Eine durch Adipositas oder Verletzungen veränderte Halsanatomie kann das Auffinden des Ligamentum Conicum deutlich erschweren.
In solchen Fällen kann es erforderlich sein, die Haut durch einen Längsschnitt zu spalten und die anatomischen Strukturen bis zur digitalen Identifikation des Ligamentum Conicum (z. B. spreizend mit einer Schere) frei zu präparieren.
Der Markt bietet unterschiedliche Hilfsmittel zur Notfallkoniotomie an, welche unabhängig von der Technik mit möglichst wenig Übungsaufwand und komplikationsarm das Eröffnen des Ligamentum Conicum ermöglichen sollen.
Dabei lassen sich folgende Vorgehensweisen differenzieren:
• die chirurgisch anatomische Präpariertechnik und
• die Punktionstechniken, die wiederum
• als Throkartechnik den Tubus direkt mit der Punktion platzieren, oder diesen
• in Seldingertechnik nach Punktion mit einer Kanüle über einen Draht sekundär in die Trachea vorschieben
• sowie Kombinationen aus diesen Techniken.
Auf Basis der aktuell zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Literatur kann keine der genannten Verfahrenstechniken grundsätzlich als einfacher oder schneller empfohlen werden. Die Komplikationen der Verfahren scheinen jedoch mit der Technik verknüpft zu sein: so muss für die Präpariertechnik mit stärkeren Blutungen gerechnet werden, die Punktionstechnik scheint jedoch ein höheres Risiko für Verletzungen benachbarter Strukturen und dadurch auch für paratracheale oder bei Durchstechung der Tracheahinterwand für ösophageale zu haben.
Das notwendige Material kann in fertigen Sets beschafft werden oder auch individuell zusammengestellt werden. Wichtig ist nur, dass das Equipment bei Bedarf unmittelbar zur Verfügung steht. Allerdings sollte diese seltene Notfallmaßnahme stets mit dem Material erfolgen, mit dem der Durchführende ausgebildet wurde und trainiert hat, um ein in der Handhabung gut bekanntes und vertrautes Materialset zu verwenden. Der Einsatz von unbekanntem Material könnte gerade in einer solchen durchaus mit Stress verbundenen Situation fatale Konsequenzen haben. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr hat sich in der Ausbildung einheitlich auf die präparative Technik festgelegt und hält dafür im Heimatland wie in den Auslandseinsätzen das SurgiCric II ®-Set (Fa. VBM, Sulz am Neckar) vor.
Die Fehlerrate der transcutanen Punktionstechniken mag darin begründet sein, dass diese Techniken für eine intakte Anatomie entwickelt wurden, also das Erkennen und Ertasten der anatomischen Landmarken, voraussetzen. Da dies gerade bei adipösen Patienten oder bei Verletzungen im Kopf-Hals-Bereich häufig erschwert sein kann, empfehlen wir die nachfolgend beschriebene chirurgisch-anatomische Technik:
1. Lagerung des Patienten mit nach hinten überstrecktem Kopf durch Unterpolsterung der Schulterblätter, soweit das in Anbetracht einer möglichen Verletzung der Halswirbelsäule möglich ist.
2. Der Durchführende steht oder kniet so neben dem Patienten, dass seine dominante Hand zum Fußende des Patienten zeigt (Rechtshänder rechts/Linkshänder links vom Patienten)
3. Mit der nicht dominanten Hand werden die Haut über dem Schildknorpel mit Daumen und Mittelfinger in Form eines nach unten offenen C straff fixiert und die anatomischen Strukturen und wenn möglich direkt das Ligamentum conicum mit dem Zeigefinger ertastet. Diese Hand bleibt in Position, bis der Tubus endgültig platziert ist.
4. Nun erfolgt ein Längsschnitt der Haut mit einem spitzen Skalpell Nr. 11 in Mittellinie vom Oberrand des Schildknorpels bis über den Ringknorpel (Schnittlänge ca. 4 cm) (
Abb. A3.3a Abb. A3.3a: Längsschnitt der Haut in Mittellinie Abb. A3.3b: Spreizen des Unterhautgewebes Abb. A3.3c: Querinzision des Ligamentum conicum Abb. A3.3d: Platzieren der Trachealkanüle Abb. A3.3e: Kanüle in Position
).
5. Mit einer stumpfen Präparierschere wird das Unterhautgewebe nach links und rechts verdrängt bis das Ligamentum conicum mit dem Zeigefinger, der nicht dominanten Hand tastbar ist (
Abb. A3.3b Abb. A3.3b: Spreizen des Unterhautgewebes Abb. A3.3c: Querinzision des Ligamentum conicum Abb. A3.3d: Platzieren der Trachealkanüle Abb. A3.3e: Kanüle in Position
).
6. Jetzt kann das Ligamentum conicum mit dem spitzen Skalpell (Nr. 11) quer durchtrennen werden (
Abb. A3.3c Abb. A3.3c: Querinzision des Ligamentum conicum Abb. A3.3d: Platzieren der Trachealkanüle Abb. A3.3e: Kanüle in Position
).
7. Mit dem kleinen Finger lässt sich die entstandene Öffnung ggf. vorsichtig aufdehnen und die Trachealspangen können von innen ertastet werden.
8. Schließlich kann der Tubus (6,0) oder wie in der Abbildung zu sehen eine vorgefertigte Trachelakanüle entweder mithilfe eines Kilian-Spekulums oder über einen Führungsstab (Bougie) eingeführt werden (
Abb. A3.3d Abb. A3.3d: Platzieren der Trachealkanüle Abb. A3.3e: Kanüle in Position
).
9. Nun wird der Cuff des Tubus geblockt, die Beatmung begonnen, sowie die korrekte Lage über Auskultation und unmittelbare Capnometrie bestätigt
10. Die Sicherung des Tubus kann manuell oder beispielsweise mit Mullbinde/Pflasterstreifen erfolgen.
Abb. A3.2: Inhalt SurgiCric ®II VBM, Sulz a.N.
Abb. A3.3a: Längsschnitt der Haut in Mittellinie
Abb. A3.3b: Spreizen des Unterhautgewebes
Abb. A3.3c: Querinzision des Ligamentum conicum
Abb. A3.3d: Platzieren der Trachealkanüle
Abb. A3.3e: Kanüle in Position
A3.3 Ausbildung + Training
Situationen, die eine Notfallkoniotomie erfordern, treten äußerst selten auf. Eine Ausbildung an realen Patienten, wie sie für die Intubation oder Platzierung supraglottischer Alternativen in der operativen Anästhesie möglich ist, bleibt daher ausgeschlossen. Allerdings konnte gezeigt werden, dass wiederholte Übungen an Modellen oder anatomischen Präparaten die Vertrautheit mit der Anatomie und die Anwendung der geschulten Technik erhöhen.
Vereinzelt werden hochpreisige Kurse in Zusammenarbeit mit universitären anatomischen Instituten angeboten, in denen invasive Notfalltechniken (u. a. auch die Koniotomie) an Körperspendern erlernt werden können. Diese Angebote sind durch die Zahl an Körperspendern limitiert. Entsprechend gilt es, sich für die Ausbildung und ein regelmäßiges Training auf synthetische Modelle abzustützen. Bei derzeit auf dem Markt verfügbaren Kunststoffmodelle ist die Halsanatomie jedoch deutlich vereinfacht dargestellt. Somit ermöglichen diese Modelle zwar ein Erlernen der einzelnen notwendigen Handgriffe in der richtigen Reihenfolge, können aber bei weitem nicht auf die Schwierigkeiten vorbereiten, die den Anwender unter Umständen im realen Einsatz erwarten.
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