Konventionelle hochpotente Antipsychotika
Zu dieser Substanzgruppe zählt man vor allem Haloperidol (Haldol ®), welches sich durch eine gute antipsychotische Wirksamkeit auszeichnet, aber langfristig zu Bewegungsstörungen (extrapyramidalmotorische Symptome), wie Schlundkrämpfe, starre Mimik, kleinschrittiger Gang und Muskelsteifheit führt. Diese auch als „Parkinsonsyndrom“ bezeichnete Symptomatik war als gefürchtete Nebenwirkung bei der ersten Generation der (konventionellen) Antipsychotika anzutreffen und führte nicht selten zum vorzeitigen Absetzen der Medikamente. Haloperidol ist dennoch ein notwendiges Medikament in der Psychiatrie, das sich bei deliranten Zustandsbildern und Erregungszuständen aufgrund seiner guten Kreislaufverträglichkeit bewährt hat. Zuclopenthixol (Cisordinol ®) wird aufgrund des Nebenwirkungsprofils nur mehr sehr selten verabreicht.
Niedrigpotente Antipsychotika
Diese Gruppe von Psychopharmaka wirkt bei mittlerer Dosierung kaum antipsychotisch, jedoch stark sedierend. Diese Substanzen sollen wegen der Nebenwirkungen (Blutdruckabfall, Tachykardie, Atemnot) nur bei starker psychomotorischer Erregung als Zusatzmedikation oder als Schlafmittel verwendet werden. Zu den niedrigpotenten Antipsychotika zählt man Chlorprothixen (Truxal ®), Levopromazin (Nozinan ®) oder Prothipendyl (Dominal ®).
Atypische Antipsychotika
Die Bezeichnung „atypisch“ bezieht sich auf die fehlende Nebenwirkung des Parkinsonsyndroms, das diese Gruppe von Antipsychotika mehr oder weniger auszeichnet. Das erste „Atypikum“, welches keine Bewegungsstörungen (Parkinsonsyndrom) auslöst, ist Clozapin (Leponex ®). Es gilt als das wirksamste Medikament in der Behandlung der Schizophrenie, hat jedoch eine Reihe von Nachteilen, weswegen es nur bei therapieresistenten Fällen verwendet werden darf. Neben starker Müdigkeit und Gewichtszunahme ist eine Blutbildveränderung (Leukozytenabfall) als unerwünschte Wirkung möglich. Regelmäßige Blutbildkontrollen sind deswegen notwendig, und bei einem Abfall der Leukozytenzahl im Blut ist das Präparat abzusetzen.
In den letzten Jahren kamen ein Reihe von Weiterentwicklungen von atypischen Antipsychotika auf den Markt, die primär zur Schizophreniebehandlung entwickelt wurden, nun aber ebenso bei bipolaren Störungen, Persönlichkeitsstörungen und Demenzen zum Einsatz kommen sollen. Obwohl diese Medikamente statistisch gesehen weniger Bewegungsstörungen verursachen, sind sie nicht frei von anderen unangenehmen Nebenwirkungen. Bei manchen atypischen Antipsychotika kommt es zu Gewichtszunahme, Stoffwechselstörungen, Herzrhythmusstörungen, Blutbildveränderungen und bei Frauen zu Störungen der Menstruation sowie Brustvergrößerung mit Milchfluss. Zu den „Atypika“ zählt man neben Clozapin (Leponex ®), Risperidon (Risperdal ®), Olanzapin (Zyprexa ®), Quetiapin (Seroquel ®), Amisulprid (Solian ®), Ziprasidon (Zeldox ®) und Aripiprazol (Abilify ®).
1.6Weitere Psychopharmaka
1.6.1Antidementativa
Antidementativa sind zentralnervös wirksame Substanzen, die Hirnfunktionen wie Konzentration, Lern- und Denkfähigkeit sowie Gedächtnisleistungen verbessern und Beeinträchtigungen von Alltagsaktivitäten verringern sollen. Zielgruppe sind ältere PatientInnen, bei denen ein cerebrales Abbaugeschehen im Sinne einer Demenz vorliegt. Seit mehreren Jahren werden Medikamente eingesetzt, denen man eine Wirksamkeit bei verschiedenen Demenzerkrankungen oder allgemeiner Vergesslichkeit nachsagt, wie beispielsweise Piracetam (Nootropil ®), Ginkgo biloba (Tebonin ®) oder Flunarizin (Tebofortan ®). Für diese gern verabreichten Präparate liegen allerdings keine oder wenige wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise vor, sodass ExpertInnen mittlerweile keine Empfehlungen für ihren Einsatz abgeben. Zwei Substanzgruppen haben sich jedoch in wissenschaftlichen Studien als wirksam herausgestellt und finden zunehmend Verbreitung: Zur ersten Gruppe gehören die Cholinesterasehemmer, die den bei AlzheimerpatientInnen bestehenden Mangel des Neurotransmitters Acetylcholin ausgleichen und Hirnleistungen verbessern können. In der Regel wird aber nur der Krankheitsverlauf verlangsamt oder sein rasches Fortschreiten nur kurzfristig verzögert. Die Erkrankung selbst kann durch Einnahme dieser Psychopharmaka nicht verhindert werden. Zu den Cholinesterasehemmern zählt man Donezepil (Aricept ®), Rivastigmin (Exelon ®) und Galanthamin (Reminyl ®). Bei der zweiten Gruppe, den Memantinen, liegen ebenso zahlreiche Studien zur Wirksamkeit vor. Das Memantin (Axura ®, Ebixa ®) beeinflusst den gestörten Stoffwechsel des Neurotransmitters Glutamat und wird zur Behandlung von mittelschweren und schweren Demenzen eingesetzt (siehe Kapitel XIV, 1.5.1).
Psychostimulanzien sind psychisch anregende und antriebsstimulierende Arzneimittel, die kurzfristig leistungs- und konzentrationssteigernd wirken, das Hungergefühl unterdrücken und in hohen Dosen eine Euphorie auslösen können. Unkontrollierte Einnahme kann zu einem Abhängigkeitssyndrom führen. Die Wirkung erfolgt durch Beeinflussung des Katecholaminstoffwechsels im synaptischen Spalt mit Erhöhung von Dopamin und Noradrenalin. Zur Gruppe der Stimulanzien zählt man neben Koffein, Nikotin, Kokain oder den Weckaminen (Amphetamine) Medikamente gegen die Aufmerksamkeits-Defizitstörung (ADHS). Diese vor allem bei Kindern und zunehmend auch bei Erwachsenen diagnostizierte Störung zeichnet sich durch gesteigerte Aktivität, Unruhe, erhöhte Ablenkbarkeit und Konzentrationsstörungen aus. Das bekannteste Medikament ist Methylphenidat (Medikinet ®, Ritalin ®), welches auf noch nicht ganz geklärte Weise zu Beruhigung und Nachlassen der Impulsivität und Hyperaktivität führt. Bei richtiger Indikation ist die klinische Wirkung beeindruckend und die Suchtentwicklung vernachlässigbar. Methylphenidat soll jedoch nur im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans mit Berücksichtigung psychosozialer Bedingungen verabreicht werden (siehe Kapitel XVI).
2Andere biologische Therapieverfahren
2.1Elektrokrampftherapie (EKT)
Die im Jahre 1938 eingeführte Elektrokrampftherapie basiert auf elektrischer Stimulation des Gehirns mit Auslösen eines generalisierten epileptischen Anfalls. Die Erwartungen an die auch als „Elektroschockbehandlung“ oder „Heilkrampftherapie“ bezeichnete Methode waren durch die bis dahin fehlenden erfolgreichen biologischen Therapieverfahren in der Psychiatrie derart hoch, dass es in den ersten Jahren zu einer raschen Verbreitung und unkritischen Anwendung kam (siehe Kapitel I, 2). In der Nachkriegszeit kam es durch Einführung der Psychopharmaka und später durch den Einfluss der 68er-Bewegung zu einem Rückgang von Elektroschockbehandlungen. Die „Anti-Psychiatrie“ betrachtete die Elektrokrampftherapie als grausame, menschenverachtende Behandlungsmethode und bewirkte in einigen Ländern auch ein Verbot. Die Kritik ist teilweise berechtigt, da bis in die 70er-Jahre der „Elektroschock“ ohne Narkose und ohne Verabreichung von muskelrelaxierenden Medikamenten zu großen epileptischen und schmerzhaften Anfällen mit Zungenbissen und zu Knochenbrüchen führte. Darüber hinaus wurde die Methode in totalitären Staaten auch als politische Folter bei Regimegegnern eingesetzt. Heutzutage gilt jedoch in der modernen Psychiatrie die korrekt durchgeführte Elektrokrampftherapie paradoxerweise als eines der effektivsten, sichersten und nebenwirkungsarmen biologischen Therapieverfahren. Die Behandlung wird mit Einverständnis des Patienten und nur bei wenigen psychischen Störungen durchgeführt. Als Hauptindikationen gelten schwere Depressionen mit psychotischen Symptomen oder akuter Suizidalität, therapieresistente Depressionen und eine Sonderform der Schizophrenie, der „perniziösen Katatonie“, die mit Fieber und Stupor einhergeht und lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Die Ansprechrate ist bei depressiven Störungen hoch (zwischen 75% und 95%); selbst bei therapieresistenten Depressionen lässt sich bei 50% der PatientInnen eine deutliche Verbesserung zeigen. Somit kann Erkrankten mit schweren Verläufen auf diese Weise noch geholfen werden. Der Wirkmechanismus basiert auf Beeinflussung der Neurotransmittersysteme, ähnlich der durch Psychopharmaka. Die nur auf einige spezialisierte Kliniken beschränkte Durchführung erfolgt in Kurznarkose und nach Verabreichung von muskelrelaxierenden Medikamenten. Dadurch werden Muskelkrämpfe verhindert, da sich der Anfall nicht im gesamten Körper ausbreiten kann. Die Elektroden werden an den Schläfen platziert, wobei der Patient den Stromimpuls durch die Narkose nicht spürt. In zwei- bis dreitägigen Abständen werden in der Regel sechs bis zwölf Behandlungen durchgeführt. Die Nebenwirkungen sind gering, das größte Risiko birgt die Kurznarkose. Gelegentlich treten Kopfschmerzen oder Gedächtnisstörungen auf, die jedoch vorübergehend sind und durch neuere Techniken (unilaterale Applikation der Elektroden, Kurzimpulse) seltener geworden sind (siehe Kapitel VII, 1.5.1.2).
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