinen sozialarbeiterischen Gehalt zu explorieren: Was ist bei der Beratung von verschuldeten Menschen wichtig, wenn die Kernanliegen der Profession der Sozialen Arbeit mitgedacht werden und das Fundament der Beratung bei Verschuldung darstellen sollen. So zeigt sich, dass aus dem juristisch geprägten Thema Verschuldung und Schuldenberatung ein über das Setting Einzelhilfe hinausreichendes Anliegen unserer Profession wird: Ungleichheit zu bekämpfen und Bedingungen für einen gelingenden Alltag und eine gesellschaftliche Teilhabe zu schaffen.
Gerade unter dem Aspekt, trotz Verschuldung einen gelingenden Alltag zu ermöglichen, ist die jüngere Geschichte der Schuldenberatung eine Erfolgsgeschichte.
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