Der erste Teil dieses Buches setzen sich theoretisch mit Schuldenberatung auseinander. Ausgehend von einer ersten Standortbestimmung in Kapitel 2, folgen in Kapitel 3 die theoretischen Grundlagen von Verschuldung als sozialem Problem. Kapitel 4 widmet sich der Professionalisierung und Professionalität der Schuldenberatung als Soziale Arbeit. Die Genese der privaten Verschuldung als gesellschaftliches Konzept wird anschließend in Kapitel 5 und empirische Befunde zum Ausmaß in Kapitel 6 dargestellt. Der zweite Teil des Buches bietet eine anwendungsorientierte Verknüpfung der theoretischen Grundlagen von Beratung bei Verschuldung (
Kap. 7
) und Schuldenprävention (
Kap. 8
) mit praxisrelevanten Hinweisen für den Arbeitsalltag. Auch Kapitel 9 zur Evaluation von Schuldenberatung und Schuldenprävention schließt mit konkreten Evaluationsfragen für Fachpersonen der Beratungs- und Präventionspraxis.
Die Handlungsempfehlungen und Hinweise für die Praxis sind im Text mit entsprechenden Symbolen gekennzeichnet. Sie verstehen sich als Hinweise und Hilfestellungen zur Erarbeitung und Reflexion professioneller Hilfen im Sinne der Sozialen Arbeit.

Grundannahmen für die Beratungspraxis

Reflexionsfragen zur Erarbeitung von Schuldenpräventionskonzepten

Leitfragen zur Evaluation Ihres Beratungs- oder Präventionsangebots
1.4 Die Schuldenberatung im deutschsprachigen Raum
In diesem Buch sind die professionellen Grundzüge der Schuldenberatung und Schuldenprävention im deutschsprachigen Raum beschrieben und reflektiert. Dabei geht es nicht um einen wissenschaftlichen Vergleich. Dieser ist allein schon wegen der heterogenen sozialstaatlichen Zusammenhänge und der noch unterschiedlicheren rechtlichen Rahmenbedingungen von Verschuldung nicht möglich. Der an einzelnen Stellen vorgenommene Vergleich dient dazu, die Unterschiedlichkeit und die nationalen Besonderheiten exemplarisch darzustellen und darauf aufbauend Fragen der Professionalität der Schuldenberatung zu diskutieren. Hier geht es um Fachlichkeit und Professionalität in der Betrachtung von Unterschiedlichkeit, also eigene Bilder von dem, wie es ist und zu sein hat, anhand anderer Modelle und Herangehensweisen zu hinterfragen. Es lohnt der Blick, vom eigenen und als besonderer oder als einzig richtiger Weg angenommenen auch darauf zu blicken, wie es in einem der Nachbarländer geregelt und gehandhabt wird. Vielleicht auch um zur simplen Erkenntnis zu gelangen, dass weder das Eigene noch das Fremde der Königsweg der Bewältigung von Verschuldung ist. Anzumerken ist, dass der Fachdiskurs und der Forschungsstand zur Schuldenberatung in den drei Ländern sehr unterschiedlich differenziert ausgeprägt sind. Daher ist es nicht immer möglich, eine solche Analyse gleichgewichtig vorzunehmen. Um dies zu tun, wären weitreichende Forschungsfragen zu beantworten, was derzeit noch zukünftigen Forschungsvorhaben vorbehalten ist.
Um diesen Vergleich aber besser einordnen zu können, wird die Situation der Schuldenberatung in den drei Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz nachfolgend anhand von Länderprofilen skizziert und tabellarisch dargestellt. Hierzu ist vorab darauf hinzuweisen, dass es bei ›der‹ Schuldenberatung nicht einzig und allein um den Beratungsprozess der ratsuchenden Personen und Haushalte geht. Wie in den nachfolgenden Kapiteln ausgeführt, steht Schuldenberatung auch für sozialpolitische Einflussnahme und teilweise auch für die im Rahmen des Rechtssystems übernommenen Aufgaben. Die Länderprofile skizzieren daher die nationalen Kontextbedingungen, innerhalb derer Schuldenberatung agiert und angeboten wird.
Was die Relevanz der Einzelfallarbeit anbelangt sei darauf hingewiesen, dass in allen drei Ländern die spezialisierte Schuldenberatung verglichen mit den vielzähligen Stellen, die nicht spezialisierten oder in anderen Beratungsangebote integrierte Schuldenberatung anbieten, nur einen kleinen Teil der Beratungsleistung erbringen. Der größte Teil der betroffenen Haushalte bekommt im Zusammenhang anderer Hilfeangebote Beratung zu Budget- und Schuldenfragen. Umso wichtiger ist es, die Schuldenberatung nicht isoliert als Beratung für Betroffene, sondern vor allem auch hinsichtlich ihrer sozialpolitischen Einflussnahme fachlich zu diskutieren.
Die Schuldenberatung in Deutschland wird entweder direkt durch die Kommunen und Landkreise oder, mit öffentlicher Förderung, durch Institutionen der Wohlfahrtsverbände angeboten. Anfänglich war Schuldenberatung auch bei den Verbraucherzentralen beheimatet, die sich nach ersten grundlegenden gerichtlichen Entscheidungen zum Konsument*innenkredit und aufgrund rückläufiger öffentlicher Finanzierung der Verbraucherberatung und -bildung aus der Schuldenberatung weitgehend, aber nicht vollständig, zurückzogen (vgl. Ebli 2003: 53ff). Das parallele Angebot der Schuldenberatung durch die öffentliche und private Wohlfahrtspflege bildet sich auch in deren Fachverbandsstruktur ab. Hier ist die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB) als Zusammenschluss aller, mehrheitlich aber der durch die Kommunen und Landkreise getragenen Stellen tätig. Die wohlfahrtsverbandlichen Stellen sind über deren Spitzenverbände durch die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) organisiert, können aber zusätzlich auch Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. sein.
Die Schuldenberatung in Deutschland ist seit 1999 im Rahmen des Verbraucher*inneninsolvenzverfahrens für den obligatorischen außergerichtlichen Einigungsversuch als bescheinigende Stelle und in den gerichtlichen Verfahrensabschnitten auch als verfahrensbevollmächtigte Stelle tätig. Sie ist zudem im Rahmen der Einrichtung von Pfändungsschutzkonten bescheinigende Stelle. Die sich dadurch ergebende Finanzierungsfrage wird durch die Bundesländer geregelt. Das führt zu sehr uneinheitlichen sozialpolitischen Rahmenbedingungen der Schuldenberatung innerhalb Deutschlands.
Die sozialrechtliche Verortung sieht in der Schuldenberatung eine Akteurin der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut, vor allem zur Bearbeitung und Lösung von Verschuldung als Vermittlungshemmnis arbeitsloser Hilfesuchender auf dem Arbeitsmarkt.
Neben einer bereits seit vielen Jahren andauernden Diskussion um die Reglementierung der Inkassobranchen, insbesondere der Rechtmäßigkeit der von verschuldeten Personen eingeforderten Inkassokosten, sind Insolvenzrechtsreformen und mit ihnen die Verkürzung der Laufzeit der Wohlverhaltensphasen der Restschuldbefreiungsverfahren ein politisches Dauerthema.
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