LEONHARD F. SEIDL
VOLK VERLAG MÜNCHEN
Dieser Roman entstand im Rahmen des Literaturstipendiums des Mittelalterlichen Kriminalmuseums, Rothenburg o. d. T. 2020. Der Autor dankt der Stiftung mittelalterliches Kriminalmuseum, Rothenburg o. d. T. und der Bildungsstätte Wildbad für die Verleihung des Stipendiums .
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ISBN 978-3-86222-379-4
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Auf dem Höhepunkt der Macht Auf dem Höhepunkt der Macht „Der Schah ist eine besonders gefährdete Person“, hast du die letzten Wochen überall in Rothenburg ob der Tauber gehört. Daran muss jetzt auch der Bartholomäus König denken, wie er in seinem feschen Anzug unter den Altanen des mittelalterlichen Rathauses steht, die nicht weniger fesche Farah Diba neben sich. Die Frau, von der sogar seine Mutter träumt, die letztlich der Grund ist, also seine Mutter, warum er jetzt da steht, an der Stelle vom Schah. Der Schäfertanz auf dem Marktplatz ist vorbei, der Oberschäfer tritt nach vorn. „Den kaiserlichen Majestäten zur Ehre sind wir angetreten und danken für die Huld und Gnad zum Ruhme unserer Vaterstadt. Ein Hoch dem alten Schäferstand. Ein Hoch dem ganzen deutschen Land. Ein Hoch den edlen Gästen. All stimmt ein und ruft mit lautem Schall: Sie leben hoch!“ Tusch. „Hoch!“, jubeln die Rothenburger. Tusch. „Hoch!“ Tusch. „Hoch!“ Und dann ist der Schah dran. Der Dolmetscher neben ihm ahnt nicht im Geringsten, was ihm blüht. Kann also nicht einmal froh sein, noch einen kurzen Moment verschnaufen zu dürfen. Weil, der König sagt laut und deutlich „Grüß Gott!“, hebt dabei die Hand und winkt. Die Menschenmassen zu seinen Füßen jubeln: sein Vater, seine Mutter, die Rothenburgerinnen und Rothenburger, Alte, Kinder, sogar die Kranken haben sich rausgeschleppt. Manche verlieren die ein oder andere Träne, was im Regen völlig untergeht. Seine Tochter, die Aurelia, ist schon abgeführt worden von der Polizei, sitzt im Bully mit dem Blaulicht auf dem Dach. Der Schah erhebt erneut seine Stimme: „ Labe eâr chere fotlan mamnunam …“ Zuerst werden die Backen vom Dolmetscher rosig, dann der ganze Schädel fuchsrot, was auch die Schweißperlen nicht vereiteln können. Stille auf dem Marktplatz, die Rothenburger warten gespannt, was ihnen der Schah zu sagen hat, auf die Worte des rotkopferten Dolmetschers. Der schaut zum Schah, würd ihn am liebsten fragen, was er da eigentlich gesagt hat. Aber dem Schah sein gestrenger Blick, den er nur allzu gut kennt, hindert ihn daran, diesen Blödsinn zu machen, obwohl ja eigentlich der Schah, vulgo König, derjenige ist, der gerade Blödsinn macht. In der geschlossenen Psychiatrie im Bezirkskrankenhaus (BKH) Ansbach tobt derweil ein Mann, der wie der König ausschaut, im Wechsel Flüche auf Farsi und Englisch ausstößt und behauptet, der Schah von Persien zu sein.
Die Geburt des Kaisers
Der tiefe Fall
Der Einmarsch des Kaisers
Auf zur Folterkammer
Ausrufung des Kaisers
Im Folterkeller
Ernennung zum Oberst
Schreckung der Eisernen Jungfrau
Erdbeben
Territio verbalis – das Erschrecken
Am deutschen Busen der Natur
Ziemliche Tortur
Dem Adi sein Apfel
Auf dem Folterstuhl
Iranische Arier
Scharfe Tortur
Adi, der Prophet
Eingesackt
Krönung und Nachwuchs
Gerädert
Die Nazen sind zurück!
Farah und der Keuschheitsgürtel
Regenbogen über Rothenburg
Gebratenes Menschenfleisch
Salon Soraya
Der Armesünderlöffel
Die Märchenhochzeit
Auf glühenden Kohlen
Schein und Sein
Knackender Kiefer
Farah kommt!
Der Schwedentrunk
Alles für den Schah!
Aufgehängt
Auf dem Höhepunkt der Macht
Die Schandmaske
Dank
Für meine Klausi-Oma mit der Farah Diba-Frisur
„Er wird euch irreführen und Versprechungen machen,aber lasst euch nicht täuschen.“
Ryszard Kapuscinski, Schah-in-schah
Auf dem Höhepunkt der Macht
„Der Schah ist eine besonders gefährdete Person“, hast du die letzten Wochen überall in Rothenburg ob der Tauber gehört. Daran muss jetzt auch der Bartholomäus König denken, wie er in seinem feschen Anzug unter den Altanen des mittelalterlichen Rathauses steht, die nicht weniger fesche Farah Diba neben sich. Die Frau, von der sogar seine Mutter träumt, die letztlich der Grund ist, also seine Mutter, warum er jetzt da steht, an der Stelle vom Schah.
Der Schäfertanz auf dem Marktplatz ist vorbei, der Oberschäfer tritt nach vorn. „Den kaiserlichen Majestäten zur Ehre sind wir angetreten und danken für die Huld und Gnad zum Ruhme unserer Vaterstadt. Ein Hoch dem alten Schäferstand. Ein Hoch dem ganzen deutschen Land. Ein Hoch den edlen Gästen. All stimmt ein und ruft mit lautem Schall: Sie leben hoch!“ Tusch.
„Hoch!“, jubeln die Rothenburger. Tusch. „Hoch!“ Tusch. „Hoch!“
Und dann ist der Schah dran. Der Dolmetscher neben ihm ahnt nicht im Geringsten, was ihm blüht. Kann also nicht einmal froh sein, noch einen kurzen Moment verschnaufen zu dürfen. Weil, der König sagt laut und deutlich „Grüß Gott!“, hebt dabei die Hand und winkt. Die Menschenmassen zu seinen Füßen jubeln: sein Vater, seine Mutter, die Rothenburgerinnen und Rothenburger, Alte, Kinder, sogar die Kranken haben sich rausgeschleppt. Manche verlieren die ein oder andere Träne, was im Regen völlig untergeht. Seine Tochter, die Aurelia, ist schon abgeführt worden von der Polizei, sitzt im Bully mit dem Blaulicht auf dem Dach.
Der Schah erhebt erneut seine Stimme: „ Labe eâr chere fotlan mamnunam …“
Zuerst werden die Backen vom Dolmetscher rosig, dann der ganze Schädel fuchsrot, was auch die Schweißperlen nicht vereiteln können. Stille auf dem Marktplatz, die Rothenburger warten gespannt, was ihnen der Schah zu sagen hat, auf die Worte des rotkopferten Dolmetschers. Der schaut zum Schah, würd ihn am liebsten fragen, was er da eigentlich gesagt hat. Aber dem Schah sein gestrenger Blick, den er nur allzu gut kennt, hindert ihn daran, diesen Blödsinn zu machen, obwohl ja eigentlich der Schah, vulgo König, derjenige ist, der gerade Blödsinn macht.
In der geschlossenen Psychiatrie im Bezirkskrankenhaus (BKH) Ansbach tobt derweil ein Mann, der wie der König ausschaut, im Wechsel Flüche auf Farsi und Englisch ausstößt und behauptet, der Schah von Persien zu sein.
Später fragte sich Bartholomäus König oft, ab wann seine Eltern wussten, dass er am selben Tag wie der Schah von Persien zur Welt gekommen war: am 26. Oktober 1919. Denn ihre Anspielungen waren auffällig zahlreich gewesen. So wurde davon gesprochen, dass er jetzt dort hingehe, wo selbst der Kaiser zu Fuß hingeht. Das mag eine geläufige Redewendung und eine Ermunterung der Mutter gewesen sein, in Erwartung einer baldigen Zukunft ohne Windel. Und sie wollte dadurch sicherlich auch erklären, warum er zu Fuß aufs Klosett gehen musste und sich nicht von ihr tragen lassen durfte, auch wenn er noch so sehr belferte. Vor allem aber wird es daran gelegen haben, dass sich Mutter König die Kleider nicht dreckig machen wollte. Denn Dreck war für sie gleichbedeutend mit Unordnung. Selbst ein Halbblinder konnte es beobachten, wie sich ihre Gesichtszüge verkrampften, entdeckte sie Unordnung, wie körperlich schmerzhaft so ein Anblick für sie war.
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