Bei erneuter Beschäftigung?
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Gewinnt der Arbeitnehmer den Kündigungsschutzprozess und wird wieder beschäftigt, so braucht er ...
... das erteilte Zeugnis nicht zurückzugeben, wenn auch der Grund für die Zeugnisausstellung (die Bewerbung um einen anderen Arbeitsplatz) weggefallen ist; denn ein Interesse des Arbeitgebers an der Rückgabe ist nicht ersichtlich und wäre nur Anlass für unnötige Streitigkeiten – es wird dann als Zwischenzeugnis betrachtet ( anders aber, wenn im Tarifvertrag die Rückgabe des Zeugnisses vorgesehen ist).
Dies gilt auch für den Fall, dass nach betriebsbedingter Kündigung oder Verdachtskündigung und Erteilung eines (endgültigen) Zeugnisses der Arbeitnehmer seinen eventuellen Anspruch auf Wiedereinstellung durchsetzt.
... nicht Zeugnisse anderer Arbeitgeber vorzulegen, bei denen er in der Zwischenzeit gearbeitet hat.177
bb) Weiterbeschäftigungsanspruch
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Über das Arbeitsvertragsende hinaus kann der gekündigte Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses haben – das kann sich ergeben aus einer speziellen, vertraglichen Vereinbarung oder aus dem besonderen Beschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG/§ 79 Abs. 2 BPersVG (hierbei wird das bisherige Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes fortgeführt und nur auflösend bedingt durch die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage178).
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In diesen beiden Fällen ist auch die Zeit der Weiterbeschäftigung für das gesamte Zeugnis relevant, da ein vereinbartes bzw. fortgeführtes Beschäftigungsverhältnis vorliegt und in das Zeugnis einzubeziehen ist. Denn seine Leistung und Führung können in diesem weiteren Zeitraum für das Zeugnis noch maßgebend sein – also kann das endgültige Zeugnis noch nicht erteilt werden.
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Falls der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit ein Zeugnis verlangt, kommt das vorläufige Zeugnis in Betracht.
Verliert der Arbeitnehmer den Prozess und verlangt nun das endgültige Zeugnis, dann ist das zu vermerkende Beendigungsdatum problematisch (siehe Rn. 277ff.).
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War die Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erfolgreich und wird der Arbeitgeber verurteilt, den Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen, so muss der Arbeitgeber diesem allgemeinen arbeitsvertraglichen Weiter-Beschäftigungsanspruch179 (abgeleitet aus § 242 BGB) nachkommen, um Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Weiterbeschäftigungstitel zu vermeiden.
„ Mit der Prozessbeschäftigung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung wird (aber) kein Arbeitsverhältnis begründet oder die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbart .“180
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Die Prozessbeschäftigung ist auch kein faktisches Arbeitsverhältnis; denn
„ ein faktisches Arbeitsverhältnis setzt voraus, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers zwar ohne Rechtsgrund, aber doch regelmäßig mit Wissen und Willen des Arbeitgebers erfolgt, während hier dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung gegen seinen Willen aufgezwungen wird, was zugleich die Vertragsfreiheit beeinträchtigt .“181
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Der Arbeitgeber schuldet nur die bloße, von ihm nicht akzeptierte, aufgezwungene, tatsächliche Weiter-Beschäftigung, und diese Zeit liegt außerhalb der Bewertung des Arbeitgebers.
Die Zeit der Prozessbeschäftigung ist zeugnisrechtlich unbeachtlich. 182
Also kann er trotz der weiteren Tätigkeit bereits jetzt ein endgültiges Zeugnis verlangen.
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Nachteilig ist, dass die Zeit der Prozessbeschäftigung im Zeugnis unerwähnt bleibt, aber diese Konsequenz lässt sich bei diesem allgemeinen Beschäftigungsanspruch nicht vermeiden. Hilfreich könnte allenfalls sein, diese zeitliche Lücke mit einem weiteren, ergänzenden Zeugnis zu schließen,183 wobei dann aber zwei Nachweise desselben Arbeitgebers vorliegen und klar wird, dass ein Prozess stattgefunden hat – die Biografie des Arbeitnehmers wird dadurch etwas „holperig“, was für ihn nicht vorteilhaft ist.184
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Ein Zurückbehaltungsrecht etwa mit der Begründung, der Arbeitnehmer schulde noch Leistungen oder habe Unterlagen oder sonstige dem Arbeitgeber gehörende Sachen (z.B. Bücher, Geräte, Spezialkleidung, Fahrzeuge) herauszugeben, besteht nicht. Der Arbeitgeber kann nicht die Zeugniserteilung von irgendwelchen Vorleistungen des Arbeitnehmers abhängig machen (z.B. auch nicht von der Vorlage von Arbeitszeugnissen früherer Arbeitgeber).
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Der persönlichkeitsbezogene Charakter des Zeugnisses verbietet die Geltendmachung von Gegenrechten;185 auch bei einem Streit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses besteht die Verpflichtung, ein Zeugnis zu erstellen und auszuhändigen.
Die Verweigerung der Aushändigung oder verspätete Ausstellung macht den Arbeitgeber schadensersatzpflichtig.
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Ist der Mitarbeiter, der ein Zeugnis beantragt, noch Betriebsangehöriger, so kann er sich mit Beschwerden gemäß § 84 BetrVG unmittelbar an den Betriebsrat wenden, der nach § 85 BetrVG solche Beschwerden entgegennehmen und sie auf ihre Berechtigung prüfen muss. Hält der Betriebsrat eine solche Beschwerde für berechtigt, so hat beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken – so wenn der Arbeitgeber dem Zeugnisantrag nicht oder nicht zeitgerecht stattgibt.
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Der Inhalt von Zeugnissen fällt aber nicht unter das Beteiligungsrecht des Betriebsrats (bzw. des Personalrats);186 die Formulierungen und Bewertungen im Zeugnis sind ausschließlich Sache des Arbeitgebers,187 sie können nicht Gegenstand von Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat werden.
Das mag der Grund dafür sein, dass sich Zeugnisempfänger kaum an den Betriebsrat, sondern sogleich an das Arbeitsgericht wenden, wenn es um Beanstandungen geht.
Ist der Antragsteller bereits aus dem Betrieb ausgeschieden, so entfällt jegliche Beteiligung des Betriebsrats, der nunmehr keine Legitimation mehr hat, für ihn in irgendeiner Form tätig zu werden; eine nachwirkende Rücksichtnahmepflicht (wie der Arbeitgeber) hat der Betriebsrat nicht.
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Bei Tendenzbetrieben und Religionsgemeinschaften im Sinne von § 118 BetrVG entfällt von vornherein das Mitbestimmungsrecht.
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Jedoch bei der Aufstellung von Beurteilungsgrundsätzen (oder von Eingabebogen zur Zeugniserstellung188), die mit der Festsetzung von Beurteilungsmerkmalen Grundlage eines Zeugnisses sein können, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (§ 94 Abs. 2 BetrVG) bzw. des Personalrats (§§ 75, 76 BPersVG); gemäß § 30 SprAuG ist der Sprecherausschuss zu unterrichten.
6. Kosten der Zeugnisausstellung
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Die Zeugnisvorschriften enthalten keine Kosten - Regelung, so dass der allgemeine Grundsatz gilt: der Schuldner = Arbeitgeber hat seine Zeugnis-Pflicht auf eigene Kosten zu erfüllen; der Arbeitnehmer hat hierfür nichts zu zahlen.
Sofern die Pflicht zur Zeugniserteilung nicht oder nicht mehr besteht, kann der Arbeitgeber das Zeugnis ausstellen unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer die Kosten übernimmt, wobei allerdings der Personal-, Zeit- und Sachaufwand vermutlich gar nicht im Einzelnen zu ermitteln sein wird.
7. Holschuld/Versendung des Zeugnisses
a) Holschuld
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Der Arbeitgeber muss das Zeugnis an seinem Wohnsitz bzw. am Ort seiner gewerblichen Niederlassung zur Abholung bereithalten (§ 269 BGB), egal, ob das Zeugnis auf Antrag oder automatisch ausgestellt wurde – die Zeugnisschuld ist eine Holschuld .189
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