Der weiße BH und Slip auf ihrer leicht gebräunten Haut erregen ihn aufs Höchste.
Er hat genug gesehen. Er kann nicht mehr warten – er muss handeln. Mit einem gewaltigen Tritt schmettert er die Tür ins Schloss.
Die Frau fährt herum und erstarrt für den Bruchteil einer Sekunde, ehe sie versucht, nach der Klinke zu greifen. Dieser Sekundenbruchteil genügt ihm und er umschlingt sie mit seinen muskulösen Armen und wirft sie auf das Bett. Sofort springt er hinterher und drückt sie mit seinem Gewicht in die Kissen.
Seine kräftige Hand verschließt ihren Mund, denn Schreie oder Hilferufe kann er sich nicht leisten. Mit der anderen Hand packt er den BH und reißt ihn der Frau vom Körper. Auf die gleiche brutale Art entfernt er den Slip. Die Frau windet sich unter ihm und tritt aus Leibeskräften mit den Beinen ohne ihren Gegner zu treffen. Ihre Fäuste trommeln auf seinem Rücken und gegen seine Schultern.
„Wenn du schreist, wirst du es bereuen“, sind seine ersten, heiseren Worte.
Die schwarze Maske mit den dunklen, glühenden Augen ist direkt über ihrem Gesicht. Seine Hand gibt den Mund der Frau frei. Die Angst und der Anblick der Maske lähmen sie. Sie gibt keinen Laut von sich.
Ihr Atem geht stoßweise. Ihr Körper ist verkrampft und schmerzt. Sie begreift, sie hat keine Chance.
Auch der Mann atmet schwer.
„Versuch es zu genießen. Du magst es doch auch“, fügt er in einem fast freundlichen Ton hinzu.
Inzwischen rinnen Tränen über ihr Gesicht. Sie versucht nicht, ihr Schluchzen zu unterdrücken. Ihr ist klar, was jetzt geschehen wird.
Die Ahnung der Frau bestätigt sich auf brutale Art. Der Mann keucht. Sein stoßweiser Atem schlägt ihr ins Gesicht. Sie ist zu keiner Reaktion und zu keinem Laut mehr fähig. Ihre Kehle ist wie zugeschnürt. Ihre Bewegungen erlahmen und ihr zierlicher Körper verhärtet sich. Sie fühlt sich wie betäubt, wie erstarrt. Der Mann nimmt darauf keinerlei Rücksicht. Kompromisslos vollzieht er die Vergewaltigung.
Schmerz durchflutet ihren Körper. Mit weit geöffneten Augen starrt sie an der Furcht erregenden Gesichtsmaske vorbei gegen die Zimmerdecke. Sie ist wie zu Eis erstarrt.
So plötzlich wie der Albtraum begonnen hat, so endet er. Der Mann hat erreicht, was er erreichen wollte, springt vom Bett und hastet zur Tür. Bevor er aus ihrem Blick verschwindet, hält er kurz inne und dreht sich um.
„Und keine Polizei, sonst …“
Er lässt offen, was dann passieren wird. Den angsterfüllten Blick der Frau ignoriert er. Ohne ein weiteres Wort verschwindet er aus dem Schlafzimmer.
Die Frau hört, wie die Wohnungstür ins Schloss fällt. Es dauert lange, bis sich ihre Erstarrung löst. Dann bricht sie erschöpft und erniedrigt in Tränen aus.
2
Freitag, 05.07.2015 – 15:45 Uhr
Ich bin wie Millionen anderer Menschen. Und ich bin damit zufrieden – will grundsätzlich auch gar nicht anders sein. Sollte ich jemals in meinem Leben einen Mann finden, bei dem ich mich für immer geborgen fühlen könnte, dann hoffe ich, dass ich im Laufe der Zeit nicht genauso abgestumpft werde, wie viele Menschen meines Geschlechts, die während der Zeit des Zusammenlebens zum Urgestein von Anpassung und Schwäche werden.
Bei Tobias bin ich mir nicht sicher.
Doch, ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht der Mann für ein ganzes Leben ist.
Vielleicht ist es ein Fehler, bei ihm zu bleiben. Vielleicht hätte ich nein sagen sollen, als es noch leichter möglich war.
Aber ich war träge, wollte nicht den unbequemen Weg der Konfrontation gehen – entschied mich für den bequemen Weg der Anpassung und Gleichgültigkeit.
Es ist aber auch nicht so, dass Tobias mich nicht interessiert und ich ihn nicht mag. Nein, grundsätzlich mag ich ihn. Er ist ein durchtrainierter, gut aussehender junger Mann. Seine dunkelbraunen Augen signalisierten mir von Anfang an Wärme und Geborgenheit. Und er hat Wesenszüge, die ich mag, die mich manchmal auch verblüffen und sogar neugierig machen. Neugierig auf etwas, das sich mir noch nicht offenbart hat.
Es liegt wahrscheinlich an mir. Ich will keinen Mann in mein Leben lassen – noch nicht. Ich mag nicht alles von mir preisgeben und ich mag keinen uneingeschränkten Anteil an ihm und an seinem Leben nehmen.
Ich frage mich: Bin ich überhaupt für eine dauerhafte Beziehung geeignet?
Damals, als ich ihn kennenlernte, stand ich in keiner Beziehung. Es war mehr als ein Jahr her, dass ich einen festen Partner hatte. Manchmal sehnte ich mich nach einer neuen, festen Beziehung, meistens jedoch nicht. Hin und wieder ein One-Night-Stand oder höchstens eine kurze Affäre – mehr gestattete ich mir nicht. Ich hatte keine großartigen Pläne und wollte nur ab und zu einen Mann. Ja, ich wollte gelegentlich unbedingt einen Mann. Vielleicht auch nur für eine Nacht, vielleicht für eine Nacht und einen Tag. Vielleicht auch für etwas länger, aber auf jeden Fall nur für eine überschaubare Zeit.
Dann trat Tobias in mein Leben.
Heute bin ich unsicher. Mein Innerstes sagt mir, ich sollte gehen – sofort und ohne Rücksicht und Sentimentalitäten.
Es ist siebzehn Uhr. Ich könnte die Bar verlassen, in der ich sitze und schreibe, meinen Koffer aus dem Wagen holen und in irgendeinem Hotel in diesem Ort einchecken oder mit dem Taxi in einen anderen Ort fahren und dort eine Unterkunft suchen.
Aber wieder hält mich meine Trägheit zurück. Wahrscheinlich noch weit über das Jetzt hinaus. Ich kann nicht sagen, wie lange noch.
Oder ist es meine Erziehung, mein Charakter? Das geziemt sich nicht, das macht man nicht, seinen Partner während der Urlaubsreise zu verlassen. Solch eine Aktion würde mit Sicherheit niemand gutheißen. Weder meine Freundinnen, deren Anzahl dünn gesät ist, noch seine Freunde. Wenn er denn überhaupt welche hat. Ich kenne keinen. Auch seine Eltern kenne ich nicht. Er sagte mir einmal, dass sich seine Eltern, als er noch ein Kind war, haben scheiden lassen. Er sei bei seiner Mutter aufgewachsen. Verwandte scheint er keine zu haben. Er hat nie darüber gesprochen und meinen Fragen ist er ausgewichen. Über seine Vergangenheit spricht er nicht gerne und irgendwann habe ich es aufgegeben, Fragen zu stellen. Sein Leben vor mir interessiert mich auch nicht so brennend.
Aber wieso bin ich so sehr großzügig? Er wohnt kostenlos bei mir und lebt von meinem Geld. Er ist Student, studiert Mathematik und molekulare Biomedizin und hat außer BAföG kein Einkommen. Er versucht noch nicht einmal, einen Job zu finden, um sich etwas hinzuzuverdienen. Aber das ist nicht das Entscheidende. Was mich beschäftigt und mir keine Ruhe lässt, ist die Frage: Wieso gestatte ich ihm, mich zu besitzen und zu lieben? Ich kann es nicht sagen, ich finde keine Antwort auf diese Frage.
Was ihn betrifft, behauptet er zwar, dass er mich liebt, sogar über alles liebt. Ich konnte ihm das anfangs nicht glauben. Ich nahm an, er braucht und benutzt mich als seine Marionette, sein Spielzeug, das er weglegen kann, wenn es ihn nicht mehr interessiert. Doch inzwischen glaube ich ihm tatsächlich, dass er mich auf seine Art liebt. Ich weiß nicht einmal, weshalb ich ihm inzwischen glaube. Es ist völlig absurd, dass wir jetzt bereits mehrere Monate zusammenleben. Irgendwie kann ich nicht von ihm lassen, nicht Schluss mit ihm machen, so wie mit manch einem Mann vor ihm.
Dabei ist er nicht gerade unproblematisch. Er hat Ansprüche. Nicht nur in finanzieller Hinsicht. Seine Meinung zählt und ist unumstößlich. Er will sagen, wo es lang geht, er will mich bevormunden, wie gesagt, besitzen . Das ist häufig ein Streitpunkt zwischen uns. Muss ich tatsächlich so abstumpfen und ein Heimchen am Herd werden, nur damit mein Partner zufrieden ist und sein Ego ausleben kann?
Читать дальше