Da sich die allgemeinen Rahmenbedingungen in den Staaten oder der EU zunehmend ähneln, spielen dann bei konkreten individuellen Entscheidungen, auch als Unternehmer, an einem bestimmten Ort einzukaufen, ein Restaurant oder Theater zu besuchen oder einen Betrieb zu gründen bzw. auszubauen, vorrangig regionale oder lokale Gegebenheiten eine Rolle. Da regionale/lokale Standorte meist nur beschränkte Möglichkeiten haben, die kostenrelevanten Standortbedingungen zu beeinflussen, wie kommunale Steuern oder Abgaben, lokale Infrastrukturen, Gewerbeflächen und deren Erschließung, sollten meist andere Attraktivitätskriterien verbessert werden.
Nicht nur die »harten«, messbaren Faktoren sind wichtig, sondern in großem Umfang auch die »weichen« Einflussfaktoren, die die Lebensqualität vor Ort bestimmen. Dazu zählen u. a. das Sport- und Kulturangebot, Kitas und Vereine, Einkaufs- und Erholungsmöglichkeiten, Sicherheit und Sauberkeit. Denn die Entscheider, Investoren, Gründer oder (potenzielle) Arbeitskräfte sind Menschen, die sich wohlfühlen und alle für sie relevanten Angebote vorfinden wollen. Die Standortfaktoren lassen sich folgendermaßen klassifizieren:
• Überregional vorgegebene Rahmenbedingungen: Steuern, Zölle, Sozialabgaben, Wirtschafts-, Rechts- und Arbeitsmarktordnung, Sicherheit u. Ä.
• Ursprüngliche Gegebenheiten: Natur, Gewässer, Rohstoffe, Berge, Klima, Heilquellen, historische Gegebenheiten, soziokulturelle Verhältnisse, wirtschaftlich oder touristisch bzw. freizeitmäßig nutzbare Landflächen u. Ä.
• Künstlich geschaffene Infrastrukturen und örtliche/regionale Rahmenbedingungen: Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur, Wasser- und Stromversorgung, Gewerbegebiete, Immobilienangebot, regionale/lokale Steuern und Abgaben, Stadtbild, Sportstätten, Kultur- und Bildungseinrichtungen, Wissenschafts- und Forschungsinstitutionen, Museen, Zoos, Parks u. Ä.
• Servicebezogene Standortbedingungen: Beratungs- und Servicequalität der Verwaltung bzw. der Standortorganisation uns der Wirtschaftsverbände, Standortanalysen, Fördermittel, Finanzhilfen, Wirtschafts- und Innovationsklima, Netzwerke und Cluster, innovatives Milieu, (Marken-)Image des Standorts, Standortmarketing u. Ä.
• Standortbeeinflussende, sogenannte »weiche« Faktoren, die die Lebensqualität maßgeblich bestimmen: Kulturangebote, Sport- und Freizeitangebote (Freizeitwert), Veranstaltungen und Events, Flair/Reiz des Standorts, Betreuungsangebote, Wohnangebote, Einkaufsattraktivität, Umweltqualität und Gesundheitsangebote, Sicherheit und Sauberkeit, Restaurants und Hotellerie u. Ä.
Abb. 2-7: Tourismus stärkt Standortqualitäten (Quelle: dwif 2017)
Viele der genannten Standortfaktoren sind vorgegeben. Sie können gar nicht oder nur über einen langen Zeitraum beeinflusst werden. Wetterlage und Klima sind ebenso wie historische Gegebenheiten oder soziokulturelle Verhältnisse kaum oder nur sehr langfristig zu beeinflussen. Auch künstlich geschaffene Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen oder das Stadtbild lassen sich nur langfristig und mit hohem Aufwand verändern. Nach dem EY Attractiveness Survey Deutschland 2019 (EY 2019) haben Standortfaktoren für ausländische Unternehmen/Investoren besondere Bedeutung, die lokal oder regional kaum beeinflussbar sind:
• Logistik-, Transport- und Telekommunikationsinfrastruktur,
• politische und rechtliche Stabilität und Transparenz,
• Qualitätsniveau der Arbeitskräfte,
• soziales Klima,
• Attraktivität des Binnenmarkts,
• Finanzierungsmöglichkeiten,
• zu erwartende Produktivitätsfortschritte (Innovationsklima),
• Flexibilität arbeitsrechtlicher Bestimmungen,
• Investitionsanreize und Vergünstigungen,
• Unternehmensbesteuerung,
• Personal- und Arbeitskosten.
Regionale oder lokale Standorte können und müssen vor allem die genannten weichen Standortfaktoren bestimmen, die maßgebend für die Lebensqualität des Standorts sind. Auch die Umwelt- und Wohnqualität ist zunehmend relevant. Gerade touristische Angebote verbessern die Standortausstattung mit begehrten Infrastrukturen und Angeboten weicher Standortfaktoren, die die Attraktivität jeder Stadt/Region sowohl als Wohn- und Lebensraum als auch als Wirtschaftsstandort deutlich steigern (
Abb. 2-7).
Standortrelevant sind auch Netzwerke oder Cluster, eine Gründungsförderung oder der Effizienzgrad der regionalen Verwaltung sowie das Wirtschaftsklima und Image des Standorts. Gerade Kommunen oder Regionen oder deren Standortorganisationen bieten unterschiedliche Beratungs- und Unterstützungsleistungen (in unterschiedlicher Gestaltung) an und können diese daher vorrangig zur Profilierung nutzen. Die weichen Rahmenbedingungen unterliegen dabei stets einer subjektiven Bewertung (
Abb. 2-8).
Abb. 2-8: Arten von Standortleistungen (Quelle: Nach Wiesner 2013, S. 133)
Die staatliche Germany Trade & Invest (GTAI) führte zehn Gründe für Deutschland als Investitionsstandort an (Wiesner 2013, S.135):
• Führende Wirtschaft,
• Global Player,
• hohe Produktivität,
• exzellente Fachkräfte,
• Innovationskraft,
• hervorragende Infrastruktur,
• attraktive Förderprogramme,
• wettbewerbsfähige Steuersätze,
• sicheres Investitionsumfeld,
• erstklassige Lebensqualität.
Standortangebote stellen üblicherweise eine Synthese mehrerer natürlicher (Ressourcen) und/oder durch Menschen gestalteter Einzelfaktoren dar, die sich zu einem mehr oder minder harmonischen und klaren Gesamtbild mit einem unverwechselbaren Profil ergänzen, welches im besten Fall attraktiv für die anvisierten Zielgruppen ist. Zusammen mit vielen zielgruppengerechten Dienstleistungen entstehen so ein oder mehrere Leistungsbündel, die das Interesse ausgesuchter Zielgruppen wecken sollen (
Abb. 2-9). Ein Standort ist sowohl Leistungsangebot als auch dessen Ersteller(-netzwerk), gleichzeitig auch Vermarkter sowie zumindest in Teilen Nutznießer/Kunde dieses Angebots. Um erfolgreich zu sein, ergibt sich eine komplexe Koordinationsaufgabe.
Abb. 2-9: Standortangebote als Erfolgsparameter des Standortmarketings
Die Basis des Standortangebots bilden zunächst die natürlichen Gegebenheiten durch Landschaft, Vegetation, Gewässer, (Heil-)Quellen, Rohstoffe, wirtschaftlich oder touristisch nutzbare Landflächen, das Klima und die Lage (Gebirge, Fluss oder Meer, Insel…). Letztere bestimmt u. a. die Erreichbarkeit und konkrete Rahmenbedingungen (
Abb. 2-9).
Zu den national bzw. überregional vorgegebenen Rahmenbedingungen zählen u. a. die Verfassung, Wirtschaftsordnung, Rechtsordnung und Gerichtsbarkeit, innere und äußere Sicherheit, Außenpolitik, Steuern, Zölle, Sozialabgaben/-politik und die Geldwertstabilität.
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