• umgekehrt kann sich herausstellen, dass die zusätzlichen Angaben über Leistung und Verhalten/Führung dem Bewerber bei der Stellensuche nicht förderlich erscheinen, und dass ihm nun ein einfaches Zeugnis genügt.
141
Der Arbeitnehmer hat nur einen einzigen Anspruch auf ein Zeugnisdokument117 (er kann nicht das einfache plus das qualifizierte Zeugnis fordern118), und mit der ursprünglichen Zeugniswahl (§ 263 Abs. 2 BGB) ist der Anspruch erfüllt und damit erloschen.119
142
Dieser erloschene Zeugnisanspruch kann aber aufgrund des Rücksichtnahmegebots des § 241 Abs. 2 BGB wiederaufleben, da der Arbeitgeber in der für ihn zumutbaren Weise alles zu unterlassen hat, was das Fortkommen des Arbeitnehmers erschweren würde. Jedoch müssen schon besondere Gründe vorliegen, um einen Antrag für ein weiteres Zeugnis zu rechtfertigen:
• Verlangt der Arbeitnehmer zunächst nur ein einfaches Zeugnis und später ein qualifiziertes, so ist es nur zu akzeptieren, wenn das einfache Zeugnis zu schnellen Bewerbungszwecken verlangt wurde und er jetzt das qualifizierte benötigt (aber nicht zu rechtfertigen, wenn sich der Arbeitnehmer inzwischen selbstständig gemacht hat120).
• Wurde ein qualifiziertes Zeugnis verlangt und erteilt und wünscht der Arbeitnehmer nunmehr ein einfaches, so wird es kaum zu rechtfertigen sein;121 wenn der Arbeitnehmer im Nachhinein etwa feststellt, dass die Beurteilung zu schlecht ist für eine Bewerbung, dann führt eine Bewerbung nun mit einem einfachen Zeugnis auch nicht weiter.
143
Mit dem Antrag auf ein anderes Zeugnis verzichtet er auf das zuerst erteilte und muss es bei Erteilung des neuen Zeugnisses Zug um Zug zurückgeben,122 um nicht zwei Original-Zeugnisse „im Umlauf“ zu haben. Da Bewerbungen nicht mit dem Original-Zeugnis erfolgen, dieses Dokument also noch beim Arbeitnehmer vorhanden sein müsste, wird die Rückgabe kein Problem bereiten; ist es aber nicht mehr möglich, das Original zurückzugeben, entfällt die Übergabe des neuen Zeugnisses.
144
Der Arbeitnehmer kann auf die Zeugniserteilung einseitig oder durch Erlassvertrag verzichten.
145
Zu beachten ist aber:
• Unwirksam ist jeglicher Verzicht während der Dauer des Arbeitsverhältnisses. Denn der Zeugnisanspruch ist noch nicht entstanden, der Arbeitnehmer kann zu dieser Zeit überhaupt nicht überblicken, ob er später ein Zeugnis benötigt; es sind keinerlei Interessen erkennbar, die es in diesem frühen Stadium rechtfertigen würden, auf das für sein Berufsleben so wichtige Dokument für die Zukunft zu verzichten. Es geht um den Schutz vor unüberlegtem Gebrauch der Privatautonomie, der persönlichkeitsbezogene Charakter der Zeugnisvorschriften verbietet eine vorzeitige Aufgabe dieser Rechte.123
• Bei oder nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind die soziale Abhängigkeit und Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers entfallen. Da der Arbeitnehmer das Recht hat, ein Zeugnis zu verlangen oder nicht, kann er durch Nichtbeantragung auch hierauf verzichten.124 Das BAG125 hat einen solchen Verzicht nicht ausgeschlossen.
146
Aber es ist Vorsicht geboten:
„ Sowohl der einseitige Verzicht als auch der Erlassvertrag bedürfen der unmissverständlichen Willensbekundung, von einer Forderung Abstand zu nehmen. “126
Entweder müsste eine Erklärung vorliegen, die den Zeugnisanspruch ausdrücklich bezeichnet,127 oder es müsste sich der Verzicht aus den besonderen Umständen deutlich ergeben, z.B. nach Übernahme als Beamter im öffentlichen Dienst oder nach Erreichung der Altersgrenze, oder wenn er sich selbstständig macht, also bei Vorgängen, bei denen durchweg kein Zeugnis mehr in Betracht kommt.
147
Nichtig hingegen ist eine Vereinbarung, die einen Verzicht auf Zeugniserteilung beinhaltet, bei einem Ausbildungszeugnis (§ 25 BBiG) und einem tariflichen Zeugnisanspruch (§ 4 Abs. 4 TVG).
Das gilt nicht nur während der Beschäftigung, sondern auch bei oder nach Beendigung, eine zeitliche Differenzierung ist nicht vorgesehen.
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Übrigens:
Wer ein Arbeitszeugnis entgegennimmt, verzichtet nicht auf Einsicht in seine Personalakte128 (und nicht auf Ruhegehaltsansprüche129).
Wer aber die Vernichtung seiner Personalakte bzw. die Löschung seiner Personalunterlagen verlangt, verzichtet auf die Zeugniserteilung.
Ausgleichsklauseln
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Bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses werden oftmals im Aufhebungsvertrag oder in einem (Prozess-)Vergleich Ausgleichsklauseln vereinbart wie etwa
„ Damit sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, bekannt oder nicht, gleich aus welchem Rechtsgrund erledigt. “
oder
„ Es bestehen keinerlei Forderungen mehr gegen den Arbeitgeber. “
Welchen Einfluss diese oder ähnlich formulierte Klauseln auf den Zeugnisanspruch haben, hängt davon ab, ob ein Zeugnis bereits erteilt wurde oder nicht:
150
• Liegt noch kein Zeugnis vor, so beinhalten solche Klauseln nicht den Verzicht auf erstmalige Erteilung eines Zeugnisses, sofern in den bisherigen Verhandlungen und in dem diesbezüglichen Schriftverkehr das Arbeitszeugnis nicht angesprochen war130 und damit nicht zum „gedanklichen“ Inhalt der Klausel wurde.Denn bei solchen Klauseln sind nur vom Arbeitnehmer ohne Weiteres „überschaubare“, erkennbare, durchweg finanzielle Ansprüche (wie z.B. Lohn, Urlaub, Abgeltungen) gemeint, solche, die bekannt waren oder mit deren Bestehen zu rechnen war,131 nicht jedoch der für den Arbeitnehmer in solchen Situationen zunächst nicht nahe liegende Anspruch auf das Arbeitszeugnis.Das gilt auch bei Ausschlussklauseln, die bereits bei Vertragsabschluss vereinbart wurden.132Ausnahme:
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Diese Klauseln erfassen jedoch den Zeugnisanspruch, sofern ein Vergleich geschlossen wird, in dem umfangreich und detailliert aufgeführt ist, was zur Erledigung ansteht (ohne das Zeugnis zu erwähnen), wobei der Arbeitnehmer erklärte, er wolle sich aus dem aktiven Arbeitsleben zurückziehen und in Rente gehen, und damit zu erkennen gab, kein Zeugnis zu benötigen – angesichts solcher Umstände kann der Vergleich auch den nicht genannten Zeugnisanspruch erledigen.133
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• Solche Klauseln erfassen den Anspruch auf Berichtigung eines bereits erteilten Zeugnisses, sofern der Arbeitnehmer ausreichend Zeit zur Überprüfung des Zeugnisses unter eventueller Hinzuziehung eines Beraters hatte; nunmehr ist das Zeugnis präsent und kann nicht „übersehen“ werden.Ausnahme:Wer aber nur einen einzigen Tag vor Unterzeichnung der Ausgleichsquittung das Zeugnis erhalten hat, dem kann nicht ein Verzicht auf „Zeugnisberichtigung“ unterstellt werden, weil er in dieser kurzen Zeit noch nicht den Inhalt des Zeugnisses „überschauen“ konnte.134
153
Tarifverträge enthalten regelmäßig Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Dienst- und Arbeitsverhältnis. Sofern diese Frist (in der Regel 3 Monate, bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst: 6 Monate) nicht ausdrücklich auf die Geltendmachung bestimmter Ansprüche beschränkt ist, gilt sie auch für den tariflichen Zeugnisanspruch,135 für die einzelvertraglich vereinbarte Verfallklausel136 und für den gesetzlichen Zeugnisanspruch (der Tarifvertrag tangiert nicht das Gesetz, sondern sieht nur eine im Gesetz nicht speziell geregelte zeitliche Begrenzung der Geltendmachung vor).
Wird der Zeugnisanspruch nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht, so ist er erloschen.
154
Die Ausschlussfrist für den Anspruch auf ein (endgültiges) Zeugnis beginnt mit dem letzten Tag der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses,137 für den auf ein vorläufiges Zeugnis mit dem Tag des Zugangs der Kündigung.
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