Ursachenorientierte Klassifikation:
Die Klassifikationen psychischer Störungen der gegenwärtigen Klassifikationssysteme wie ICD-10 und DSM-5 sind der Versuch, phänomenologisch und empirisch gestützte Schematisierungen der beobachteten Symptome und Syndrome zu systematisieren. Dabei spielt die Ätiologie von Krankheiten eine untergeordnete Rolle. Obwohl die Ursachen der meisten psychischen Störungen unbekannt sind, sind in ihrer Erforschung (im biologischen Bereich) zuletzt große Fortschritte erzielt worden. Eine ursachenorientierte Klassifikation aller psychischen Störungen ist aus heutiger Sicht allerdings noch undenkbar und ein Projekt für die nächsten Jahrzehnte. Da „Utopien“ und Zukunftsprojekte das Nachdenken über und die Forschung für zukünftige Therapien stimulieren, soll das von Dennis Charney et al. (2002) vorgeschlagene Schema hier angeführt werden. Es ist integrativ, indem es sowohl ursächlich wirksame biologische als auch psychologische Parameter sowie psychosoziale Stressoren und Verlaufsparameter in die Klassifikation einbezieht.
Tab. 1:Zukünftiges mögliches ursachenorientiertes multiaxiales Klassifikationssystem (Charney et al., 2002, 72)
Achse 1:Genotyp |
•Identifikation von Krankheits- bzw. symptomrelevanten Genen •Identifikation von protektiven bzw. Resilienzgenen •Identifikation von Genen, die mit bestimmten Nebenwirkungen und therapeutischer Wirksamkeit etwas zu tun haben |
Achse 2:Neurobiologischer Phenotyp |
•Identifikation eines intermediären Phenotyps (Neuroimaging, kognitive Funktion, Emotionsregulation) mit Bezug zum Genotyp •Pharmakotherapie |
Achse 3:Verhaltens-Phenotyp |
•Häufigkeit und Spannbreite ausgedrückten Verhaltens in Bezug auf den Genotyp, den neurobiologischen Phenotyp und die Umwelt •Pharmkotherapie |
Achse 4:Umweltmodifikatoren oder Auslöser |
•Umweltfaktoren, die den Verhaltens- und den neurobiologischen Phenotyp verändern |
Achse 5:Therapeutische Ziele und Reaktionen |
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Ein einziges Modell anzuwenden ist weder therapeutisch nutzbringend noch ethisch vertretbar.
In der Psychiatrie ist ein biopsychosoziales Modell zu bevorzugen, da es den Vorteil hat, verschiedene empirische Befunde aus der Risikoforschung zu integrieren. Integrative Modelle wie das Vulnerabilitätsmodell, das Gen-Umwelt-Interaktions-Modell, das hierarchische Modell (Tyrer und Steinberg) oder das chaostheoretische Modell kommen der Wirklichkeit der Psychiatrie am nächsten. Einzelne Modelle wie das der Psychodynamik, der kognitiven Verhaltenstherapie oder der Sozialpsychiatrie sind im Rahmen des hierarchischen Modells gut anzuwenden.
Den individuellen Patienten zu verstehen, seine Symptomatik, seine Probleme und ihm auf dem Weg der Gesundung behilflich zu sein, sollte das Ziel von professionellen HelferInnen der Psychiatrie sein. Die Modelle sowie die Ursachenforschung sind nicht Selbstzweck, sondern leisten einen wesentliche Beitrag in der Behandlung von Menschen mit psychischen Störungen.
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