Judith Scherr - Umgang mit Zwangsmaßnahmen

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Umgang mit Zwangsmaßnahmen: краткое содержание, описание и аннотация

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Welche Zwangsmaßnahme ist medizinisch indiziert und rechtlich zulässig?
Dieser Frage stehen Ärzte und Pflegekräfte, die in Krankenhäusern, Psychiatrien und Pflegeeinrichtungen arbeiten, nahezu täglich gegenüber. Aber auch Patienten und deren Angehörige beschäftigt das Thema in den letzten Jahren verstärkt.
Das Buch zeichnet das Spannungsfeld zwischen Fürsorgepflicht der Einrichtung einerseits und der Autonomie des Patienten andererseits auf und gibt einen Überblick über die geltende Rechtslage. Es beinhaltet eine Vielzahl von Fallbeispielen aus der Rechtsprechung und Praxis, die die Problemstellungen anschaulich aufzeigen und die juristische Theorie für den Anwender nachvollziehbar machen. Zusätzliche Praxisnähe gewinnt die Handreichung durch zahlreiche Textbausteine und Musterformulare z.B. für Fixierungsprotokolle, eine Dienstanweisung zu den rechtlichen Voraussetzungen einer Zwangsbehandlung u.v.m.
Alle Musterformulare stehen als Arbeitsmaterial zur Verwendung zum Download zur Verfügung.

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Was dies genau in der täglichen Arbeit bedeutet, hat der Gesetzgeber offen gelassen. Somit hat der behandelnde Arzt im konkreten Einzelfall die Einwilligungsfähigkeit des Patienten stets aufs Neue zu beurteilen. In Zweifelsfällen sollte dokumentiert werden, weshalb man sich für eine Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen entschieden hat. In der Akte sollten jene Merkmale erfasst werden, die für die Abwägung relevant sind.

Bei volljährigen Personen ist grundsätzlich von einer Einwilligungsfähigkeit auszugehen. Einen Erfahrungssatz, dass starke Schmerzen die Einwilligungsfähigkeit immer einschränken oder gar aufheben, gibt es nicht. Trägt der Patient später vor, dass er zum Zeitpunkt der Aufklärung nicht einwilligungsfähig gewesen ist, muss er dies beweisen – sofern die Gesamtschau der medizinischen Fakten die fehlende Einwilligungsfähigkeit nicht eindeutig nahelegt (OLG Koblenz, Urt. v. 01.10.2014, Az.: 5 U 463/14, NJW 2015, 79).

Die Einwilligung muss rechtzeitig vor Durchführung der Maßnahme eingeholt werden. Der Patient muss sie in einem Zustand der freien Selbstbestimmung abgeben. So hat der BGH eine Einwilligung, die auf dem Weg zum Operationssaal und unter dem Einfluss einer Beruhigungsspritze erteilt wurde, als unwirksam erachtet (BGH, Urt. V. 17.02.1998 – Az.: IV ZR 42/97). Der Betroffene muss noch die tatsächliche Möglichkeit haben, die Maßnahme abzulehnen.

Für die Praxis hat dies zwei Konsequenzen. Erstens muss die Einwilligung zu einem so frühen Stadium vorgenommen werden, dass die Willensfreiheit des Betroffenen bestehen bleibt. Zweitens muss im Falle einer richterlichen Kontrolle auch nachweisbar sein, dass die Willensfreiheit bestand. Deshalb ist wichtig, dass eine entsprechende Dokumentation des Vorgangs besteht. Dies kann beispielsweise durch die Aufnahme der Daten (Ort, Datum, Uhrzeit) des Aufklärungsgesprächs erfolgen. Dies hilft im Konfliktfall dem Gericht die Situation zu begutachten.

Der hohe Stellenwert der Selbstbestimmung stellt an den Arzt und alle anderen an der Behandlung und Betreuung beteiligten Berufsgruppen ethische, rechtliche und berufspraktische Anforderungen. Um im Alltag das Recht der Betroffenen würdigen zu können, müssen der Arzt und die Pflegenden die Kriterien der Selbstbestimmung nicht nur kennen, sondern auch einzelfallbezogen interpretieren können (DGPPN, 2014). Bei jeder Maßnahme ist der freie Wille des Betroffenen zu berücksichtigen und zu prüfen. Daher muss vor einer Beschränkung der Freiheit zunächst die aktuelle Einwilligungsfähigkeit evaluiert werden (Fogel und Steinert 2012, 28, 31).

Einwilligungsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, in die Verletzung eines ihm zuzurechnenden Rechtsguts einzuwilligen. Erst hierdurch bleibt der nach den Grundsätzen der medizinischen Heilkunst korrekt durchgeführte ärztliche Eingriff, der sonst eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB darstellt, straffrei. Denn § 228 StGB besagt:

»Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.«

Die Einwilligungsfähigkeit wurde seit 2009 – im Rahmen der Neuregelungen der Patientenverfügung – ausdrücklich in § 1901a BGB genannt. Seit dem 26.02.2013 ist die Einwilligung und ihre Voraussetzungen für die Durchführung einer medizinischen Maßnahme explizit in § 630d BGB geregelt.

Die Norm des § 1901a BGB wird ab 2023 in § 1827 BGB n. F. nahezu unverändert zu finden sein.

Wenn der Betroffene einer Maßnahme zustimmt, so ist zu beachten, dass der Betroffene in dem Moment seiner Zustimmung auch einsichtsfähig sein muss. Er muss die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung erkennen können; ihm muss beispielweise bewusst sein, dass das Bettgitter ihn daran hindert, das Bett selbständig zu verlassen. Die Einwilligungsfähigkeit des Bewohners sollte vom behandelnden Arzt schriftlich bestätigt werden. Ein Beispiel für ein »Ärztliches Attest über die Fortbewegungsunfähigkeit des Bewohners« ist nachstehend abgedruckt. Die fehlende Einwilligungsfähigkeit sollte vom Arzt bestätigt werden, da dieser eine fachliche Expertise hierfür besitzt. Dass die Beteiligten von einer Einwilligungsfähigkeit ausgegangen sind, sollte dennoch bei bestehender Einwilligungsfähigkeit dokumentiert werden.

Bei einwilligungsunfähigen, betreuten Betroffenen hat der Betreuer die Einwilligung in die freiheitsentziehende Maßnahme im Rahmen des § 1906 Abs. 4 BGB zu erklären. Entsprechende Muster finden sich ebenfalls nachstehend. Zudem kann auf ein Muster für eine »Anregung des Betreuers der gerichtlichen Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme« zurückgegriffen werden.

Die Einwilligung des Bewohners ist in Dokumentation festzuhalten. Dafür sind unterschiedliche Formulare möglich.

3.7.3 Musterformular: Beispiel für ein Ärztliches Attest über die Fortbewegungsunfähigkeit des Bewohners

Ärztliches Attest

Name: ______________________________________________________
Geburtsdatum: ______________________________________________________
Adresse: ______________________________________________________

Frau/Herr _______________________ ist aufgrund ihrer/seiner Erkrankung zurzeit nicht mehr selbständig fortbewegungsfähig und nicht in der Lage, ihre/seine Bewegungen willentlich zu steuern.

___________________ _____________________________________________
(Ort, Datum) (Stempel, Unterschrift Arzt/Ärztin)

3.7.4 Musterformular: Beispiel für eine Einverständniserklärung des Bewohners in eine freiheitsentziehende Maßnahme – Beispiel Rollstuhlfixierung

Einwilligung/Bestätigung durch den/die Bewohner/in

zur freiheitsentziehenden Maßnahme der Rollstuhlfixierung

Name: ______________________________________________________
Geburtsdatum: ______________________________________________________
Wohnbereich: ______________________________________________________
Zimmernummer: ______________________________________________________

Hiermit bestätige ich [Bewohner/in], dass es mein freier Wille und meine persönliche Entscheidung ist, zu meinem eigenen Schutz vor Stürzen und Sturzfolgen im Rollstuhl durch das Pflegepersonal fixiert zu werden. Diese Einwilligung kann ich jederzeit – auch mündlich – widerrufen.

Aus Wahrnehmung der Pflegedienstleitung (PDL) bestehen keine Zweifel an der Fähigkeit des Bewohners, eigenständig Entscheidungen zu treffen.

_____________________________________________ _____________________________________________
Datum, Unterschrift Bewohner/in Datum, Unterschrift PDL

3.7.5 Musterformular: Beispiel für eine Einverständniserklärung des Betreuers in eine freiheitsentziehende Maßnahme – Beispiel Rollstuhlfixierung

Einwilligung des Betreuers oder Bevollmächtigten in die freiheitsentziehende Maßnahme der Rollstuhlfixierung

Name: ______________________________________________________
Geburtsdatum: ______________________________________________________
Wohnbereich: ______________________________________________________
Zimmernummer: ______________________________________________________
Name Betreuer/Vertreter: ______________________________________________________
Kontaktdaten: ______________________________________________________

Ich bin für die o. g. Person als Betreuer bestellt / bin von der Person über eine Vorsorgevollmacht bevollmächtigt. Die Person ist nicht in der Lage, ihre Entscheidung eigenständig zu treffen. Hiermit bestätige ich als bestellter Betreuer oder Bevollmächtigter meine Zustimmung zur Rollstuhlfixierung in allen Mobilisierungszeiten als Selbstschutz vor Stürzen und Sturzfolgen bei meinem/r Angehörigen/Betreuten.

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