1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 Wir tranken, feierten und tanzten beinahe die ganze Nacht. Rick kümmerte sich um Marie, während ich mit Laura scherzte. Das Schöne daran war, dass wir uns immer mehr näherkamen, je später der Abend wurde. So gegen vier Uhr früh klagte sie darüber, dass sie um acht Uhr schon wieder aufstehen müsse und deswegen jetzt gern nach Hause gehen würde. Ihr Hotel sei gleich in der Nähe, ob es mir was ausmachen würde, sie zu begleiten. So spät in der Nacht wäre frau immer ein wenig unsicher. Bei dieser Frage spürte ich eine sanfte Regung in meiner Beckengegend. Würde es mit vierundzwanzig Stunden Verspätung passieren? Hatte ich heute alles Glück dieser Welt?
Mit großer Freude und schmutzigen Hintergedanken erklärte ich mich bereit, sie zum Hotel zu bringen. Rick und Marie wollten noch nicht gehen. Arm in Arm schlenderten wir durch die dunklen Gassen, nach wenigen Minuten blieb sie stehen und meinte: „Da wären wir schon.“ Wir befanden uns vor dem schlecht beleuchteten Eingang des doch etwas schäbigen Hotels „Olympia“. Dass hier eine Stewardess abstieg, hätte ich nicht gedacht. Egal. Vollkommen egal. Es konnte jetzt nicht mehr lang dauern und ich würde den größten Schatz auf Erden erkunden dürfen. Endlich würde ich von meinen Qualen erlöst werden, endlich dürfte ich zum Mann werden. Allein im stillen Kämmerlein hatte ich das ja schon Hunderte Male durchexerziert, aber jetzt …
Mir stockte der Atem, als sie sich zu mir drehte, mich lächelnd ansah und mir dann ganz nahe kam. Sie küsste mich auf die Wange und hauchte in mein Ohr: „Danke für den tollen Abend, es war wirklich lustig mit dir. Gute Nacht!“
Noch ehe ich reagieren konnte, war sie im dunklen Hoteleingang verschwunden. Meine Pechsträhne hatte sich ein weiteres Mal verlängert. Verdammt. Shit. Es war doch immer dasselbe. Ich wollte brüllen, aber kein Ton verließ meine Kehle, so ein Scheiß!
Gott sei Dank, ich hatte meinen iPod eingesteckt, so war ich wenigstens musikalisch versorgt, wenn schon sonst nichts ging. Auch der viele Alkohol dämpfte die Tristesse ein wenig, das war gut.
Gut wäre es auch gewesen, wenn ich mehr auf den Weg geachtet hätte, denn zu unserem Hotel zurück fand ich erst nach langem Suchen. Auch die Taxifahrer kannten diesen neuen Familienklub noch gar nicht. Als ich gegen 5.30 Uhr endlich vor dem Zimmer stand und mich niederlegen wollte, fand ich die Tür versperrt vor. Wir hatten an der Rezeption energisch zwei Schlüssel verlangt, das wäre ja zu viel verlangt gewesen, wenn wir wie ein Ehepaar nur einen Zimmerschlüssel erhalten hätten. Nach langen Diskussionen war das Rezeptionsmäderl so weit gewesen, dass es uns zwei Schlüssel aushändigte. Und jetzt steckte ich meinen Schlüssel ins Schloss, aber die Tür ließ sich nicht öffnen. Ich klopfte. Nichts. Keine Reaktion. Rick war wahrscheinlich noch nicht da, Marie sicher nicht so verklemmt wie Laura. Was sollte ich jetzt tun? Die Rezeption war menschenleer; ich könnte Tina, die Reiseleiterin, anrufen. Die hatte doch gemeint, man könne sie bei Notfällen jederzeit kontaktieren. Außerdem wäre das eine wunderbare Rache für die sauteure, unerschwingliche Umbuchung.
Ich setzte mich hin, lehnte mich gegen die Tür und holte mein Handy heraus. Ach ja, ich hatte ja keine Nummer von ihr. Da müsste ich noch einmal aufstehen und zur Rezeption. Mir kam es so vor, als hätte ich ein Geräusch aus unserem Zimmer gehört. Ich lauschte. Ja, das war nicht falsch gewesen, da drinnen war jemand. Und dann hörte ich leises Seufzen, das einem Rhythmus folgte und langsam lauter wurde. Na super. Rick und Marie. Wenigstens hatte mein Kumpel eine Nummer. Ich setzte mich wieder hin. Das durfte doch nicht wahr sein. Was war das jetzt? Die schwarze Woche? Die Glaub-an-dein-Glück-Entziehungskur?
Nicht einmal im Urlaub hatte ich so viel Schwein, nicht einmal im beschissenen Griechenland durfte ich landen. Und was machte Rick? Versaute mit der Stewardess Marie das Bett, während ich hier draußen saß. Ricks Glück verfluchend und ihm mal ein ähnliches Schicksal wünschend, legte ich mich wie ein Haushund vor die Tür, hörte leise Musik und versuchte zu schlafen.
Marie weckte mich, als sie gegen halb acht die Tür aufriss und über mich stolperte. Sie schien es eilig zu haben, da sie sich nicht einmal entschuldigen konnte. Ich kroch hundemüde und verkatert ins Zimmer, Rick schnarchte auf seiner Seite und ich wälzte mich auf meine – mir war es vollkommen egal, was da in den Stunden zuvor gespielt worden war.
Gegen drei Uhr erwachte ich, mein Kopf fühlte sich an, als wäre er in einem Schraubstock gefangen. Der Durst war riesengroß. Vollkommen verdattert setzte ich mich auf, während Rick schon fröhlich pfeifend durchs Zimmer tänzelte.
„Ah, da ist er ja. Der U-Boot-Kapitän. Hast was versenkt in der Nacht?“ „Haha, sehr witzig. Bin mit einem Bussi auf die Wange nach Hause geschickt worden.“ „Scheiße. Heute Abend versuchst du es wieder. Es wird schon hinhauen, du darfst dir nur nicht zu viel Stress machen.“ Rick, der große Philosoph. „Weißt du was? Lass mich einfach mit dem Scheiß in Ruhe. Ich will davon nichts mehr hören. Ich bin jetzt fünfundzwanzig Jahre wunderbar ohne Frau ausgekommen und das werde ich auch noch in den nächsten Tagen und Wochen, Monaten und vielleicht Jahren!“, herrschte ich ihn an.
Er blickte mich irgendwie überrascht an und meinte: „Du bist verkatert, du brauchst mal ein Frühstück, dann sehen wir weiter.“ Ricks gute Laune und sein unzerstörbarer Optimismus verleideten mir das Aufstehen. Hunger hatte ich wohl, außerdem war mein Durst unerhört mächtig. Also stand ich langsam auf, quälte mich ins Bad und war nach wenigen Minuten fertig, um das Büfett zu plündern. Vielleicht gab es sogar noch Frühstück?
Das war ein Wunsch gewesen, denn um 15.30 Uhr gab es natürlich nicht allzu viel. Rick überredete mich zu einem richtigen Katerfrühstück und wir gönnten uns ein Wiederherstellungsbier.
Die Sonne strahlte vom Himmel und wir machten nach einem kleinen Snack eine Runde durch die Anlage. Vor dem großen Pool, den wir von unserem Zimmer aus beobachten konnten, mühten sich mehrere Animateure, aus den wurstigen Touristen durchtrainierte Aqua-Jogger zu formen. „Die ist doch süß“, raunte Rick mir zu und zeigte auf eine kleine, blonde Animateurin. „Stimmt, die ist süß.“ „Also, worauf wartest du?“ „Ich hab es dir schon gesagt, ich will nichts mehr davon hören. Ich will nur meine Ruhe haben.“ „Okay, okay. Ich hab schon verstanden. Man kann ja niemanden zu seinem Glück zwingen.“ Rick sprang in den Pool und baute sich wenige Meter vor der kleinen Blonden auf.
Ich hingegen schlenderte durch den Klub, beobachtete die Kinder beim Spielen – es war herrlich, ihnen zuzusehen, wie sie sich über die geringsten Kleinigkeiten freuen konnten – und schaffte es endlich auch ans Meer. Dort setzte ich mich unter einen Sonnenschirm und blickte einfach auf die See. Zwischendurch versuchte ich die Wellen zu zählen, es steht ja geschrieben, dass jede siebente davon irgendwie anders sein soll. Mir wäre da nichts aufgefallen. Vielleicht war ich aber auch noch nicht ganz nüchtern.
Irgendwann tauchte Rick auf. „Ach, hier bist du. Ich hab dich schon gesucht. Ich würd jetzt gern mal essen. Kommst mit oder bleibst noch sitzen?“ War es schon so spät? Wie lange war ich denn hier gesessen? Der Hunger meldete sich ganz plötzlich und richtig vehement. „Gute Idee. Ich hab ja eh schon einen Riesenhunger.“
Beim Abendessen war es richtig laut. Da konnte selbst Metallica oder Motörhead bei einem Livekonzert nur schwer mithalten, denn die Kleinen machten einen Lärm, das konnte man sich als Nicht-Kleinkind-Erprobter überhaupt nicht vorstellen. Der einzige Unterschied war, dass man am Ende der Büfettschlacht wenigstens kein Pfeifen in den Ohren hörte. Danach setzten wir uns an die Bar und gönnten uns mehrere Cocktails. Das war richtig gut, das sollte eine tägliche Gewohnheit werden. Nicht nur im Urlaub, sondern überhaupt immer. Ich bin mir sicher, dass es auf der ganzen Welt viel weniger Krieg gäbe, wenn die Menschen mehr Cocktails trinken würden.
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