Heinz-Peter Röhr
Vom klugen Umgang mit Gefühlen
Wie man Kontrollverlust überwindet
Patmos Verlag
Einleitung: Kontrollverlust gehört zum Menschen
1. Was man über Gefühle wissen sollte
Was sind Gefühle und woher kommen sie?
Die Amygdala, der Mandelkern
Was passiert im Gehirn bei einem Kontrollverlust?
Wie kommt es zu Kontrollverlusten?
Die Konditionierung eines Kontrollverlusts
2. Amygdala-Klärung – eine Selbsthilfemethode
3. Kontrollverlust über Sorgen – Grübeln
Grübeln, das weit unterschätzte Problem
Strategien zum Grübelstopp
Die Mystifizierung eines Problems
Der Kontrollverlust über negative Gefühle – Depression
4. Der Kontrollverlust über Angst – krankhafte Angst
Die generalisierte Angststörung
Alpha-Relaxing
Die posttraumatische Belastungsstörung
Die Phobie
Die Panikstörung
Abstinent werden von unrealistischen Ängsten?
5. Der Kontrollverlust über Ärger und Wut
Der richtige Umgang mit Ärger – eine Kunst, die gelernt werden kann
Die Lust an der Wut
Abstinenz von Wut und Ärger?
6. Die destruktive Macht der Wut – Hass ist eine Droge
Hass frisst die Seele auf
7. Das Selbstwertgefühl / Selbstwertanalyse
Wie entwickelt sich das Selbstwertgefühl?
Destruktive geheime Programme
Gegenprogramme
Neue Programme
Neues Verhalten
8. Kontrollverlust und Persönlichkeit
Die Borderline-Persönlichkeit
Die narzisstische Persönlichkeit
Die hysterische Persönlichkeit
Die abhängige/dependente Persönlichkeit
9. Blockierte Gefühle und Kontrollverlust – der »Gefühlsbaum«
Die Angstblockade
Die Wutblockade
Die Trauerblockade
Wenn Freude blockiert wird
10. Schlussbetrachtung
Anhang
Der Kontrollverlust über Essen
Der Kontrollverlust über Kaufen
Psychedelische Drogen
Kontrollverlust und Digitalisierung
Anmerkungen
Literatur
Über den Autor
Über das Buch
Impressum
Hinweise des Verlags
Herr Z.1 leidet unter Schlaflosigkeit. Tagsüber ist er wie gerädert und kann sich kaum konzentrieren. Er klagt über Rückenschmerzen, innere Unruhe und Unsicherheit. Seine Gedanken kreisen um immer neue Ängste. Sein Grübeln kann er nicht abstellen.
Frau C. hat eine Spinnenphobie. Jedes Mal, wenn sie eine Spinne sieht, verfällt sie in Panik. Dabei gerät ihre Angst außer Kontrolle. Obwohl sie weiß, dass Spinnen in unseren Breitengraden völlig harmlos sind, fühlt sie sich diesen Ängsten sowie auch ihrem Ekel gegenüber machtlos.
Frau P. ist eine geschätzte Mitarbeiterin im Unternehmen. Sie erledigt ihre Arbeit mit größter Sorgfalt. Das Problem ist, dass sie Fehler unbedingt vermeiden will und sich deshalb in ständiger Anspannung befindet. Es ist ihr nicht möglich, darauf zu verzichten, bestimmte Vorgänge immer wieder auf Fehlerfreiheit zu prüfen. Um die Arbeit zu schaffen, leistet sie freiwillig viele Überstunden.
Bei Herrn K. dominiert Ärger das Grundgefühl. Ständig findet er Umstände, Schwierigkeiten oder Vorfälle, die seinen Ärger weiter befeuern. Für seine Mitmenschen ist dies nicht selten anstrengend und schwierig, da er wenig Positives ausstrahlt und niemand ihm genügen kann.
Herr S. ist liebenswert, meist gut gelaunt, zugewandt, freundlich und hilfsbereit. Immer wieder gerät er jedoch in schwierige Situationen; wenn er sich ärgert, gehen förmlich die Pferde mit ihm durch. Seine Frustrationstoleranz wird bei bestimmten Auslösern schnell überschritten, sodass er sich in Wutgefühle hineinsteigert. Bei solchen Ausfällen wird er durchaus ungerecht und verletzend. Die starke Erregung hält mitunter Stunden an. Danach fühlt er sich völlig erschöpft und labilisiert, sein Selbstwertgefühl ist am Boden.
Einleitung: Kontrollverlust gehört zum Menschen
Es gibt Dinge im Menschen,
die stärker sind als er selbst.
Die Kontrolle über das eigene Leben und über seine Gefühle zu haben gehört zu den Urbedürfnissen des Menschen, nur so kann er sich sicher fühlen. Die Selbststeuerung ist für unseren Erfolg im Leben sehr wichtig. Mitunter suchen Menschen gerade in riskanten Aktionen einen gewissen Nervenkitzel: beim Bungee-Sprung, Paragliding, Autorennen … Hierbei handelt es sich fast immer um einen »kontrollierten Kontrollverlust«: einmal alles loslassen, Angst genießen, um danach wieder auf festem Boden zu stehen. Grundsätzlich ist das Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit jedoch groß.
Die Kontrolle über Gefühle oder Verhaltensweisen zu verlieren ist meist mit negativen Begleiterscheinungen verbunden und »passiert« bestimmten Menschen häufiger als anderen. Das Ziel dieses Buches ist, den Umgang mit Kontrollverlusten zu erleichtern, diese besser zu verstehen und wirksame Strategien aufzuzeigen, um sie zu vermeiden bzw. besser zu bewältigen. Der intelligente Umgang mit Gefühlen ist für unser Lebensglück wichtiger als ein hoher IQ. Darüber besteht bei führenden Forschern und Wissenschaftlerinnen Einigkeit. Mithilfe der emotionalen Intelligenz gelingt es, den eigenen Gefühlszustand zu erkennen und richtig damit umzugehen. Auch die Fähigkeit, die Gefühle anderer zu erkennen, wahrzunehmen, empathisch zu reagieren, ist wesentlich für die eigene Selbstbeherrschung und bildet die Grundlage für gesellschaftlichen Erfolg.
Kontrollverluste haben für das menschliche Leben einen tieferen Sinn, diesen gilt es in den Fokus zu nehmen. Auch wenn sie mitunter dramatische und selbstzerstörerische Folgen haben, sind sie nicht überflüssig. So paradox es klingt: Ein Kontrollverlust hat die Aufgabe, das Leben in der Balance zu halten. Er zeigt, dass man sich auf einem Irrweg befindet. Der Kontrollverlust ist ein intelligentes Instrument der Seele, das uns korrigieren will, wenn wir uns auf dem Holzweg befinden.
Wenn jemand immer wieder die Kontrolle über Verhaltensweisen verliert, sei es über Gefühle wie Ärger oder Angst, oder über Verhaltensweisen wie Kaufen oder Spielen, dann ist es richtig, nach den tieferen Ursachen zu forschen. In solchen Fällen weist der Kontrollverlust auf ein Defizit hin, das man als das eigentliche Problem bezeichnen sollte. Der Kontrollverlust ist also der Hinweis auf eine tiefer liegende Störung. Die Seele entwickelt nie ohne Grund ein Symptom. Selbst wenn es gelingt, den Kontrollverlust zu beseitigen, bleibt eine innere Not, die mit großer Wahrscheinlichkeit neue Ausdrucksformen sucht, also zu neuem Leid führt. Der Kontrollverlust über Gefühle ist ein häufiges Problem und wird vorwiegend in drei Gefühlsbereichen erlebt:
über Gedanken in Form von Grübeln, bis hin zu sogenannten Grübelzwängen und depressiven Erkrankungen;
über Angst, bis hin zu Angststörungen;
über Wut und Ärger.
Wie kommt es zum Kontrollverlust über Gefühle? Welche Auslöser, Verhaltensweisen sind verantwortlich? Welche Strategien können helfen, unliebsame Kontrollverluste zu vermeiden bzw. zu stoppen?
Wir werden versuchen, einen liebevollen Blick auf Kontrollverluste zu lenken. Denn alles, was verteufelt wird, erlebt automatisch eine Verstärkung. Vielleicht kann es gelingen, sich »anzufreunden« mit etwas, das mitunter störend und eventuell sogar quälend ist. Eine Veränderung erzwingen zu wollen, führt unweigerlich zu einer Verschlimmerung.
Die Auseinandersetzung mit der Thematik der Kontrollverluste wird uns tief in die menschliche Seele führen und nach Antworten suchen lassen. Nur wenn Symptome verstanden werden, kann es gelingen, Leid zu überwinden und Lebensglück zu finden.
Hirnforscher erkennen und beschreiben immer besser, wie unser Gehirn funktioniert. Amygdala-Klärung ist eine Methode, die im Alltag bei der Bewältigung unangenehmer Gefühle und Kontrollverluste helfen kann. Sie kann von jedem leicht angewendet werden. Wie wird man abstinent von unrealistischen Ängsten?
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