Knut Lindh - Wikinger - Die Entdecker Amerikas

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"Spannend erzählt." – Bild der Wissenschaft In «Wikinger» räumt Knut Lindh endgültig auf mit dem Mythos, dass Kolumbus der Entdecker Amerikas war. Fünfhundert Jahre vor Kolumbus betraten der Norweger Leif Eriksson und seine Männer als erster Europäer den amerikanischen Kontinent. Auf der Suche nach milden Wintern, fruchtbarem Land und ausreichend Holz stießen die Wikinger um das Jahr 1000 mehrmals bis zur Küste Nordamerikas vor. Die Wikinger kamen von Island und Grönland gesegelt, wo Leifs Vater Erik der Rote eine Kolonie gegründet hatte. Mit beeindruckender seefahrerischer Leistung, viel Mut und einer grossen Neugier für das Unbekannte gelang ihnen das damals schier Unmögliche: Die Überquerung des Atlantiks. Was sie fanden, überstieg ihre Vorstellungskraft: grüne Wälder, Lachse von nie gesehener Größe und Weintrauben, soweit das Auge reichte. Ein wichtiger Kapitel der europäischen Kolonialgeschichte, die allererste Entdeckung Amerikas, schildert Knut Lindh umfassende und spannend wie in einem historischen Roman. AUTORENPORTRÄT Knut Lindh wurde 1951 in Oslo geboren. Er arbeitet als Journalist, Übersetzer und Redakteur der norwegischen Ausgabe von "National Geographic. Er ist Autor verschiedener Sachbücher und Roman, denen seine besondere Affinität zur norwegischen Geschichte zugrund liegt.

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Knut Lindh

Vorwort

Es ist eine der spannendsten und abenteuerlichsten Episoden der nordischen Geschichte: Leif Eirikssohns gefährliche Seereise, die ihn vor über tausend Jahren nach Vinland führte. In einem offenen Boot durchquerten Leif und seine Männer eine der nördlichsten Wasserstraßen der Welt und waren somit die ersten Europäer überhaupt, die im später so benannten »Amerika« an Land gingen.

Die Wikinger bauten an der Nordspitze Neufundlands eine Siedlung und wollten sich in dem neuen Land niederlassen, doch dann kam es zu blutigen Zusammenstößen mit Indianern und Inuit (auch Eskimo genannt) – und die Neuankömmlinge zogen sich zurück. Doch wohin? Gingen sie allesamt wieder nach Grönland, oder haben einige vielleicht die amerikanische Ostküste in südlicher Richtung erforscht und sogar Vorstöße ins Innere des Landes gewagt? Haben sie sich mit Indianervölkern vermischt? Leben ihre Nachkommen vielleicht noch heute in Amerika?

Auch das Schicksal der nordischen Grönländer ist ein Mysterium, das Wissen über dieses Volk ist zum Teil in den Wirren der Zeiten verloren gegangen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt sind sie aus ihren kleinen Siedlungen auf Grönland verschwunden. Aber was war mit ihnen geschehen? Wurden sie von den Inuit ermordet? Zwangen die Notzeiten sie dazu, in das von Leif Eirikssohn entdeckte Land auszuwandern? Oder wurden sie von portugiesischen Seeräubern verschleppt und beendeten ihre Tage als Sklaven in Portugal und auf Madeira?

Schon als Kinder hörten wir die Geschichte von Christoph Kolumbus und seiner heldenhaften Seereise zu den karibischen Inseln – sie wurde uns in der Schule erzählt, und in zahllosen Filmen und Fernsehserien sind uns der Genueser Entdecker und seine Taten begegnet. Aber wo bleibt Leif Eirikssohn, der fünfhundert Jahre zuvor unter Einsatz seines Lebens den Weg über das Meer nach Vinland fand, ohne Karte oder Kompaß als Hilfsmittel?

Es ist behauptet worden, daß es sich bei den Berichten über die Fahrten nach Vinland einfach nur um Sagen handele. Der italienische Historiker Gianni Granzotto schreibt 1984 in seiner großen Kolumbus-Biographie, die Wikinger hätten »keine Spuren oder schriftliche Dokumentationen« über ihre Entdeckungen in Amerika hinterlassen: »Die Erinnerung daran, was sie getan oder nicht getan haben, ist kein Teil der Geschichte. Sie lebt nur durch Sagen und mündliche Überlieferung weiter, nur als Hinweis, als eine Vorstellung im Leerraum.«

Granzotto schrieb das zwanzig Jahre nachdem Präsident Lyndon B. Johnson dem einstimmigen Beschluß des US-Kongresses gefolgt war und den 9. Oktober zum Leif Erikson Day ausgerufen hatte.

Seine Formulierung steht außerdem im starken Widerspruch zu einem Artikel, den das US-amerikanische Magazin Time 1999 veröffentlichte, und in dem die Siedlung L’Anse aux Meadows als eine der größten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts bezeichnet wird. Der Artikel basiert auf den Arbeiten von Forschern aus aller Welt, in denen diese Siedlung als Beweis dafür angeführt wird, daß die nordischen Grönländer fast fünfhundert Jahre vor Kolumbus Amerika erreicht hatten.

In einem Interview mit der norwegischen Zeitung Aftenposten sagte der Autor Helge Ingstad im Jahre 1989: »Wir haben bewiesen, daß Kolumbus zu spät gekommen ist. Aber Leif Eirikssohn war zu früh. Seine Leute verfügten ungefähr über die gleichen Waffen wie die einheimische Bevölkerung. Pfeil, Bogen und Speer. Kolumbus hatte Feuerwaffen und war damit den Indianern im Kampf haushoch überlegen.«

Die Seereise des Kolumbus, die diesen zu den karibischen Inseln führte, sollte ganz andere und weiterreichende Konsequenzen für die Entwicklung des amerikanischen Kontinents haben als die von Leif Eirikssohn so viele Jahre zuvor unternommene Expedition nach Vinland. Das neue Land wurde kolonisiert, die dortige Bevölkerung wurde von ihren Jagdgründen vertrieben und weitestgehend ausgerottet, große Reichtümer wurden nach Europa geschafft und eine neue Nation wurde aufgebaut.

Leif Eirikssohns Entdeckung des neuen Landes im Westen hatte keine solchen Folgen. Die Vinlandfahrer wurden von Neugier getrieben, nicht vom Drang, sich neues Land zu unterwerfen. Sie waren Fischer und Bauern, die am nördlichsten Rand Europas ein hartes Dasein fristeten. Ihr einziger Wunsch war es, sich in einem milderen Klima niederzulassen.

Inzwischen können wir unzweifelhaft feststellen: die Vinlandfahrer waren die ersten Europäer, die den amerikanischen Kontinent betraten. Das macht sie zu den Hauptpersonen in einem der spannendsten Kapitel der nordischen Geschichte. Einem Kapitel, das von Reiselust und Neugier handelt, dem Antrieb, der jeder neuen Erkenntnis zu Grunde liegt.

Die Geschichte der Entdeckung Vinlands setzt an einem Sommertag gegen Ende des ersten Jahrtausends ein. Wir befinden uns auf einer Knorre, die von Island nach Grönland segelt. Der Kapitän heißt Bjarni. Er ist vom Kurs abgekommen und weiß nicht, wo er sich befindet. Willkommen an Bord.

Knut Lindh

Teil eins

Vieh stirbt,

Sippe stirbt,

und so sterben auch wir;

der Glanz des Wortes

stirbt nie

in ehrenvoller Nachrede.

aus dem Hávamál

(Sammlung von altnordischen Spruchweisheiten)

Für die altnordischen Eigennamen gibt es keine verbindliche deutsche Schreibweise. So taucht z. B. ein und dieselbe Person in der deutschen Wikinger- und Sagaliteratur auf als: Erich der Rote, Erik der Rote, Eirik der Rote, Eirik den Röde/Røde, Erik den Röde/Røde, Eirik Raudi und Eirik Rauði. (Die Laute þ und ð entsprechen in der Aussprache dem stimmlosen und dem stimmhaften »th« im Englischen.) Für dieses Buch wurde eine Schreibweise gewählt, die dem altnordischen Original möglichst nahekommt, die jedoch auf im Deutschen unübliche Schriftzeichen weitestgehend verzichtet.

Bjarni sieht Land im Westen

Seit drei Tagen hatten sie gute Wetterverhältnisse gehabt und die Insel im Osten war längst hinter ihnen im Meer versunken. Bald müßte das neue Land, das Eirik der Rote Grönland nannte, am Horizont in Sicht kommen.

Bjarni Herjolfssohn verließ sich auf die Anweisungen, die ihm auf Island erteilt worden waren. Er war Kaufmann und ein erfahrener Seemann, und er zweifelte nicht daran, daß seine Peilungen zutrafen und sie sich auf dem richtigen Kurs befanden.

Der Wind legte sich. Bjarni fluchte leise, als die Rah gegen den Mast schlug und eine Welle die Knorre von der Seite her traf. Er schickte die Männer an die Ruder. Es war wichtig, das Schiff quer zu den Wellen zu halten. Er wußte, daß ein Brecher das Schiff sonst sehr schnell mit Wasser füllen konnte.

So kämpften sie einige Stunden und vielleicht auch noch länger gegen die Naturkräfte an. Dann knallte das Rahsegel, das sich ohne Vorwarnung mit neuem Wind gefüllt hatte – der Wind kam von Norden und war kälter als der vorige.

Der Nordwind führte Nebel mit sich. Als Bjarni eine Weile später die Männer am Bug kaum noch erkennen konnte, spürte er, daß die Unruhe aus seinem Kopf in seinen Bauch gewandert war und er befahl, das Segel einzuholen.

Er sprach ein stilles Gebet, er wußte nicht, zu wem. Er hatte von dem neuen großen Gott gehört, den die Mönche aus dem Süden mitgebracht hatten, und der angeblich seine schützende Hand über Seefahrer in Not hielt–aber nur über die, die sich bekehrt hatten und die alten Gottheiten verleugneten.

Sie trieben umher, so, wie es Meer und Wind eben gefiel. Auch die Mannschaft wurde jetzt nervös. Hatte der Kapitän nicht behauptet, daß sie ihr Ziel bald erreicht haben würden? Und sie vor Eisbergen gewarnt? Aber sie konnten weder Eisberge noch Land oder unter Wasser liegende Felsen entdecken. Alle wußten, daß eine zu plötzliche Begegnung mit dem Land, das Grönland genannt wurde, ihren Tod bedeuten konnte. Einer der Männer schrie auf, als vom Bug her ein Knall zu hören war, doch der stammte von einer einzelnen Welle, die plötzlich aufgetaucht war. Tjolders Name stahl sich über Bjarnis Lippen. Keiner an Bord hatte sich zu dem neuen Gott bekehrt, weshalb sie aus dieser Richtung wohl kaum Hilfe erwarten konnten.

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