Udo Jürgens sang bei seiner großen Gala zu seinem 80. Geburtstag zum Abschluss in etwa folgende Zeilen: » … nicht gefeiert, sondern umsorgt sein … nicht umjubelt, sondern geliebt sein …« Luxus kann keine Liebe ersetzen und schnell zur Notwendigkeit werden. Er kann neue Zwänge erschaffen, sobald wir uns daran gewöhnt haben. Er wird zur Selbstverständlichkeit. Die Menschen wollen nicht mehr ohne ihn leben. Irgendwann können sie es nicht mehr.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden zahllose Maschinen erfunden, die uns das Leben erleichtern: Waschmaschine, Staubsauger, Geschirrspülmaschine, Telefon, Handy, Computer … Früher hat es viel Zeit gekostet, einen Brief zu schreiben, ihn zur Post zu bringen und abzuschicken. Heute können wir innerhalb einer halben Minute eine E-Mail schreiben und sofort eine Antwort bekommen. Haben wir jetzt mehr Zeit für uns selbst? Im Gegenteil. Und ich war mir damals sicher, wir würden 20 Jahre später die Hälfte der Woche frei haben!
Der Traum vom besseren Leben hält uns im kleinen Leben gefangen. Er hält uns genau dort fest, wovon wir wegwollen. Lassen wir uns heute immer noch von ihm täuschen? Wahrscheinlich schon. Der Traum vom besseren Leben macht uns blind für die Suche nach einem erfüllten Leben in unserem wahren Selbst. So wie die Menschen vor Jahrtausenden? So wie mich einmal?
Meine Oma las und liebte Tolstoi. So kam auch ich schon in jungen Jahren dazu, so dicke Bücher zu lesen. Mit 14 Jahren ließ mich ein Satz von ihm nicht mehr los: »Lieben können heißt alles können.« Wow!
Es ging mir gar nicht so sehr um »alles können«. Ich wollte damals höchstens einen Salto oder Flickflack können, war aber eher eine Läuferin. Alles lieben können, das war es, was ich wollte. Ich war oft in der Liebe und wollte einfach immer darin sein. Ich weiß noch, dass ich anschließend innerlich wie elektrisiert die Treppe von meinem Kinderzimmer nach unten gegangen bin. Ich hörte meine Mutter in der Küche. Jeder Schritt kam mir wie eine Ewigkeit vor. Es war kurz vor Mittag, und ich bekam mit, dass wahrscheinlich die Kartoffeln überkochten. Auf einmal kam mein Vater angestürmt und tobte los: »Kannst du nicht aufpassen? Das muss doch nicht sein. Kann man dich nicht mal das allein machen lassen? Muss ich da auch noch dabei sein?« Ich ging immer noch Stufe für Stufe die Treppe nach unten. Meistens wollte ich meine Mama in Schutz nehmen oder sie verteidigen. Doch in mir war nur der Satz: »Das wird ja gar nicht so einfach, mit dem ›Liebenkönnen‹«!
Erst viele Jahre später erkannte ich, dass das eigentliche Problem war, wie hart und streng mein Vater sich selbst gegenüber ist. Als Perfektionist verzeiht er sich keinen Fehler. Deshalb verlangt er auch von anderen Perfektion.
Die Natur als heilsame Kraft
Bis etwa zu meinem 18. Lebensjahr spielte das Wort »Gott« keine Rolle in meinem Leben. Ich hörte es kaum. Religion war weit weg. Die Natur war ganz nah. Ich ließ sie in mich hinein und ging in ihr auf. Wochenlanges Wandern durch stille Berge, Baden in klaren Seen, Spielen, Blödsinn-Machen, Spontan-Sein, Atmen und Malen, Malen, Malen war wie Spazierengehen durch den Himmel.
Viele Menschen spüren die heilsame Kraft, zurück zur Natur zu gehen. Die Natur ist ein wahrer Lehrmeister. Benutzen wir die Natur aber, um vor etwas wegzulaufen, um etwas anderes zu vermeiden, wird sie uns darauf aufmerksam machen. Auch das wäre dann eine Abhängigkeit und keine wirkliche Freiheit.
Fragen Sie sich: Ist in der Natur zu sein ein tiefes inneres Bedürfnis von mir? Ist es ein Ausgleich, der guttut, ein fauler Kompromiss, überdeckende Kompensation oder gar eine Flucht? Beobachten Sie Ihre Motivationen.
Der beste spirituelle Platz wäre der langweiligste. Er würde keinerlei Ablenkung bieten. Genau aus diesem Grund gingen früher Menschen in die Einsamkeit auf einen Berg, in eine Höhle, oder sie zogen sich in ein Kloster zurück. Sie trafen bewusst die Entscheidung, mit sich und dem All-Einen allein zu sein. Sie suchten die Wahrheit und wollten Gott gewahr werden. Die Gemeinschaft akzeptierte ihre Entscheidung und sorgte zum Beispiel für Nahrung, damit jede Störung oder persönlicher Kontakt vom Suchenden ferngehalten wurden.
Wie fühlen Sie sich bei dem Gedanken, ohne Ablenkung zu sein? Wenn Sie möchten, probieren Sie ein paar Tage lang ein Meditations-Retreat aus, ohne ein Buch, ohne Musik, ohne irgendwas. Einfach nur sitzen.
Vielleicht spüren Sie schon bei der Vorstellung, dass Unruhe in Ihnen auftaucht und die Gedanken kreisen. Es kommt vieles zum Vorschein bei solch einer Erfahrung, nur mit sich selbst zu sein.
Durch die Angst der Menschen vor sich selbst macht die Unterhaltungsbranche gute Geschäfte. Es braucht ja immer neue Ablenkungen, die die Spannung aufrechthalten.
Ich bin überzeugt, dass wir heute nicht auf einen Berg klettern oder in einer Höhle sitzen müssen. Wir können in jedem Moment und an jedem Ort Gott erfahren. Die All-Einheit ist allgegenwärtig in uns, um uns.
Wir können immer »online gehen« und unsere Energiereserven in der geistigen Welt auftanken. Selbst wenn wir nur mit einem Teil unseres Bewusstseins dort präsent sind, können wir verbunden mit dem Ganzen sein.
Das Tao bezeichnet die Energie, das geistige Prinzip, das Formlose hinter allem. Davon können Sie sich erfüllen lassen. Es braucht nur Ihre Erlaubnis, sich dem Tao zu öffnen, und es braucht Ihr Tun. In der sogenannten stofflichen Welt wissen wir, »Tun bringt Ergebnisse«. So ist es auch in der Energiearbeit. Für viele Menschen ist dies ein unsichtbarer und daher für sie nicht leicht zugänglicher Bereich, für mich ist das anders. Ich kann darin spazieren gehen. Dazu lade ich Sie ein.
Übung: »Verbindung mit dem Tao«
Begeben Sie sich in bequemer Kleidung an einen Platz Ihrer Wahl in freier Natur. Es ist sinnvoll, möglichst einen Platz ohne Zaungäste zu wählen. So fällt es Ihnen leichter, die Kontrolle loszulassen, da Sie sich nicht beobachtet fühlen.
Beginnen Sie, mit geschlossenen Augen und ruhig stehend bewusst zu atmen. Ihre Seele ist bei Ihnen, und Sie sind ganz in diesem Moment. Mit jedem Atemzug werden Sie gelassener. Ihr Alltag entfernt sich, und Sie sind nur noch im Hier und Jetzt. Sie spüren die Erde unter Ihren Füßen. Ganz gleich, wie das Wetter ist, Sie nehmen alles in sich und um sich einfach nur wahr. Konzentrieren Sie sich auf Ihr Herzzentrum in der Mitte Ihrer Brust. Lassen Sie es mit jedem Atemzug weiter und offener werden. Ihre Sinne sind sehr wach, Sie riechen, hören, schmecken die Luft. Sie existieren. Sie sind kein Kind, kein Erwachsener, keine Frau und kein Mann. Sie sind einfach nur da – als eine Energie, eine Präsenz, eher flüssig oder gasförmig. Auftauchende Gefühle können Sie Ihrer Seele übergeben.
Das Besondere an dieser Meditation ist, Sie lassen die Welt an ihr teilhaben. Öffnen Sie ganz sanft Ihre Augen. Schauen Sie mit einem weichen Blick einfach dahin, wohin er fällt. Bleiben Sie einfach still in sich und schauen. Schauen Sie nichts speziell an. Richten Sie Ihren Blick auf das, was Ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Machen Sie sich keine Gedanken. Ganz gleich, was passiert, vertrauen Sie diesem Austausch. Bleiben Sie die ganze Zeit über in dem empfangenden Modus. Bleiben Sie vollkommen absichtslos. Nehmen Sie einfach auf, was sich zeigt. Wertfreies Schauen: Wasser, ein Schmetterling, ein Ast, eine Bank oder einfach pure Erde. Vieles sehen Sie gar nicht, was zu Ihnen strömt. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Sie können es aber mit Ihrem Herzen wahrnehmen. Atmen Sie das Unsichtbare ein. Sie sind ein Teil vom Ganzen, lassen Sie sich doch einfach synchronisieren.
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