9Für die verschiedenen Bereiche der Verwaltung existieren, wie ein Blick in die Gesetzessammlungen zeigt, zahlreiche Gesetze und Verordnungen. Ihre Zahl hat in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen. Einige Zahlen mögen dies verdeutlichen: So umfasste das Bundesgesetzblatt I im Jahre 1960 genau 1091 Seiten. 1975 lag die Seitenzahl bereits bei 3186 Seiten um dann im Jahre 2006 auf ca. 4000 Seiten zu steigen. 4Es sind aber auch hier Schwankungen zu verzeichnen. So umfasst das Bundesgesetzblatt I 2018 „nur“ 2712 Seiten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass in jedem Jahr neue Rechtsvorschriften erlassen werden, ohne dass bisherige Vorschriften in nennenswertem Umfange gegenstandslos geworden wären. Der wesentliche Teil der Aufgaben der Verwaltung besteht deshalb heute darin, die von den gesetzgebenden Organen beschlossenen Gesetze sowie die Rechtsverordnungen der Regierungen und anderer Stellen zu vollziehen (vgl. auch Art. 1 III, 20 II GG: „vollziehende“ Gewalt). Verwaltung bedeutet aber nicht nur, durch Rechtsnormen festgelegte Aufgaben zu erfüllen; vollziehende Gewalt ist sie vielmehr auch dann, wenn sie von sich aus tätig wird, um Einfluss auf die Gestaltung des Gemeinschaftslebens zu nehmen. 5
Beispiele:
a) Eine Kommune richtet einen Gewerbehof ein, um jungen Handwerkern eine Beschäftigungsmöglichkeit zu eröffnen. So soll ein Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit geleistet werden.
b) Die Gemeinde richtet in der gemeindeeigenen Bücherei Internetarbeitsplätze ein, die kostenlos genutzt werden können. So sollen neue Gruppen an ein modernes Kommunikationsmedium herangeführt werden.
c) Kommune versucht durch Gründung eigener Stadtwerke ihren Beitrag zur Regionalisierung des Energiemarktes zu leisten.
d) In erheblichem Umfange wandern Menschen aus anderen Ländern und Kontinenten nach Deutschland ein. Ein Faktor für diese Entwicklung sind die Krisenherde in der Welt (Wirtschaftsnöte, Kriegshandlungen, Folgen des Klimawandels). Diesen Menschen müssen Integrationsangebote unterbreitet werden, damit sie sich hier zurechtfinden und ein konfliktfreies Miteinander entstehen kann.
Aber auch bei Entscheidungen der Verwaltung, für die es keine bindenden gesetzlichen Regelungen gibt (insb. im kulturellen Bereich), kann sie nicht ganz frei gestalten; ihr Handeln ist durch Zuständigkeitsvorschriften, Bestimmungen des Haushaltsrechts und die Grundrechte begrenzt. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, auf den unter Tz. 3.1 näher eingegangen wird, bestimmt also das Verwaltungshandeln ganz wesentlich.
2Träger der öffentlichen Verwaltung
10Die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung werden in erster Linie durch juristische Personen des öffentlichen Rechts, in Einzelfällen auch durch Rechtsträger des Privatrechts wahrgenommen. Für die Träger der öffentlichen Verwaltung handeln die bei ihnen eingerichteten Behörden.
2.1Juristische Personen des öffentlichen Rechts
11Bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts unterscheidet man zwischen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Gemeinsam ist diesen drei Arten, dass es sich um rechtsfähige juristische Personen handelt, die durch nach Gesetz oder Satzung dazu berufenen Organen handeln. Die wichtigsten Träger öffentlicher Verwaltung sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts.
12Körperschaften des öffentlichen Rechts sind rechtsfähige, mitgliedschaftlich organisierte Verwaltungseinheiten. Sie haben wesensnotwendig Personen als Mitglieder. Mitglieder einer Körperschaft können natürliche oder juristische Personen sein. So sind z. B. Mitglieder der Gemeinden die Einwohner (natürliche Personen), Mitglieder einer Samtgemeinde, zu der sich nach niedersächsischem Recht (§ 97 NKomVG) Gemeinden zusammenschließen können, die Mitgliedsgemeinden (juristische Personen) 6.
Man unterscheidet Körperschaften mit Gebietshoheit (Gebietskörperschaften) und ohne Gebietshoheit (Personenkörperschaften). Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit sind rechtsfähige, mitgliedschaftlich organisierte Verwaltungseinheiten, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllen (so die Definition in § 37 I LVwG).
13Gebietskörperschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie Hoheitsgewalt über ein bestimmtes Gebiet (z. B. Gemeindegebiet, Kreisgebiet) haben. Dieser Gebietshoheit sind nicht nur die der Gebietskörperschaft kraft Gesetzes angehörenden Mitglieder, sondern auch andere das Gemeindegebiet berührende Rechtsvorgänge unterworfen. Gebietskörperschaften sind die Bundesrepublik Deutschland, die Länder, die Landkreise und die Gemeinden. 7
14Bei Personenkörperschaften ist in der Regel der Beruf oder eine andere bestimmte (persönliche) Eigenschaft der Mitglieder Voraussetzung für die Mitgliedschaft. Die Personenkörperschaften haben öffentlich-rechtliche Befugnisse über die ihnen angehörenden Mitglieder. Im Gegensatz zu den grundsätzlich universell zuständigen Gebietskörperschaften haben sie jedoch nur spezielle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.
Kommunale Personenkörperschaften sind z. B. die Landkreise, die Samtgemeinden, die Realverbände. Die Landkreise haben eine Doppelnatur. Sie sind Gebietskörperschaften einerseits und Gemeindeverbände (Personenkörperschaften) andererseits; die natürlichen Personen (Kreiseinwohner) bilden – zusammen mit dem Kreisgebiet – die Gebietskörperschaft „Landkreis“, die juristischen Personen (Gemeinden) bilden die Personenkörperschaft „Landkreis“.
Weitere Personenkörperschaften sind z. B. Handwerksinnungen, Handwerkskammern, Rechtsanwaltskammern, Ärztekammern, Architektenkammern, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Hochschulen, Studentenschaften (= rechtsfähige Teilkörperschaften der Hochschulen), die Bundesagentur für Arbeit 8, die Deutsche Rentenversicherung. 9
14aZudem können sich Körperschaften des öffentlichen Rechts ihrerseits zu Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammenschließen. Besondere Bedeutung kommt hier den kommunalen Zweckverbänden zu. So können sich beispielsweise in Niedersachsen kommunale Körperschaften zu einem Zweckverband zusammenfinden, der bestimmte – ihnen gemeinsam obliegende – Aufgaben oder Aufgaben für einzelne Verbandsmitglieder erfüllt (z. B. Abfall- und Abwasserentsorgung, Wasserversorgung, Wirtschaftsmarketing). 10
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16Die rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts unterscheidet sich von der Körperschaft dadurch, dass sie keine Mitglieder hat, sondern einen Bestand an sachlichen und persönlichen Verwaltungsmitteln zu einer Einheit zusammenfasst, die zur dauernden Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. 11Rechtsfähige Anstalten sind z. B. die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, die Sparkassen, Studentenwerke, die Filmförderungsanstalt, die Bundesanstalt für Güterfernverkehr, die Deutsche Bundesbank.
17In der Praxis viel häufiger sind die sog. unselbstständigen Anstalten, z. B. Schulen, Kreiskrankenhäuser, Badeanstalten (Schwimmbäder), also organisatorische Einheiten, die nicht rechtsfähig sind, sondern einem Rechtsträger des öffentlichen Rechts unterstehen (z. B. das Kreiskrankenhaus dem Landkreis).
18Rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts sind nach der Legaldefinition des § 46 I LVwG „auf einen Stiftungsakt gegründete, aufgrund öffentlichen Rechts errichtete oder anerkannte Verwaltungseinheiten mit eigener Rechtspersönlichkeit, die mit einem Kapital- oder Sachbestand Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllen“. Verwaltungseinheiten in diesem Sinne sind z. B. die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz“ 12, „Hilfswerk für behinderte Kinder“ 13, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 14.
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