1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 »Vertraust du ihr etwa, Kiljan?« Cadans Missfallen klang deutlich heraus. Nachdenklich sah ich auf Jul hinab, der sich inzwischen wieder zurückgewandelt hatte. Er erwiderte meinen Blick und hielt ihn fest.
»Sam ist nicht böse!«, sagte er ernst.
Lächelnd strich ich ihm über seinen ungewöhnlich blonden Schopf. »Dennoch verbirgt sie irgendetwas vor uns«, entgegnete ich grübelnd, mehr zu Cadan, als zu Jul, doch er sah mich noch immer an.
»Ja, aber es ist anders, als ihr alle denkt«, fuhr er erklärend fort, befreite sich aus meinem Arm und lief davon.
Schicksalsergeben seufzte ich, wusste, wenn Jul sich keinerlei Gedanken machte, sollte ich mir auch keine machen. Er besaß eine starke Gabe und spürte Gefahr, schon lange bevor sie eintraf. Doch diese junge Dunkelelbin verursachte mir ein unerklärliches Unbehagen. »Ihr geht wie geplant zu Juls Zeremonie. Wir kümmern uns um sie.«
Dave nickte, Cadan kniff jedoch die Lippen zusammen. »Ich bleibe. Ich traue ihr nicht über den Weg«, zischte er gepresst.
Ich seufzte erneut. Er verhielt sich eindeutig zu aggressiv, seitdem er zurückgekehrt war. Er würde mit Sicherheit Probleme machen oder dafür sorgen, dass es welche gab. »Das musst du nicht. Wir sind alle hier«, sagte ich und betrachtete ihn ernst.
»Mir egal. Ich bleibe.« Herausfordernd sah er mich an.
»Du hältst dich von ihr fern. Verstanden? Sonst schließe ich dich aus. Hast du das begriffen, Cadan? Hier habe ich das Sagen.« Widerwillig nickte er. »Wann brecht ihr auf?«, fragte ich Dave, der Cadan noch immer nachdenklich musterte.
»Heute Abend. Wir sind in zwölf bis vierzehn Tagen wieder zurück.«
Mit einem letzten Gruß bedeutete ich Mael, mich zu begleiten. In meinem Arbeitszimmer angekommen, setzten wir uns und schwiegen eine Weile. »Glaubst du tatsächlich, du kennst sie?«, hakte ich nach und beobachtete ihn genau. Mael vergaß niemals ein Gesicht und seine Frage an Sam ließ mich einfach nicht mehr los.
»Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher.« Gequält lächelte er, wussten wir doch beide, wie ungewöhnlich diese Worte aus seinem Mund klangen. »Sie hat etwas an sich, aber ich bekomme es nicht wirklich eingeordnet. Ich meine, normalerweise würde ich behaupten, dass man so eine hübsche, junge Dunkelelbin nicht vergessen könnte, nicht wahr?«, zog er mich auf. Genervt verdrehte ich die Augen. »Du kannst nicht leugnen, dass sie schon in menschlicher Gestalt unglaublich aussieht. Kiljan, du musst es endlich einsehen und aufhören, so blind durch die Welt zu laufen.«
Ich fixierte ihn und er verstummte. Er hatte recht, sie sah wirklich wunderschön aus, doch das interessierte mich nicht. Ich hatte meine Gefährtin verloren und würde niemals eine andere erwählen.
»Kannst du sie einem Clan zuordnen? Warum haben wir nicht sofort gespürt, dass sie eine von uns ist? Selbst in ihrer Menschengestalt dürfte es uns nicht derart schwerfallen. Dennoch war ich mir im ersten Moment unsicher. Und weshalb wandelt sie sich nicht zurück? Keiner von uns hält freiwillig diese Gestalt aufrecht, sobald wir die Grenze überquert haben.« Ratlos schüttelte auch Mael den Kopf. »Postier zwei Hüter vor ihrer Tür und gib Anweisungen, niemanden hineinzulassen. Morgen sprechen wir noch einmal mit ihr. Dass sie nur zum Wandern hier ist, nehme ich ihr einfach nicht ab.«
Nachdenklich nickte Mael, erhob sich dann jedoch ohne ein weiteres Wort und verließ den Raum. Ich kämpfte gewaltsam meine Erinnerungen nieder und trat schließlich ebenfalls hinaus in den Flur. Ich brauchte dringend frische Luft, und sobald das Tor hinter mir lag, lief ich los. Verzweifelt versuchte ich, das Bild ihrer glänzenden langen Haare, die ihr so wunderschönes blasses Gesicht umrahmt hatten, aus meinem Gedächtnis zu verbannen.
Sam
Als ich aufgrund eines Geräusches erwachte, sah ich mich hektisch um und entdeckte den Heiler, der gerade das Zimmer betrat.
»Verzeih. Ich wollte dich nicht wecken. Du hast den Schlaf wirklich nötig«, erklärte er freundlich, und ich entspannte mich ein wenig. Vor ihm hatte ich keine Angst, wusste einfach, dass er für mich keinerlei Gefahr darstellte.
»Kein Problem.« Vorsichtig setzte ich mich auf und schwang langsam meine Beine über den Rand.
»Da du nun schon einmal wach bist, entkleide bitte den Oberkörper. Ich möchte mir die Wunde auf deinem Rücken ansehen«, wies er an, während er Verbandsmaterial bereitlegte.
»Es reicht, wenn ich es ein Stück hochraffe«, antwortete ich bestimmend.
Irritiert betrachtete er mich. »Hör zu, ich bin Heiler und dem Schweigen verpflichtet«, entgegnete er ernsthaft.
»In erster Linie bist du ihr Arzt und nicht meiner. Wem also wirst du loyal gegenüber sein?«, fragte ich nicht weniger herausfordernd.
Er seufzte ergeben. »Ich nehme meinen geleisteten Schwur sehr ernst und würde ihn niemals brechen, es sei denn, das Leben der anderen stünde in Gefahr.«
Ich hatte bereits das Shirt etwas nach oben gezogen und am Bauch zusammengerafft, damit es nicht wieder nach unten rutschte. Auch so bekam er schon mehr als genug von meinen Narben zu sehen.
Er sagte kein Wort, als er sich meinem Rücken zuwandte, doch ich spürte sein kurzes Zögern, bevor er schweigend den Verband entfernte.
»Es heilt gut«, informierte er mich, während er eine Paste auftrug und den Verband erneuerte.
»Danke«, entgegnete ich schließlich und ließ mein Shirt los.
»Ich weiß, dass ich keine Antwort bekomme, trotzdem muss ich einfach fragen: Wie, bei allen Geistern, hast du dir diese Narben zugezogen?«
Ich zuckte mit den Schultern. Der Schmerz war mittlerweile erträglich, auch wenn ich durchaus sein nervöses Zucken bei meiner Bewegung wahrnahm. »Ich bin viel in der Natur unterwegs, allein. Da passiert schon mal das ein oder andere«, wich ich seiner Frage aus, und nach einem langen Blick beließ er es dabei.
Als Arzt war er natürlich nicht blöd. Sicher konnte er Narben, verursacht durch brennende Zigaretten oder eine neunschwänzige Katze von einer harmlosen Schramme unterscheiden, doch das änderte nichts. Ich hatte nicht vor, mich ihm anzuvertrauen.
Wozu auch? Ich bekomme meine Rache und dann ist endlich alles vorbei.
Er erhob sich und verließ den Raum. Nachdem ich kurz das Bad benutzt hatte, kroch ich zurück ins Bett und schlief sofort wieder ein.
Kiljan
Am nächsten Morgen standen Cadan und Mael bereits vor meiner Tür. »Was willst du jetzt tun, Kiljan?«, fragte Cadan und sah mich abwartend an. »Wir wissen nichts über sie und sollten einer Fremden nicht vertrauen. Wer weiß, was sie vorhat. Du kannst doch nicht einfach einem Zehnjährigen glauben und alles andere außer Acht lassen«, wetterte er weiter.
»Mael und ich gehen jetzt unsere Runde, danach sprechen wir noch einmal mit ihr. Sie wird uns ja zumindest erzählen können, wer genau sie eigentlich ist und woher sie stammt. Du wartest hier und hältst dich zurück, hast du gehört?!« Warnend blickte ich ihn an, bis er zögernd nickte. Ich wandte mich ab und ignorierte die böse Vorahnung, die mich beschlich.
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