(Pause. Im Seminar spiele ich nach einigen Minuten leise, liebevolle Musik. Behutsam wurden wir am Ende dieser Energiemeditation von ihren Klängen getragen.)
Kapitel 4
Integrieren bedeutet transformieren
Wie Sie lernen, Liebe und Verständnis für all Ihre Gefühle aufzubringen .
Die Falle: Warum Gefühle, die Sie ablehnen, Sie einholen .
Warum Sie sich sicherer fühlen werden, wenn Sie verletzte innere Anteile annehmen .
Von William Shakespeare stammen folgende Worte: »Goldene Jungs und Mädchen müssen, wie Schornsteinfeger, in den Staub.« Wir müssen also in die Tiefe, in den Staub, vielleicht in Abgründe hinuntersteigen.
Doch wir können eingefrorene Energien lösen und verletzte Anteile durch die Liebe in unserem Herzen heilen, nach dem Motto: Alle unsere Kinder dürfen an unserem Seelentisch im Herzen Liebe tanken.
Gefühle integrieren und heilen
Gerade habe ich wieder ein wunderbares Seelencoach-Wochenende erlebt. In mir schwingen die tiefen, intensiven Erlebnisse nach, und auch die Teilnehmer sind belebt und berührt in ihr Alltagsleben zurückgefahren. Ich erinnere mich an die Worte einer lieben Gefährtin aus der ersten Seelencoach-Gruppe: »Das ist ja wie der Führerschein für die Seele.« Bei der jetzigen Seelencoach-Gruppe ist ihre 24-jährige Tochter dabei. Es berührt mich sehr, zu sehen und zu spüren, wie Familien heilen, wie junge Menschen ihr eigenes Leben ohne Altlasten der vorherigen Generationen leben können und dadurch freier und authentischer werden.
Wieder sind dabei seelische Verletzungen erkannt und geheilt worden. Jeder von uns weiß, dass nicht nur Zahnschmerzen wehtun. Wir wissen, wie sich Liebesentzug anfühlt, und wir kennen auch die Wunden, die er als psychosomatische Störungen in unserem Körper hinterlässt. Das Gefühl, als Kind nicht richtig zu sein, belächelt oder abgelehnt zu werden, haben wir oft tief in uns vergraben – da, wo kein Licht mehr hineindringt. Solche Inneren Kinder haben wir auch in diesem Seminar wieder aufgespürt. Wir haben sie angeschaut, sodass sie sich nach langer Zeit wieder gesehen fühlten. Wir haben ihnen unser Herz geöffnet, sie umarmt und Liebe und Trost zu ihnen fließen lassen. Solch ein verdrängter geistig-seelischer Anteil von uns kann ganze Lebenszeiten vor der Tür draußen stehen, bei –20 Grad, hungrig und vergessen. Erst wenn wir mutig genug sind oder das Leben uns durch Schmerzen oder »Schicksalsschläge« unmissverständlich dazu auffordert, sind wir bereit, diese Inneren Kinder wieder zu spüren und ihnen einen Platz in unserem Herzen zu geben. Solch ein Kind vor der Tür ist nicht immer nur friedlich oder traurig, sondern oft auch zornig, wütend und voller Misstrauen. Stellen Sie sich vor, Sie sperren einen Hund tage-, wochen- oder jahrelang in ein dunkles Zimmer, abgeschnitten von Liebe und Zugehörigkeit. Glauben Sie, dass er Ihnen schwanzwedelnd entgegenkommt, wenn Sie die Tür einen Spalt öffnen? Auch er müsste erst wieder Vertrauen zu Ihnen fassen, dass Sie es ehrlich meinen und die Tür nicht wieder verschließen.
Das Dilemma ist, als Kind konnten wir gar nicht anders, als unerträglich schmerzhafte Erfahrungen zur Seite zu stellen: in den Keller, ins Unterbewusstsein. Erst durch unsere Sehnsucht nach uns selbst und nach dem Leben als Lehrmeister holen wir diese Anteile in unser erwachsenes Leben zurück. Sie sind erstarrt, ihre Energie ist wie in einer alten Erlebnisblase gefangen.
Doch wir können sie befreien. Sind Sie bereit, diese Anteile zu betrachten und anzunehmen? Diese vernachlässigten Anteile haben lange auf Ihre Aufmerksamkeit gewartet und machen sich oft auf unangenehme Weise in Ihrem Leben bemerkbar. Sie brechen in Ihr Leben ein und erzeugen eine Realität, die Sie nicht gerne haben. Sie erschaffen Situationen, in denen Sie wieder genau diesen alten Schmerz, diese Ablehnung oder dieses Ausgeschlossensein erfahren. Diese Anteile können in Ihnen toben wie ein lange eingesperrter Hund und unvorstellbare Schäden anrichten. Sie halten viele Menschen fest im Griff, sitzen am Steuer ihres Lebens und lassen sie immer wieder durch die Hölle gehen.
Die Ohnmacht der Menschen
Die meisten Menschen sind keine Zombies oder Bösewichte, aber sie hängen in einer Traumaschleife fest, machen sich ihre verdrängten Anteile nicht bewusst und werden durch diese ständigen Wiederholungen ihres alten Schmerzes retraumatisiert.
Warum fällt es uns so schwer, all unsere Anteile, unsere Inneren Kinder an unseren Tisch zu holen? An unseren Herzenstisch, wo es Liebe als Seelennahrung zum Wärmen und Licht zum Heilen gibt. Warum dürfen unsere traurigen Kinder nicht da sein? Warum haben wir so viel Angst, dass sie nicht »vorzeigbar« sein könnten? Wir schämen uns ihrer oder fühlen uns ihnen gegenüber tief schuldig. Doch nur wer sich selbst vergibt, wird sich auch sicher fühlen. Nur ein Mensch, der zu all seinen Anteilen steht und sie integriert, wird den Weg in die wahre Selbstliebe finden. Diese Selbstliebe ist der Nährboden für alles – für Selbstvertrauen, seelisches Wachstum und kreative Entfaltung.
Von etwas wegwollen ist der beste Klebstoff
»Nichts fixiert etwas so gründlich in der Erinnerung, wie der Wunsch, es zu vergessen.«
Montaigne
Ich spüre bei vielen Menschen, die zu mir in die Seminare oder in die Einzelarbeit kommen, dass sie ihre Traurigkeit verstecken. Doch nichts ist für mich so offensichtlich als das, was sie verbergen wollen. Erst müssen sie weinen, dann kommt das wahre Lächeln. Sie wollen natürlich lachen und glücklich sein, doch zuerst müssen sie weinen. Wir alle haben Grund zur Trauer. Ganz gleich, ob wir wissen, worüber. Genauso schlimm fühlt sich auch diese innere Leere an, wenn wir uns selbst nicht spüren und nicht wissen, warum wir traurig sind. Stellen Sie ein trauriges Kind vor die Tür, ohne Ihr Mitgefühl. Es wird rebellieren. Es wird Ihnen bei der nächsten Gelegenheit wieder begegnen. Sie wollen es vergessen, aber das ist unmöglich.
Wollen Sie fröhlich sein, müssen Sie sich zuerst mit dieser Traurigkeit auseinandersetzen. Wollen Sie Leichtigkeit, müssen Sie sich mit der Schwere in Ihnen konfrontieren. Wollen Sie die Fülle in Ihr Leben holen, seien Sie bereit, den Mangel zu fühlen. Sperren Sie Depression und Angst nicht aus, gehen Sie mitten ins Zentrum der Angst, auch wenn dieses Zentrum wie ein schwarzes Loch ist. In einer Gruppe, getragen in einem geschützten Raum, fällt dies leichter. In der Gemeinschaft spüren Sie deutlich die Resonanz der göttlichem Liebe sowie die Energie der Einheit und der Akzeptanz gegenüber allem. Diese werden Sie tragen und Ihnen den Weg zeigen.
Die Teilnehmer meiner Seelencoach-Seminare wissen schon, dass es nichts bringt, auf die anderen zu schauen, »ins andere Aquarium« lautet unser geflügeltes Wort dafür. Ebenso rufe ich ihnen immer wieder einmal den Satz in Erinnerung: »Wenn du von etwas wegwillst, ist das der beste Klebstoff.« Wir bleiben an unseren ungeliebten Gefühlen und inneren Anteilen kleben, wenn wir nicht bereit sind, diese zu integrieren.
Zu den geliebten Kindern, wie zum Beispiel der Erfolg, die Sicherheit und die Schönheit, wurden in unseren Seelencoach-Seminaren schon viele ungeliebte Kinder eingeladen, wie etwa die Schwäche, die jetzt neben der Stärke ihren Platz hat, aber auch die Schuld einer schlimmen Tat (zum Beispiel einer Lüge, eines Betrugs, eines Seitensprungs), das Verlassensein, die Verlustangst, das Gefühl der Wertlosigkeit, die Existenzangst, die traumatische Erfahrung von Alkoholismus oder Vergewaltigung usw.
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