Tab. 1.2: Einteilung psychiatrischer Krankheiten nach Kurt Schneider und im Kapitel V (Psychische und Verhaltensstörungen) der ICD-10
Kurt SchneiderICD-10
Nutzen und Grenzen der Klassifikationssysteme 
Die Systeme zur Klassifikation psychiatrischer Erkrankungen bestimmen zu einem großen Teil unsere Sicht, da sie uns eine Ordnung vorgeben, die unser Denken prägt. Dies macht einerseits das Leben leichter, da wir eine leitende Struktur haben, andererseits besteht die Gefahr der Einengung und der Einseitigkeit. Darüber hinaus gibt es immer wieder klinische Bilder, die sich nicht in das jeweils bestehende System einordnen lassen. Besonders schwierig wird es, wenn wir zusätzlich den Längsschnitt betrachten. Gerade in der Gruppe der schizophrenen und schizoaffektiven Psychosen lassen sich zahlreiche Untergruppen bilden, wenn die unterschiedlichen Verläufe und die Vielschichtigkeit der klinischen Bilder einbezogen werden. Dass noch wesentlich differenziertere Aufteilungen der Psychosen möglich sind, als dies in den modernen Klassifikationssystemen vorgesehen ist, zeigt sich in der auf Carl Wernicke (1848–1905), Karl Kleist (1879–1960) und Karl Leonhard (1904–1988) zurückgehenden Schule mit differenzierter Unterteilung der endogenen Psychosen (Leonhard 1995), die sich in all ihrer Komplexität jedoch auf breiter Ebene nicht durchgesetzt hat.
Funktionalität psychischer Krankheiten 
Eine Kritik der aktuellen Diagnosesysteme richtet sich darauf, dass psychische Krankheiten vor allem als dysfunktional und einschränkend begriffen werden. Aus psychoanalytischer Sicht entstehen Symptome aus Abwehr und Kompensation von Konflikten, ihre Entstehung ist also nicht nur nachvollziehbar, sondern Ausdruck eines sinnhaften Geschehens (
Kap. 1.4). Es gibt durchaus Ansätze, selbst psychotischen Symptomen eine Funktionalität zubilligen (etwa bei Mentzos 2009). Hier besteht jedoch immer die Gefahr, die biologische Komponente, die Unwägbarkeit und Unverstehbarkeit – und mithin auch die Schicksalhaftigkeit der Erkrankungen – auszublenden zugunsten des Zuschreibens eines übergeordneten Sinnes, den es vermeintlich zu entdecken und zu bearbeiten gilt. Sicher kann es im Einzelfall interessant und auch nützlich sein, die Ausgestaltung unter psychodynamischen Gesichtspunkten zu betrachten. Nicht zuletzt in Anbetracht der schweren, von Defiziten geprägten Verläufe, die bei schizophrenen Psychosen zu beobachten sind, wird jedoch rasch deutlich, dass eine psychodynamische Sicht, die nicht nur die Erklärung der Erscheinungen, sondern des gesamten Krankheitsprozesses für sich in Anspruch nimmt, hier zu kurz greift.
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