Knut Wiesner
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1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-038870-3
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-038871-0
epub: ISBN 978-3-17-038872-7
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Gemeinden und Städte, ganze Regionen, aber auch Gewerbegebiete oder Innenstädte wetteifern um die wertschöpfenden Aktivitäten von Unternehmern und Betrieben unterschiedlicher Art, sie wollen ihre Attraktivität steigern und ihre wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit sichern. Ein mittlerweile weltumspannendes Kommunikations- und Transportnetz, die Digitalisierung und die hohe Mobilität der Menschen und Unternehmen führten in den letzten Jahren zu einer starken Internationalisierung wirtschaftlicher und privater Aktivitäten.
Ist schon seit einiger Zeit ohnehin eine gewisse Stagnation der internationalen Beziehungen durch Handelsbeschränkungen und neu aufkommenden nationalen Populismus festzustellen, so zeigt eine Pandemie, die seit Anfang 2020 den ganzen Globus in Atem hält, nun die Grenzen dieser Entwicklung auf. Denn in Pandemie-Zeiten sind auch Lieferketten und Transportwege betroffen, sie sind schnell unterbrochen oder zumindest gefährdet.
Es ist mit einer Reduzierung der internationalen Beschaffungstätigkeit zugunsten regionaler Wirtschaftsbeziehungen zu rechnen. Der Fokus der Menschen wird sich wieder vermehrt auf die nähere Umgebung richten, es wird eine wahrnehmbare Rückbesinnung auf regionale und nationale Beziehungen stattfinden. Regionalität wird nicht nur beim Kauf von Produkten sondern auch bei Reisen und anderen Dienstleistungen eine stärkere Bedeutung gewinnen. Das wird allerdings für international agierende Unternehmen auch bedeuten, ihre Leistungen näher an den jeweiligen Kunden zu erbringen.
Stand bisher der globale Wettbewerb im Fokus vieler Standorte, wird es zukünftig auch mehr um regionalen Wettbewerb gehen. Angesichts ähnlicher Standortbedingungen wird es allerdings schwieriger werden, attraktive Unternehmen/Investoren und Menschen zu gewinnen, die einen Ort geschäftlich oder privat zu besuchen oder ihn als Wohn- und Arbeitsort zu wählen. Sicher werden die EU und einzelne Staaten ihre Standorte auch zukünftig fördern, aber es besteht zunehmend die Gefahr, dass sich staatliche Infrastrukturen und Zuschüsse gegenseitig Konkurrenz machen und damit weniger effektiv sind. Umso mehr kommt es auf Attraktivitätsvorteile an.
Angesichts der vielfältigen Beziehungen, Netzwerke, Kooperationen und Lieferketten und vor allem der komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen (Stichworte: Nachhaltigkeit, Klima- und Artenschutz, ethische Fragestellungen, Fairness usw.) müssen alle relevanten Standortakteure/Stakeholder in ein erfolgreiches Standortmarketing einbezogen werden. Alle Beteiligten müssen Hand in Hand methodisch sinnvoll und effektiv zusammenarbeiten, wollen sie ihre unterschiedlichen Zielgruppen vom Standort (Place) überzeugen.
Dabei sollten nicht nur wirtschaftliche Betrachtungen angestellt werden, denn es gibt viele Synergien zwischen der Attraktivität eines Standorts und sowohl für Unternehmen und Institutionen als auch für den einzelnen Menschen: Ein an den Stakeholdern orientiertes 360-Grad-Marketing bietet einen sehr guten Ansatz, mittels einer breiten Zielgruppenbetrachtung auch eine breite Akzeptanz und Unterstützung zu finden.
Der Wettbewerb der Standorte erfordert eine gute Kenntnis der Kunden-/Zielgruppen und ihres Wahlverhaltens: Angesichts sich bietender Alternativen sind Unternehmer, Investoren, Gründer, Arbeitnehmer und deren Familien, Kreative, Kunstschaffende, Wissenschaftler, Gäste oder Besucher sehr anspruchsvoll. Daher müssen Angebotsbündel (Services und Infrastrukturen) geschnürt werden, die attraktiv sind und sich profiliert von denen anderer Standorte abheben. Mittels einer klaren Positionierung, einer attraktiven Image- oder Markenbildung lässt sich die Basis für einen nachhaltigen Erfolg legen.
Standorte bzw. deren Standortorganisationen müssen sich strategisch auf neue Herausforderungen einstellen. Normativ-strategisches Marketing, einschließlich Marktforschung und professionellem Marketingmanagement, sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Ansprache aller relevanten Anspruchsgruppen. Einer integrierten Kommunikation fällt dabei eine zentrale Rolle zu. Eine sinnorientierte Vision, wertebasierte und identitätsstiftende Leitbilder und nachhaltige Markenstrategien sind Basis für ein langfristig erfolgreiches Standortmarketing.
Dieses Fachbuch bietet praxisorientierte Anregungen und Handreichungen, um ein professionelles Standortmarketing zu entwickeln, vorhandene Chancen nutzen und neue Herausforderungen meistern zu können. Viele Praxisbeispiele aus dem deutschsprachigen Raum und etliche Abbildungen veranschaulichen die dargestellten Zusammenhänge und Instrumentarien. Das Werk eignet sich gleichermaßen für Praktiker aus dem Standortmarketing bzw. den Standortorganisationen als auch für die Verwaltungen und Kammern zur Vertiefung des vorhandenen Wissens und zur Erweiterung des fachlichen Horizonts. Auch erleichtert es interessierten Studierenden den Zugang zu diesem spannenden und facettenreichen Themenbereich.
Bonn/Kassel, im Februar 2021 |
Prof. Dr. Knut Wiesner |
Der starke Wettbewerb der Gemeinden, Städte, Regionen und Metropolregionen um Menschen und Wohlstand wird immer wieder thematisiert. Standen Standorte bisher vor allem international in wachsender Konkurrenz zueinander, dürfte sich das Bild seit 2020 durch die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen verändern. Es zeigt sich, dass für Unternehmen nur dann internationale Standorte einen Sinn ergeben, wenn es dort ausreichend (kaufkräftige) Kunden gibt, ergänzt um nationale oder regionale Lieferketten. Angesichts vieler pandemiebedingter Beschränkungen erscheint es als sinnvoll, nicht allein auf internationale Lieferbeziehungen zu setzen, sondern die Belieferung mit Vorerzeugnissen ganz oder zusätzlich regional zu organisieren, damit es zu keinen Unterbrechungen kommt. Gerade in den Gesundheitsbranchen hat sich gezeigt, wie kritisch eine fehlende nationale Produktion ist.
Also ist damit zu rechnen, dass sich zumindest in kritischen Bereichen vermehrt eine regionale Produktion etabliert und Lieferketten regionaler organisiert werden, um Unwägbarkeiten zu reduzieren. Es wird eine gewisse Deglobalisierung der Wertschöpfungsketten erwartet. Und die Welt wird immer komplexer und volatiler, so dass es allen Akteuren schwerer fällt, langfristig zu planen und handeln. Es wird schwieriger, komplexe Zusammenhänge zu erkennen, und Mehrdeutigkeiten lassen strategisches Handeln und Planungen risikobehafteter werden. Aus diesem Grund schätzen immer mehr Menschen überschaubare, regionale Produkte und Angebote, die weniger komplex und vermeintlich ressourcenschonender sind. Der Wunsch der Bevölkerung nach Fairness und Nachhaltigkeit der Unternehmen wächst und erfordert von diesen die Übernahme von Verantwortung für ihre Lieferbeziehungen. Daher dürfte sich der Wettbewerb der Standorte wieder etwas mehr auf die Region und das eigene Land sowie auf die Nachbarländer der EU ausrichten. Es ist nicht nur ein Wettbewerb um Unternehmen oder Investoren, Finanzmittel und Infrastrukturen, sondern auch um Geschäftsreisende und Touristen, Erholungsuchende oder Kulturinteressierte, (Neu-)Bürger und Fachkräfte, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Organisationen oder Verbände. Angesichts ähnlicher Rahmenbedingungen im regionalen/mitteleuropäischen Umfeld unterscheiden sich zudem viele Standortfaktoren nicht oder nur wenig. Also werden die Attraktivität und Lebensqualität der Städte und Regionen zum erfolgsbestimmenden Faktor im Standortwettbewerb.
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